Djihad. Christoph Hoenings
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Hier befand sich keines der größeren Hotels wie dieses, aus dem der Prediger neulich mit seinem niederländischen Handy nach Pakistan telefoniert hatte. Lieutenant-Commander Carl Almaddi blieb nun doch nichts anderes übrig als sich in das militärische Spionagecomputernetz einzuloggen. Nachdem er sich mehrere Minuten lang mit der Eingabe von Identifizierungs- und Authentifizierungscodes herumgeplagt hatte, stand ihm die Welt offen.
Als Erstes rief er sich die Liste der öffentlich zugänglichen Gebäude und Anschriften auf, die in diesem Stadtviertel Riads registriert waren:
Mehrere kleinere Moscheen, einige Arztpraxen, eine Vielzahl von Geschäften und Läden für den Verkauf von Textilien und Kleidung, Schuhen, Lebensmitteln. Eine Apotheke.
Mehrere Büros kleiner Handelsgesellschaften.
Zwei nicht markengebundene Autowerkstätten.
Zwei Kindergärten, getrennt nach Geschlechtern.
Eine Koranschule, angegliedert an eine der Moscheen.
Eine Koranschule!
Die Satellitenbilder, die Lieutenant-Commander Carl Almaddi zur Verfügung standen, waren um Klassen besser und deutlicher als die bei Google-Earth.
Almaddi konnte sich soweit heranzoomen, dass er die Schriftzüge über den Geschäften, selbst Straßenschilder und Hausnummern lesen konnte, soweit sie nicht im Schatten lagen.
Da die Frauen in den Straßen Burkhas trugen und die Männer fast ausnahmslos Kufiyas, würde jedoch die Identifizierung einer bestimmten Person unmöglich sein.
Die Zeitspanne, in der ein Satellit eine bestimmte Gegend überfliegt und diese aufnehmen und filmen kann, ist recht kurz. Je nach Winkel und Flughöhe stehen zwischen 25 und 45 Minuten zur Verfügung. Allerdings kreisten über dem Großraum Afghanistan, Iran, Irak, Arabien, Israel gleich mehrere Satelliten, die zum Teil von Süd nach Norden unterwegs waren, von Ost nach West, von Südsüdost nach Nordnordwest. Dadurch hatten die amerikanischen Satelliten permanent Einblick in das, was am Boden geschah.
Solange Tageslicht herrschte.
Selbstverständlich gab es auch Aufzeichnungen aus Nachtstunden, mittels Infrarot, mittels Wärmebildkameras und Nachtsichtgeräten. Allerdings waren diese Bilder nur geeignet, Bewegungen von Fahrzeugen, Fahrzeugkolonnen, großer Menschenmengen zu erkennen.
Da Lieutenant-Commander Carl Almaddi wusste, um welche Tageszeit an welchem Tag die Botschaft, die dann auf so umständlichem und dadurch verdächtigem Weg nach Dänemark gelangen sollte, in das Netz der saudischen Telekom eingespeist worden war, rief er sich die verfügbaren Video-Aufzeichnungen dieses Tages auf seinen PC.
Dabei konzentrierte er sich zunächst auf die Anschrift, unter der der Prediger Hadschi Omar bin Othman in Riad registriert war.
Er hatte brauchbare Aufzeichnungen ab dem Moment des Sonnenaufgangs.
Die sah er im Schnelldurchlauf an.
Erst nach dem Mittagsgebet hatte eine männliche Person das Haus Hadschi Omars verlassen, mutmaßlich der Prediger selbst. Von Figur und Statur her musste dies Omar sein. Almaddi konnte sehen, wie der Mann in ein auf der Straße vor dem Haus geparktes weißes Fahrzeug stieg.
Carl Almaddi hätte jetzt auf den zahlreichen Aufnahmen der NASA verfolgen können, wenn auch aus mehreren unterschiedlichen Blickwinkeln, wie der Prediger in einem 3er-BMW älterer Bauart bis genau zu der Koranschule fuhr, die Almaddi zuvor entdeckt hatte. Dies hätte jedoch erheblich länger gedauert als die Fahrt selbst, da der Computer die von den verschiedenen Satelliten gemachten Aufnahmen hätte abrufen und berechnen müssen.
In der engen Gasse gab es keine Parkmöglichkeit: Es standen jedoch mehrere Wagen in dem Vorhof der Moschee. Alle waren weiß.
Almaddi rief sich die Aufnahmen der Moschee auf den Bildschirm, die eine halbe Stunde nach dem Aufbruch von Hadschi Omar entstanden waren. Dies, so schätzte Almaddi, wäre die Fahrtzeit, die der Prediger bis zu der Moschee benötigt haben würde. Tatsächlich war auf den ersten Bildern kein BMW zu erkennen. Um Zeit zu sparen, rief Almaddi Bilder auf, die im Abstand von jeweils zwei Minuten entstanden waren. Plötzlich war ein weiteres Fahrzeug im Hof der Moschee. Ein BMW. Almaddi konnte das Nummernschild so weit heranzoomen, dass es lesbar wurde. Mehrere Klicks auf seinem Computer, und Almaddi wusste, das Fahrzeug war auf den Hadschi Omar zugelassen.
Lieutenant-Commander Carl Almaddi überprüfte nun die Figuren, die in etwa um diese Zeit die Koranschule besucht hatten.
Im Schnelldurchlauf seiner Videobilder konnte er erkennen, dass am Vormittag niemand dort ein oder aus ging.
Erst nach der Mittagszeit kamen etliche Besucher.
Ausschließlich Männer.
Almaddi zoomte die Personen heran.
Wegen der Umhänge und Kufiyas war es unmöglich, Gesichter zu erkennen. Almaddi gab trotzdem einen Befehl in seinen PC, erkennbare Merkmale der Gesichter zu vergrößern und abzugleichen mit denen von Personen, die von US-Geheimdiensten schon einmal irgendwo aufgezeichnet worden waren.
Das jedoch würde dauern. Trotz der enormen Rechnerkapazität erwartete Lieutenant-Commander Almaddi ein Ergebnis nicht vor Ablauf mehrerer Tage. Was immer hierbei herauskäme, würde an die Geheimdienste befreundeter Staaten gegeben werden mit der Bitte, ihrerseits eine entsprechende Prüfung vorzunehmen.
Um nicht schwindelig zu werden angesichts der enorm vergrößerten Bilder, die vibrierten wie der Blick durch ein mit zittriger Hand gehaltenes Fernglas, verkleinerte Almaddi den Grad des Zooms. Er schaltete auf schnellen Vorlauf. Wie in einem der alten Filme aus der Stummfilmzeit sah er Gestalten mit ruckenden Bewegungen in den Eingang der Koranschule gehen oder dort herauskommen.
Plötzlich stutzte er.
Er ließ die Aufnahme zurücklaufen und startete sie erneut.
Ein Mann in Uniform, der die Koranschule betrat.
Almaddi drückte die Pause-Taste und hielt das Bild an.
Er zoomte die Person heran.
Die Uniform war keine der Streitkräfte Saudi Arabiens.
Es würde eine Weile dauern, bis das Computersystem den Mann mit der notwendigen Schärfe so weit herangezoomt haben würde, dass Details erkennbar würden. Almaddi hatte Zeit, sich an dem Kaffeeautomaten im Flur des Büros eine Tasse füllen zu lassen.
Nun ist der normale Bürger der Ansicht, die Farben der Uniformen seien weltweit mehr oder weniger einheitlich:
Das Heer Braun, Grün, oder Grau.
Luftwaffe Graublau.
Marine: Weiß oder Dunkelblau.
Lieutenant-Commander Almaddi wusste es besser und war deshalb nicht überrascht, dass die Person, die er auf seinen Aufzeichnungen beim Betreten der Koranschule beobachten konnte,