Michelle. Reiner Kotulla

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Michelle - Reiner Kotulla

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Das Publikum gemischt, Alte und Junge, eben, wie er es in englischen Pubs erlebt hatte. Renate bestellte für sie beide das Bier, das seiner Werbung gemäß „flenst“.

      „So wie du vorhin über deinen Fall gesprochen hast, glaubte ich, in deiner Stimme eine persönliche Betroffenheit herausgehört zu haben.“

      „Mein Großvater“, begann Renate nach einer kurzen Pause, „war schon in den zwanziger Jahren der SA beigetreten. Er lebte damals in Berlin und war, wie viele andere, arbeitslos. Man hätte sich dort untereinander geholfen, erzählte er. Im sogenannten Sturmlokal hätten sie sich getroffen und Aktionen geplant. Die meisten von ihnen seien völlig mittellos gewesen. Trotzdem besaßen alle die SA-Uniform. Es habe geheißen, ein reicher SA-Führer hätte sie gespendet. Jeder SA-Sturm sei von einem solchen Paten, wie sie den nannten, betreut worden. Wenn sie dann zu einer Aktion aufgebrochen seien, waren die meisten schon angetrunken. Oft sei es in den ‚Roten Wedding‘ gegangen. Vor Ort hätten sie dann den Schulterriemen abgenommen. Der hatte an beiden Enden Karabinerhaken. In der Mitte zusammengelegt, die Schlaufe über das Handgelenk gestreift, ergab das eine Art Peitsche, an deren beider Enden sich nun die eisernen Karabinerhaken befanden. Damit hätten sie dann die Kommunisten und die Sozis, ohne lange zu fragen, ordentlich verprügelt. Und dann, und darauf war er besonders stolz, am 30. Januar 1933, habe er am großen Fackelzug durchs Brandenburger Tor teilgenommen. Sein Sturm hätte da schon aus über einhundert Mann bestanden. In Marschordnung seien sie marschiert, der Sturmbannführer an der Spitze. In regelmäßigen Abständen hatte dann der Sturmbannführer ‚Deutschland‘ gebrüllt, und aus über einhundert Kehlen ertönte ‚erwache‘. Darauf der Anführer ‚Juda‘ und wieder der Sturm ‚verrecke‘.

      Mein Großvater war einer von den vielen Unbelehrbaren. Noch kurz vor seinem Tode sagte er zu mir: ‚Renate, schau genau hin! Heute sitzt das Judenpack schon wieder an den Schaltstellen der Macht. Leider haben wir damals nicht alle erwischt.‘ Ich habe ihn nicht wieder besucht. Und heute, sechzig Jahre später, schmieren sie wieder Morddrohungen an Grabsteine und Hauswände. Ich habe mir vorgenommen, nicht zuzulassen, dass sie ihre Drohung noch einmal wahr machen können.“

      Alexander war beeindruckt, hatte dem nichts hinzuzufügen. Eine Vorahnung überkam ihn. Er hatte ein seltsames Gefühl.

       Zwei

      Es war spät geworden, Mitternacht, als sie in das Haus in der Friedrichstraße zurückkehrten. Im Flur umarmten sie sich nun zum ersten Mal, seit Alexander angekommen war.

      „Lass uns ins Bett gehen, es war ein langer Tag. Erzähl mir noch ein wenig von dir und“, sie zögerte, „von Peter.“

      Alexander kam ihrer Bitte nach. Sie lagen nebeneinander, und Alexander dachte an die letzte Nacht, die sie zusammen in seiner Wohnung verbracht hatten. „Vielleicht“ stand auf dem Zettel, den er auf ihrem Kopfkissen gefunden hatte, als Renate schon gegangen war. Dieses Vielleicht war nun eingetroffen, und er war froh darüber. Trotzdem mischte sich etwas Wehmut in seine Stimmung, denn er wusste, dass er nicht lange hierbleiben würde. Er fragte sich, und das nicht zum ersten Mal: Liebe ich sie, und könnte ich ihr das auch sagen? Die erste Frage konnte er, das gestand er sich ein, mit Ja beantworten. Bei der Zweiten war er sich nicht sicher. Oft schon, wenn sie zärtlich zueinander gewesen waren, kurz vor seinem Orgasmus, hatte er es beinahe gesagt. Damit stellte sich für ihn natürlich auch die Frage: Stimmt das denn, was ich zur ersten Frage denke? Kompliziert, dachte er und hatte keine Lust, jetzt weiter darüber nachzudenken. Sie hatte ihren Kopf in seine Armbeuge gelegt. Er lag halb auf der Seite, ihr zugewandt. Sie streichelten sich gegenseitig, synchron.

      „Hast du an Kondome gedacht?“

      „Nein.“

      „Ich auch nicht.“

      „Es gibt doch auch andere Möglichkeiten. Ich erinnere da an den Abend im Bungalow 74.“

      „Gut, aber heute zuerst du mich, und dann ich dich.“

      Später saßen sie nebeneinander, an die Wand gelehnt, ein Kissen im Rücken.

      „Du siehst, nichts im Leben lässt sich wiederholen.“

      „Hast du gut geschlafen?“, fragte sie ihn am anderen Morgen. Sie hatte schon die Fensterläden geöffnet, und so war es hell im Schlafzimmer.

      „Sehr gut, und du?“

      „Ich auch, aber jetzt habe ich Appetit auf ein Frühstück. Magst du Brötchen holen?“

      „Ja, natürlich.“

      „Wenn du auf die Breite Straße kommst und etwa dreißig Meter nach links gehst, findest du eine Bäckerei. Inzwischen bereite ich hier alles andere vor.“

      Wie schön sie ist, dachte er, als er später in die Küche kam und Renate dabei war, Kaffee in zwei Tassen zu gießen, die sie dann auf den Tisch stellte. „Wie schön du bist“, sagte er.

      Renate lächelte ihn an. „Ich würde dir heute gerne ein wenig von der Umgebung Schleswigs zeigen. Meinen Nachbarn habe ich schon gefragt, der leiht dir ein Fahrrad aus.“

      „Gut, von mir aus können wir gleich nach dem Frühstück losfahren.“

      Sie räumten gemeinsam den Tisch ab und Renate holte eine Wanderkarte, die sie auf dem Tisch auseinanderfaltete.

      „Also, wir fahren am Schloss vorbei und weiter, zunächst entlang der B76. Kurz darauf biegen wir links nach Fahrendorf ab. Dort können wir eine Galerie besuchen.“ Jetzt schaute sie ihn fragend an.

      „Muss nicht sein, Renate, die Sonne scheint, und wir könnten vielleicht irgendwo zum Baden anhalten.“

      „Gut, dann fahren wir weiter bis hier“, sie deutete auf die Karte, „zur Stexwiger Enge, überqueren mit der Fähre die Schlei und fahren auf der anderen Schleiseite zurück nach Schleswig. Ich schlage vor, dass wir, bevor wir die Fähre benutzen, eine Badestelle suchen. Am kleinen Fährhafen gibt es einen Fischimbissstand. Dort können wir dann eine weitere Pause machen.“

      Später, an der Kreuzung, verließen sie die Friedrichstraße, bogen in die Breite Straße ab. Renate ihm voraus. Etwa eine Stunde später, hinter der Ortschaft Fahrendorf, verließen sie den Radweg und erreichten nach wenigen hundert Metern das Schleiufer. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Ein kleiner Sandstrand, zehn bis fünfzehn Meter breit, rechts und links von Schilf begrenzt, ein idealer Badeplatz, tat sich vor ihnen auf. Sie stellten die Fahrräder ab.

      „Äh, Alexander, ich möchte nicht in das Schilf gehen, dort gibt es viele Insekten, aber ich muss mal. Könntest du dich bitte umdrehen?“

      „Warum sollte ich?“

      „Na gut, wenn du meinst.“

      Sie ging einige Schritte in Richtung des Schilfes, zog ihre Hose und den Slip herunter und hockte sich, ihm abgewandt, ins Gras. Dann kam sie zurück und zog sich vollständig aus. Alexander tat es ihr gleich. Anschließend rannte sie ins Wasser, blieb noch einmal stehen, schaute zurück, an ihm herunter und lächelte. „Später“, sagte sie und schwamm ein weites Stück hinaus. Alexander folgte ihr, zögernd, schwamm ein paar Meter, blieb aber in der Nähe des Ufers. Als Renate zurückkam, stand er bis zu den Schultern im Wasser. Sie erreichte ihn, schlang ihre Arme um seinen Nacken und die Beine um seine Hüften.

      „Mit einem Kondom geht das jetzt aber nicht so gut.“

      „Brauchen

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