Michelle. Reiner Kotulla

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Michelle - Reiner Kotulla

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lange allein, als dass ich mich jemandem unterordnen könnte.“

      „Es muss ja nicht Unterordnung bedeuten, will man ein gemeinsames Leben organisieren. Du bist kompromissfähig, wie ich dich kenne, und der Altersstarrsinn kann doch noch ein paar Jahre auf sich warten lassen“, warf Alexander ein.

      „Ich glaube, unterordnen war das falsche Wort. Ich meinte eher, dass ich mir ein gewisses Maß an Freiheit bewahren möchte. Und zwar so lange, wie ich diese Freiheit noch nutzen kann. Ich meine damit nicht sexuelle Freiheit, obwohl ich diese auch nicht ausschließen möchte,“ sagte sein Vater.

      „Meinst du nicht, dass das sehr egoistisch ist, was du da gerade sagst?“

      „Ja, aber nur dann ist es egoistisch gedacht, wenn der Partner oder die Partnerin diese Haltung nicht akzeptiert, beziehungsweise er oder sie nicht für sich dieselben Rechte in Anspruch nimmt.“

      „Gut, das hört sich schon anders an.“

      „Marina denkt ähnlich. Außerdem hat sie ihren Vater bei sich aufgenommen und damit die Aufgabe übernommen, sich um dessen Belange zu kümmern. Aber du weißt ja, Alexander, nichts bleibt so, wie es ist. Alles ändert sich mit der Zeit, so auch Einstellungen.“

      „Mein Vater, der Philosoph.“

      „Nein, bin ich nicht, denn dazugehört ja wohl mehr, als ab und zu einen klugen Spruch von sich geben zu können.“

      „Das war auch eher ironisch gemeint, Peter. Aber erzähle mir doch bitte, woran du gerade arbeitest.“ Alexander merkte, dass er im Moment nicht weiter nachfragen sollte, was seines Vaters Beziehung zu Marina Nowak betraf.

      „Ich habe dir doch von Jäckel berichtet, dem Wetzlarer Rechtspopulisten“, begann Peter Fabuschewski.

      „Ja, ich erinnere mich daran, du hast seinerzeit selbst verfasste Flugblätter verteilt.“

      „Stimmt! Jetzt arbeite ich an einer Dokumentation über ihn und seine Kontakte zur rechten Szene. Außerdem habe ich darüber nachgedacht, wieder politisch tätig zu werden. Nach dem Fiasko bei den Sozis werde ich aber so bald keiner politischen Partei mehr beitreten, obwohl ich mit den Zielen der Linken sympathisiere, wie du ja weißt.“

      „Nenne ein Beispiel“, sagte Alexander.

      „Du kennst den Streit um die EU-Verfassung?“

      „Ja.“

      „Was mich zum Beispiel an der EU-Verfassung stört, Alexander, ist die dort verankerte Pflicht zur Aufrüstung. Es soll zwar ein Amt für militärische Fähigkeiten eingerichtet werden, jedoch keine Institution für Friedensforschung und Konfliktvorbeugung. Auch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wird nicht für alle Mitgliedsstaaten festgeschrieben. Dagegen werden Dogmen der neoliberalen Wirtschaftsform in den Verfassungsrang erhoben. Ich meine, dass das nicht den Bürgern nutzt, sondern den international agierenden Unternehmen, Banken und Versicherungen. Eine Sozialcharter, die Lohndumping und Arbeitsplatzabbau verhindern könnte, sucht man jedoch vergebens.“

      „Das klingt plausibel. Und was dein Vorhaben betrifft, so ergeben sich da vielleicht Möglichkeiten der Zusammenarbeit.“ Alexander berichtete von Renates gegenwärtiger Arbeit und darüber, dass auch er vorhabe, zu diesem Thema zu arbeiten. Dass er selbst auch mit dem Gedanken spielte, politisch tätig zu werden, erzählte er nicht. Auch von Michelles E-Mail sprach er nicht, noch zu vage waren seine Ahnungen.

      Er machte einen Umweg, bevor er nach Hause ging. Über das sogenannte Eselstreppchen gelangte er zur alten Lahnbrücke, überquerte diese und stand kurz darauf vor dem Haus, in dem Michelle Carladis gewohnt hatte. Und jetzt noch wohnte. Am Briefkasten und unter der Klingel stand jedenfalls immer noch ihr Name. Er schaute hoch zu den Fenstern, die zu ihrer Wohnung gehörten. Keines war erleuchtet.

      Auf dem Rückweg fasste er einen Entschluss. Sein neuer Roman würde heißen: „Der Leidensweg der Michelle“.

       Vier

      Endlich hatte Alexander Fabuschewski die inneren Zweifel überwunden und wollte sich persönlich informieren. Er fuhr mit dem Auto, hatte sich die Streckenführung ausgedruckt. Trotzdem wurde eine Irrfahrt daraus. Zum Glück konnte er in seinem Wagen das Beifahrerfenster automatisch bedienen und Passanten nach der Kurfürstenstraße fragen. Das nächste Mal fahre ich mit der Bahn, nahm er sich vor. Endlich fand er einen Parkplatz in einer Seitenstraße, wenige Schritte von der Geschäftsstelle entfernt. Auf sein Klingeln hin wurde geöffnet. Er nannte Namen und Anliegen.

      „Rolf Stadler“, stellte sich der Mann vor, er sei Geschäftsführer beim Landesvorstand der Partei, die sich demnächst in „Die Linke“ umbenennen würde. Zu diesem Zeitpunkt wussten das beide aber noch nicht.

      Eigentlich wollte er sich nur einmal ganz allgemein informieren. Als er dann wieder auf die Straße trat, war er eine Probemitgliedschaft eingegangen. Rolf Stadler hatte ihn nach seinen Interessen gefragt. Alexander erzählte von seinem letzten Romanprojekt und davon, dass er sich in diesem Zusammenhang auch mit dem Bildungssystem dieses Landes beschäftigt hätte. Daraus sei ein allgemeines Interesse an diesem Thema entstanden. Rolf Stadler schlug ihm daraufhin vor, an der nächsten Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Bildungspolitik hier in der Geschäftsstelle teilzunehmen. Da könne er sich aus erster Hand über die Zielvorstellungen der Partei in Sachen Bildungspolitik informieren. Alexander berichtete von seinen Schwierigkeiten, mit dem Auto hierher zu finden. Rolf Stadler empfahl ihm, die Bahn zu nehmen. Da könne er bis zum Westbahnhof fahren, dort begänne die Kurfürstenstraße, und in fünf Minuten sei er hier.

      So saß er ein paar Tage später im Zug, gespannt auf das, was ihn in Frankfurt erwartete. Nach Gießen dauerte es nur zehn Minuten, da lohnte es sich nicht, mit dem Lesen zu beginnen oder sich auf die Sitzung vorzubereiten. Aus dem Netz hatte er sich einiges an Material heruntergeladen und ausgedruckt. Das nahm er sich für die Strecke nach Frankfurt vor. Es sollte anders kommen.

      In Gießen stieg er um, hatte daher fünfzehn Minuten Zeit. Im Bahnhofskiosk kaufte er sich die Junge Welt. Der Name der Zeitung täuschte, denn sie hatte Tradition. Er glaubte, die Zeitungsverkäuferin hatte ihn doch ein wenig skeptisch angeschaut. Alexander erschien ihr vielleicht doch ein wenig zu alt als Leser einer Zeitung mit diesem Namen. Er hatte die Wahl, Parterre oder Oberdeck. Alexander blieb unten. Die Sitzreihenformationen wechselten, hintereinander und solche Gegenüber. Er setzte sich auf eine Bank, hintereinander. Vor ihm, auf einer Gegenüber, saß eine junge Frau, die ihr Gepäck ordnete. Blondes Haar, hochgesteckt, breites Gesicht, das den sibirischen Einschlag vermuten ließ, ideal zum Schminken, hatte er letztens jemand sagen hören. Alexander traute sich nicht, sich ihr gegenüber hinzusetzen.

      Züge ruckten nicht mehr an, kaum spürte er Fahrbewegungen. Jetzt hatte er Zeit, suchte und fand die Unterlagen. Dann, plötzlich spürte er die Bremsbewegung. Er schaute hinaus, kein Bahnhof, nur freie Strecke. Ein Haltesignal dachte er und las weiter. Hin und wieder schaute er durch die Lücke zwischen den beiden Sitzen. Jetzt blickte sie ihn an. „Da ist bestimmt etwas passiert, so lange hat er hier noch nie gestanden.“

      „Sie fahren diese Strecke öfter?“

      „Zwei- bis dreimal die Woche.“

      Dann die Durchsage: „Ein Ereignis auf der Strecke zwingt uns zum Halt auf unbestimmte Zeit.“

      „Na toll, das kostet mich Arbeitszeit.“

      Sie nahm ihr Handy und wählte eine Nummer. „Der Zug hält auf freier Strecke, für unbestimmte

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