Michelle. Reiner Kotulla

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Michelle - Reiner Kotulla страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Michelle - Reiner Kotulla

Скачать книгу

wiederholte ihre Frage. Ihm fiel nichts Besseres ein, als eine, wie er dachte, Binsenweisheit zu Umfragemethoden wiederzugeben: „Ich denke, dass Umfrageergebnisse oft auch die Interessen der Auftraggeber berücksichtigen.“

      „Daran habe ich auch schon gedacht. Das würde dann ja bedeuten, dass das Ergebnis, wonach nur fünfzehn Prozent der Frauen mit ihrem Sexualleben zufrieden seien, im Auftrag der Viagraproduzierenden Industrie zustande gekommen ist.“

      „Warum nicht“, hatte er geantwortet. Am liebsten hätte er sie gefragt: „Und welcher Gruppe würdest du dich zuordnen?“ Stattdessen fragte er sie nach weiteren Ergebnissen ihrer Referatsarbeit. Einige Umfragen, unabhängig voneinander, seien zu dem Ergebnis gelangt, dass tragischerweise, wie Borjanka es ausdrückte, Mann und Frau, was ihre sexuellen Bedürfnisse angeht, um so weniger zusammenpassten, je länger ihre Partnerschaft währte. „Gibt es da Genaueres?“, fragte er nach.

      „Ja, natürlich. Unter Frischverliebten herrscht Hochbetrieb. Man schläft häufig miteinander, und die Lust ist in diesem ersten Jahr beinahe gleichmäßig verteilt. Doch schon nach dem dritten Beziehungsjahr hat sich das Bild komplett gewandelt, und die Waage des Verlangens ist gekippt. Die Lust des Mannes ist konstant geblieben – aber nur noch 26 Prozent der Frauen spüren bei sich ein zumindest ebenso großes Verlangen, wie das des Partners. Er will ständig, sie nur noch selten“, zitierte Borjanka aus ihrem Referat. Interessant, dachte Alexander, und wieder hätte er gerne nachgefragt, wie lange sie schon mit – und er stockte innerlich, denn seinen Namen hatte sie noch nicht erwähnt. Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort. „Graue Theorie, Alexander, interessant ist vielleicht noch, was Frauen und Männer anmacht.“

      „Zum Beispiel“, fragte er nach.

      „Ja, also Frauen mögen Worte und sie lieben Gespräche aus kurzer Distanz, mit Blickkontakt. Der sogenannte frontale Ankerblick direkt in die Augen vermittelt ihnen das Empfinden, dem Partner nahe zu sein.“

      „Soso, frontalen Ankerblick nennt man das also“, und dabei schaute er ihr aus kurzer Distanz in die Augen. Grünblau.

      Als er am Mittwoch nach Frankfurt fuhr, überlegte er, wie er es ihr sagen sollte. „Ich würde gerne mit dir schlafen“, klang blöd, dachte er, denn schlafen wollte er ja nicht. „Ich will mit dir ficken.“ Nein, das hörte sich brutal an.

      Dann passierte es, beinahe. In Gießen, im Parkhaus, in ihrem Auto. Sie standen sich gegenüber, unschlüssig zunächst. Sie erwiderte seinen Blick, endlos, so erschien es ihm. Dann kam sie näher. Ein langer Kuss. Schon glaubte er, sie würde nun in ihr Auto steigen. Das tat sie auch, öffnete aber die hintere Tür, stieg ein und schloss sie wieder. Er lief um das Auto herum und öffnete die Tür. Sie lag auf der Rückbank. Er hockte sich auf den Rand der Bank und schaute sie an. Borjanka hatte ihre Augen geschlossen. Alexander streichelte ihre Beine. Dann schob er ihren Rock hoch. Sie hob ein wenig ihren Hintern an, die Augen immer noch geschlossen. Er zog ihr den Slip aus, und wieder hob sie ein wenig ihren Po an. Er schaute sie an. Jetzt öffnete sie ihre Augen. Ihr Blick sagte es, bevor sie es aussprach: „Alexander, das geht nicht. Ich liebe Oliver.“

      Sie verharrten, wortlos. Er streichelte über ihre Oberschenkel. Sie ließ es zu, schaute ihn an, lächelte. Das entspannte die Situation. Er half ihr beim Anziehen der Unterhose. „Und bitte, hol mich nicht mehr ab“, sagte sie, als sie wieder vor dem Auto standen. „Machs gut.“

      „Du auch.“

      Alexander blieb stehen, wartete bis Borjanka losgefahren war, schaute ihr nach. Kurz vor der ersten Kurve drehte sie sich noch einmal um. Er winkte nicht. Dann ging er zum Gleis drei. In der Nacht träumte er von ihr, weiter, was in ihrem Auto begann. Der Traum endete vorher.

       Neun

       von: [email protected]

       Hallo Herr Fabuschewski,

       mein ungutes Gefühl hat sich bestätigt. Ich gehe davon aus, dass Klaus Wagner nicht nur einmal in meiner Wohnung war, seit ich sie verlassen habe. Der verschwundene Computer ist außerdem ein Beweis dafür, dass er sich nicht scheut, in meinen privaten Sachen herumzuschnüffeln. Ein solches Verhalten habe ich allerdings schon früher an ihm beobachtet.

       Eines Tages bat er mich, ins Schlafzimmer zu kommen. Er hatte die Schublade herausgezogen, in der sich meine Unterwäsche befand. Demonstrativ hob er einen Slip hoch, sah mich vorwurfsvoll an und fragte, ob ich denn keine anständigen Unterhosen besäße. Ich lachte, hielt das Ganze für einen Spaß. Ich hatte ein leichtes Sommerkleid an. Langsam zog ich es bis zur Hüfte hoch, sah ihn dabei provozierend an und sagte: „Aber angezogen sieht sie wohl doch ganz hübsch aus.“

      „Das Theater kannst du dir ersparen“, meinte er, nun schon wütend, „oder willst du mir unbedingt zeigen, wie nuttig du dich verhalten kannst?“ Da merkte ich, dass er es ernst meinte. Schnell zog ich das Kleid wieder über meinen Hintern, und um ihn nicht weiter aufzuregen, tat ich demütig und sagte, dass es nur ein Spaß gewesen sei. Dann erklärte ich, dass man so etwas zurzeit trage. Woraufhin er fragte, ob ich denn allen Unsinn mitmachen müsste. Wieder freundlich bat er mich, ihm ins Wohnzimmer zu folgen. „Setz dich schon einmal hin“, sagte er, „ich koche uns einen Kaffee und dann erzähle ich dir eine Geschichte.“

       Ich wartete. „Die Schwester meiner Mutter“, begann er, „so erzählte mir mein Vater, sei ein Flittchen gewesen. Ich nehme an, du weißt, was ein Flittchen ist?“ Ich verneinte.

       Flittchen oder auch Schickse seien Begriffe aus dem Jiddischen, einer Mischsprache der Juden, und bezeichneten eigentlich eine Nichtjüdin. Und die seien ja für jeden jüdischen Mann zu haben gewesen, waren also nichts anderes als Nutten. Diese Tante sei eine Hure gewesen, die es sogar mit Juden getrieben hätte. „Allerdings“, sagte er noch, „dem hat man dann ja bald einen Riegel vorgeschoben.“ Er lachte auf einmal laut, „das mit dem Riegel ist doch gut, nicht?“

       Dementsprechend sei diese Tante auch gekleidet gewesen. Einmal hätte sein Vater beobachtet, wie sie sich auf der Toilette die Unterhose so weit hochgezogen habe, bis man ihren halben Hintern habe sehen können. Ich fragte ihn, wie alt er gewesen sei, als sein Vater ihm das erzählt habe.

      „Dreizehn“, antwortete er. Da ich weiter nichts zu seiner Geschichte sagte, fuhr Klaus fort, dass er sich eine Frau wünsche, die kein Flittchen sei.

       Tags darauf überreichte er mir feierlich ein in Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen. Ich war überrascht und machte mich sofort ans Auspacken. Sechs ordentliche Unterhosen. Er verlangte nicht, dass ich eine davon sofort anzog. Am liebsten hätte ich es getan und sie vor seinen Augen so weit hochgezogen, wie seinerzeit die Tante. Stattdessen bedankte ich mich artig. Wieder akzeptierte ich, noch immer in der Hoffnung, ihn und seine Ansichten verändern zu können.

       Eines Nachts wachte ich auf und ging ins Wohnzimmer, da ich von dort Musik hörte. Klaus Wagner saß, mir den Rücken zugewandt, vor dem Fernseher. Auf dem Bildschirm war ein Mädchen zu sehen, das sich gerade den Stringtanga auszog und andeutete, masturbieren zu wollen. Klaus Wagner hatte die rechte Hand in seiner Schlafanzughose. So leise, wie ich gekommen war, entfernte ich mich auch wieder.

       Jetzt, da ich das aufgeschrieben habe, staune ich über mich selbst, meinen Mut. Ich glaube, es stimmt: Aufschreiben befreit.

       Herzlichen Dank!

       Ihre Michelle

      Alexander

Скачать книгу