Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
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die ›Shanvaar‹ schafft dies mühelos. Und wenn wir die Kraft des Dampfes
zum Geschütz leiten, wird sein Geschoss jeden feindlichen Schiffsrumpf
zerschmettern.« Gort sah den Freund eindringlich an. »Auf eine Entfernung,
in der kein feindliches Katapult uns treffen kann.«
Der Dampf aus dem Brennsteinkessel trieb sowohl das mächtige
Schaufelrad als auch das Geschütz an. Man musste am Kessel nur einen
schweren Ventilhebel umlegen, damit der Dampf nicht mehr auf die
Antriebswelle traf, sondern durch die vordere Dampfleitung das Geschütz
erreichte. Dort wurde der Druck in einer Kammer des Geschützrohres
gesammelt, bis er groß genug war, um das schwere Kugelgeschoss aus dem
Geschützlauf zu treiben. Der Vorgang benötigte eine gewisse Zeit, in der man
das Ziel im Visier halten musste. Zudem war das Schiff in diesen
Augenblicken ohne Antrieb, aber die Konstrukteure schworen, dass dies nicht
sonderlich ins Gewicht fallen würde. Gort ta Mergon war geneigt, ihnen zu
glauben, denn die schweren Dampfkanonen der Stadtverteidigung hatten sich
bereits bewährt. Aber es behagte ihm nicht, sein Schiff im Gefecht ohne
Antrieb zu sehen, und wenn es auch nur für Augenblicke war. Denn diese
Momente konnten einem Feind genügen, um die »Shanvaar« mit einem Hagel
von Katapultgeschossen einzudecken oder sie sogar zu rammen.
Das Hauptsegel flappte lustlos im Wind. Die Brise war zu schwach, um
das Segel zu füllen, zumal das Schaufelrad das Schiff vorantrieb. Im Grunde
war die Leinwand im Augenblick nutzlos und hemmte vielleicht sogar ihre
Fahrt, aber Gort konnte sich nicht dazu entschließen, die Segel einholen zu
lassen. Immerhin spendeten sie etwas Schatten und brachten Linderung von
der brütenden Sonne.
Einige der Matrosen sangen eine der alten Seefahrerweisen, und Halblar
stimmte leise summend ein. Die Stimmung der Mannschaft war gut. Sie war
froh, endlich der Enge des Hafens entronnen zu sein und sich auf dem großen
Fluss zu bewegen. Vielleicht ergab sich sogar die Gelegenheit, ein Stück aufs
Meer hinauszufahren. Einst war das die Bestimmung der Seeleute von Alnoa
gewesen, als die Schiffe des Königreiches noch Handel mit weit entfernten
Ländern getrieben hatten. Doch diese Zeit war vorbei, denn eines Tages war
die Brut der Schwärme erschienen und hatte begonnen, das Meer mit ihren
schwarzen Schiffen zu bedecken. Zunächst waren es nur wenige Korsaren
gewesen, und die Marine von Alnoa hatte sie noch aufhalten können, aber
dann waren die Schiffe des Feindes immer zahlreicher geworden. Nun
gehörte das Meer den Schwarmschiffen der Korsaren, und die Schiffe der
Menschen befuhren nur noch die küstennahen Gewässer. Nur die Elfen
trauten sich, so sagte man zumindest, gelegentlich noch aufs Meer hinaus.
Aber Gerüchte gab es viele, und Elfen waren nicht weniger verwundbar als
ein Mensch. Nein, die Korsaren beherrschten die Wasser, so wie die Reiche
der Menschen, Elfen und Zwerge das Land beherrschten.
»Wasserwirbel rechtsweisend voraus«, erklang die Stimme des Ausgucks
von der Plattform des Hauptmastes.
Gort blickte unter dem Hauptsegel und über den Geschützturm hinweg
zum Bug. »Das muss die Untiefe von Debun sein. Die Fahrrinne verengt sich
hier, und über der Sandbank bilden sich Wirbel.« Gort wandte sich an den
Steuermann, ohne sich umzudrehen. »Steuer zehn Grad linksweisend,
Maschine auf zweihundert Umdrehungen.« Er legte eine Hand an den Mund.
»Einen Mann mit Lot in den Bug!«
»Steuer zehn Grad linksweisend, Maschine auf zweihundert
Umdrehungen!« Der Matrose am Steuer korrigierte den Kurs, und ein anderer
brüllte die Anweisung des Kapitäns in einen metallenen Schlauch mit Trichter
hinein, der die Worte zum Maschinisten trug.
Die Strömung des Genda war hier recht stark und wirbelte Schlamm und
Schmutz vom Grund auf, sodass an dieser Stelle das Wasser immer getrübt
war. Man musste den Verlauf der Wellen und das Muster von
Verwirbelungen entziffern, sich auf seine Kenntnis des Flusses und auf das
Lot verlassen, damit man an den tückischen Verengungen der Fahrrinne nicht
auflief. Ein Stück weiter den Fluss hinunter verrotteten die Wracks zweier
Korsarenschiffe, die sich den Rumpf an Unterwasserfelsen aufgerissen hatten
und gesunken waren.
Ein Matrose, in der kurzen Jacke und den knielangen Hosen seines
Berufsstandes, rannte an der rechten Seite des Schiffes entlang und führte das
Lot mit sich. Es bestand aus einem metallenen Zylinder, der an einer langen
Leine befestigt und an der Unterseite mit Talg bestrichen war. Als der Mann
den Bug erreichte, beugte er sich weit vor, hielt sich mit einer Hand an der
aufgeheizten Reling fest und warf mit der anderen das Lot aus. Klatschend
tauchte der Zylinder ins Wasser ein, während die Leine an dem langsam
fahrenden Schiff entlangzuschwimmen schien.