Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
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Mit überraschender Plötzlichkeit brach die Nacht herein. Keiner der
Seeleute Alnoas hatte einen Blick für die Schönheit des Sonnenuntergangs
auf dem offenen Meer, denn das Jagdfieber hatte sie gepackt. Während das
kleine Jagdschiff der Korsaren am Horizont in der hereinbrechenden
Dunkelheit verschwand, rückte der beschädigte Kampfsegler immer näher.
Seine ungewohnt weißen Segel leuchteten durch die Nacht, und so fiel es
nicht schwer, ihm zu folgen.
Die Kampfstationen der »Shanvaar« und ihres Schwesterschiffes »Aivaar«
waren längst besetzt. Im Kanonenturm hatte die Bedienung eine der schweren
Geschosskugeln mit seinem Ladepfropfen in die Mündung des Laufes
gesteckt und mit einem Rammstock nach hinten gedrückt. Die Kugel lag nun
direkt vor der Druckkammer, und es musste nur noch der Ventilhebel
umgelegt werden, um die Maschinenkraft vom Antrieb in das Geschütz zu
leiten und das Geschoss aus dem Lauf herauszupressen. Die
Kanonenturmbesatzung achtete akribisch darauf, den Feind im Ziel zu
behalten und die Dampfleitung bei den dazu erforderlichen Bewegungen nicht
zu beschädigen.
Die beiden seitlichen Katapulte, die rechts und links des Hauptmastes in
Gefechtsbuchten außen am Rumpf aufgestellt waren, waren bemannt.
Gelegentlich sprühte die Gischt über die Männer an den Waffen und
durchnässte sie. Entlang der Reling hatten sich die Seesoldaten der
»Shanvaar« formiert. Während die Matrosen nur einen metallenen
Brustpanzer trugen, hatten die Soldaten die volle Rüstung angelegt: Bein- und
Armschienen, dazu Panzer und Helm. Im Gegensatz zu den Landtruppen des
Königreiches Alnoa wiesen die Helme der Seesoldaten jedoch keine
Zierfedern auf. Die zweischneidigen geraden Schwerter sowie die Bogen und
Zierfedern auf. Die zweischneidigen geraden Schwerter sowie die Bogen und
Spieße wurden noch in Ruhestellung gehalten. Zum Schutz gegen die See war
ihr Stahl von gut gefetteten Lederhüllen umgeben, denn das Wasser setzte
diesem rasch zu. Bald würde der Schutz entfernt werden, um die Klingen in
die Leiber der Schwarmmänner zu senken.
Das Rauschen des Wassers mischte sich mit dem Stampfen der Maschine
und dem Klatschen des Schaufelrades und übertönte die üblichen Geräusche,
die ein Schiff erfüllten: das leichte Knarren von Takelage und Holz, das
Flappen der Segel, das Tappen nackter Matrosenfüße auf den Planken und die
geflüsterten Worte der Männer.
Die »Aivaar« fuhr nun nahezu auf gleicher Höhe mit dem Flaggschiff, und
als Halblar kurz nach hinten sah, nickte er zufrieden. »Die ›Netluaar‹ holt auf.
Der Seewind hat ihr endlich Schnelligkeit verliehen.«
»Sie kommen zu spät.« Ta Mergon lachte leise. »Aber sie werden einen
guten Platz haben, um zuzusehen, wie wir den Korsaren versenken.«
Halblar nickte. »Sie sind jetzt in Reichweite der Kanone, ta Mergon, mein
Freund.«
Der Großkapitän lächelte. »Gerade eben. Nun, dann lass uns die Bestien
mal aufscheuchen.« Er beugte sich ein wenig zur Seite. »Nehmt sie unter
Beschuss! Geschütz frei!«
Der Hauptmaschinist im Rumpf der »Shanvaar« wartete, bis vom
Kanonenturm die Bestätigung kam, dass man das Ziel im Visier habe, dann
legte er den großen Ventilhebel um.
Schlagartig war das Schaufelrad ohne Dampfdruck. Das Klatschen der
mächtigen Schaufeln verstummte und das Schiff verlor sofort an Fahrt. Denn
der Dampf strömte nun durch die vordere Leitung zum Kanonenturm und
begann sich in der Druckkammer des Geschützes zu sammeln. Rasend schnell
stieg dort der Druck an, und als ein Überdruckventil schrill zu pfeifen begann,
schlug ein Matrose des Kanonenturms auf den Auslöser. Ein winziger Hebel,
der das Geschoss im Geschützrohr festgehalten hatte, klappte zur Seite, und
explosionsartig schleuderte der Dampfdruck das metallene Geschoss aus dem
Kanonenrohr.
Ein Knall ertönte, begleitet vom lauten Zischen entweichenden Dampfes,
als die Eisenkugel zum feindlichen Schiff hinüberschnellte, während der
Maschinist den Dampf bereits wieder auf den Antrieb gelegt hatte und die
Kanonenturmbesatzung eine neue Kugel in das noch heiße und feuchte Rohr
stopfte.
Unweit des Korsarenschiffes stieg indes eine dünne Wassersäule aus der
See empor, deren Gischt im Licht der sternklaren Nacht hell aufleuchtete.
»Dicht dran«, knurrte ta Mergon zufrieden. »Lass uns noch etwas
aufschließen, und das nächste Geschoss wird ihr Schiff dann zertrümmern.«
Die Marine Alnoas hatte lange versucht, das richtige Maß zu finden.
Größere Geschosse hatten sich als wenig wirkungsvoll erwiesen, da sie eine
sehr geringe Reichweite hatten und schnell an Durchschlagskraft verloren.
Die