Mails aus dem Jenseits. Walter Rupp

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Mails aus dem Jenseits - Walter Rupp

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Das, was für Euch das Jenseits ist,

       ist für uns das Diesseits!

       Liebe Hinterbliebene!

      Ich würde Euch gern anders nennen, das Wort ‘Hinterbliebene‘ gefällt mir nicht. Aber weil es in der himmlischen Sprache dafür keinen zutreffenden Begriff gibt, - hier bleibt ja niemand zurück - muss ich Euch so nennen.

      Bin gut angekommen. Es ist erstaunlich, in wie kurzer Zeit man eine so unvorstellbar weite Reise ins Jenseits hinter sich bringt. Eben war ich noch bei Euch und jetzt bin ich schon hier. Eine Beschreibung, wo ich mich befinde, fällt mir allerdings schwer. Da reicht die Sprache, die ich auf Erden erlernt habe, einfach nicht aus. Die Begriffe ’hüben‘ und ‘drüben‘ oder ‘oben‘ und ‘unten‘, wie wir sie damals gebrauchten, sind hier untauglich. Ich hatte eigentlich erwartet, dass ein Engel mich empfängt und vor den Thron Gottes führt, wo man mir Akteneinsicht gewährt und ich Gelegenheit erhalte, das, was eventuell gegen mich vorliegt, klarstellen.

      Hoffentlich erschrecke ich Euch nicht mit meinen Mails! Denn Post aus dem Jenseits - das muss Euch vorkommen, als gehe es nicht mit rechten Dingen zu, gilt doch der Kontakt mit dem Jenseits bei Euch - beim gegenwärtigen Stand der Technik - als noch nicht realisierbar. Aber meine Computer-Kenntnisse, die ich mitbrachte, kommen mir jetzt zugute. Nachdem es mir gelungen ist, die irdischen Internetanschlüsse ausfindig zu machen, werde ich sie künftig nützen. Was ich versuche, hat in der Menschheitsgeschichte bisher noch niemand versucht. Es ist nur schade, dass die irdische elektronische Technik noch nicht so ausgereift ist, dass auch Ihr mit mir in Verbindung treten könnt. Aber es ist schon viel gewonnen, wenn Euch meine Mails erreichen, sodass Ihr einmal nicht wie ich hier völlig unvorbereitet ankommen müsst.

      Solange ich da unten bei Euch war, habe ich es immer als unerträglich empfunden, dass man im Dunkeln tappen und sein Leben leben musste, ohne zu wissen, was danach kommt, und wie es im Jenseits aussieht; ja was aus denen geworden ist, die vor uns lebten, und was aus uns wird, wenn wir selbst nicht mehr leben. Die Theologen haben zwar immer beteuert, dass es weiter geht, uns aber völlig in Stich gelassen und dieses Weiterleben nie beschrieben. Diesen Zustand will ich ein für alle Mal beenden und Euch in nächster Zeit alles, was ich hier in Erfahrung bringen kann, mailen.

      Der mittelalterliche Dichter Alighieri Dante hat zwar schon einmal in seiner ’Göttlichen Komödie‘ vor mir versucht, das neue Leben im Jenseits zu beschreiben. Aber das konnte ja nicht gelingen, weil er diesen Versuch vom Diesseits aus unternahm. Was konnte er da schon erkennen? Ich habe ihm gegenüber den Vorteil, dass ich mich bei meiner Beschreibung weder auf meine Phantasie noch auf die Wissenschaft oder meinen Katechismus-Unterricht verlassen muss, sondern in der Lage bin, das Jenseits aus eigener Erfahrung zu schildern. Wer sich daran macht, das Jenseits zu beschreiben, solange er noch im Diesseits ist, gleicht einem Embryo, der vom Mutterschoß aus versucht, in einer Sprache, die er noch nicht kennt, die Welt, in die er erst hineingeboren wird, zu beschreiben. So etwas muss misslingen. Sollte ich hier einmal Dante begegnen, werde ich ihn zur Rede stellen und ihn fragen, warum er es gewagt hat, falsche und naive Vorstellungen über das Jenseits zu verbreiten, statt zu warten, bis er hier angekommen ist. Wie kommt er dazu, zu behaupten, die Dichter und die Weisen des Altertums befänden sich in der Vorhölle, obwohl es, wie man mir versichert hat, die Vorhölle gar nicht gibt? Dante mag ein großer Dichter sein, aber er vertraut zu sehr auf seine Phantasie und meint, er könnte damit die Wirklichkeit erfassen.

      Die Menschen, die sich ein Leben lang nur mit den vorletzten Dingen beschäftigt haben, befassen sich gewöhnlich nur mit den Letzten Dingen, wenn sie so schwach und hinfällig geworden sind, dass sie keinen Spaß mehr an den weltlichen Dingen finden. Dann erwarten sie von den Theologen detaillierte Auskünfte und sind enttäuscht, dass man ihnen nicht – wie das in den Reisebüros selbstverständlich ist, ausreichend Auskunft und die entsprechenden Prospekte bieten kann. Kein Wunder, dass sich kaum einer nach dem Ort, von dem man nicht weiß, wie schön er ist, sehnt und mancher sich wünscht, er könnte hier bleiben. Vor allem wegen der Drohung mit dem Jüngsten Gericht.

      Die Jenseitsforscher sind mit ihren Forschungen nicht weit gekommen und haben seit der Antike leider keine Fortschritte gemacht. Die Leute stellen sich den Abstand zwischen hier und drüben mit viel Luft dazwischen vor, und dass es droben nicht viel anders zugeht als es drunten zuging. Hier spricht man gern und amüsiert von jenem Astronauten, der sich bei Euch rühmte, es sei ihm gelungen, mit seinem Raumschiff in das Jenseits einzudringen. Er ist inzwischen hier und auffallend schweigsam. Es ist ihm höchst peinlich, wenn man ihn bezüglich seiner Weltraumerfahrungen anspricht.

      Was wir hier erleben, lässt sich, wie das einer Eurer Schriftsteller (Lewis) sehr schön ausgedrückt hat, „am besten als das Gegenteil einer Fata Morgana beschreiben. Was wie das Tal des Jammers aussah, das stellt sich als eine Oase heraus; und wo die Gegenwartserfahrung nur Salzwüsten sah, da verzeichnet das Gedächtnis wahrheitsgemäß Brunnen lebendigen Wassers.“

      Nehmt es mir nicht übel, wenn ich in meinen Mails versuche, mit den vielen falschen und naiven Vorstellungen aufzuräumen, die da unten bei Euch über das Jenseits kursieren, und die man Euch beigebracht hat oder die Ihr Euch angelesen habt. Es ist sogar für uns Jenseitige schwer, ja nahezu unmöglich, das Jenseits zu beschreiben. Das Problem liegt jedoch nicht bei uns Jenseitigen, sondern bei Euch, weil Ihr – ich kann Euch diese Bemerkung nicht ersparen – dafür zu wenig Verstand besitzt. Aber die Leute, die sich über alles Mögliche beschweren, beschweren sich komischer Weise nie darüber, dass sie zu wenig Verstand besitzen. Sie scheinen zu glauben, dass sie davon genug haben. Aber zur Einsicht gelangt man erst hier.

      Wenn Ihr – was das Jenseits betrifft – so lange im Ungewissen wart, ist das vor allem darauf zurückzuführen, dass die Eschatologie, die Leere von den Letzten Dingen, der Schwachpunkt aller Theologen ist. Sie wissen zwar, was wir alle tun oder unterlassen sollten und wie wir uns auf Erden zu verhalten haben, aber mit den Fragen: wie nun das Jenseits beschaffen ist, und was uns da erwartet, lassen sie uns allein. Kein Wunder, dass sich kaum einer von euch nach dem Ort, von dem man nicht weiß, wie schön er ist, sehnt, und mancher sich wünscht, er könnte für immer hier bleiben. Vor allem wegen der Drohung mit dem Jüngsten Gericht.

      Das ist die große Enttäuschung aller Gläubigen, dass die Bibel wohl vom Himmel spricht, es aber unterlässt, ihn zu beschreiben. Sie haben deshalb das Gefühl, dass sie da etwas Unmögliches verlangt: den Himmel anzustreben, ohne zu wissen, was er zu bieten hat, wie die Freizeitgestaltung aussieht und wie beschaffen die himmlischen Freuden sind. Sie kommen sich vor wie Reisende, die eine Reise buchen sollen, obwohl ihnen das Reisebüro jede Auskunft über die Vorzüge und Beschaffenheit des Reiseziels verweigert. Und sie sehen sich außerstande, auf das Versprechen hin, dass es dort wunderschön sein soll, und dass man dort wirklich glücklich ist, dorthin aufzubrechen. Ich konnte mich jedenfalls - solange ich drunten war - nie ganz von der Angst befreien, dass die Ewigkeit mit der Zeit doch einmal langweilig wird. Natürlich ist das Gegenteil der Fall: Sie wird immer interessanter.

      Die neue Welt

       Was ist die Zeit? Was ist die Ewigkeit?

      „Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es.

       Wenn ich es einem erklären will, weiß ich es nicht.“

       Augustinus

      Liebe Hinterbliebene

      Die neue Welt ist wirklich in jeder Hinsicht neu. Große Mühe bereitet mir die Umstellung von Zeit auf Ewigkeit. Wenn es weder Tag noch Nacht noch Jahreszeiten gibt, weiß man wirklich nicht, wie man sich orientieren soll. Hier kommt jeder ohne Uhren aus. Die Urmenschen sind nicht älter als wir,

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