Hüben und Drüben. Gerstäcker Friedrich

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Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich

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zum Bader hinüber ging, daß er käme und ihm etwas zum Einreiben gäbe. Er müßte gesund werden, wie er sagte, und wieder aufstehen und in die Stadt gehen, um selber zu sehen, was sie mit der Falleri anfingen, denn dem Kinde dürfe kein Unrecht geschehen, und wenn er selber darüber zu Grunde gehen sollte.

      Der Bader kam auch gegen Abend und brachte ihm eine Salbe mit, die er selbst erfunden haben wollte, und die außerordentlich heilkräftig sein sollte. Damit rieb er sich ein, wickelte sich in seine wollene Decke und schlief dann ein.

      Die Salbe mußte aber doch nicht recht gewirkt haben, oder er war auch vielleicht in der Nacht ruhiger geworden, denn er verließ am nächsten Morgen sein Bett noch nicht, sondern erklärte nur, daß er sich bedeutend besser fühle und in den nächsten Tagen hoffe, aufstehen zu können. /46/

      6.

      Die Brandstifterin.

      Am nächsten Morgen sollte das erste Verhör stattfinden, und der alte Untersuchungsrichter hatte, in der Ueberzeugung, daß die Verbrecherin auch heute leugnen würde, schon einen Wagen bestellt, auf dem sie - unter starker Bedeckung natürlich - an Ort und Stelle geführt werden konnte. Dort lagen auch die Leichen der bei dem Brand verunglückten Menschen, und wenn man ihr so die Folgen ihrer That vor Augen führte, hätte ein verstockteres Herz dazu gehört, als es das Kind besaß, das Vollbrachte selbst in deren Gegenwart noch abzuschwören.

      Außerdem waren auf elf Uhr die Zeugen aus Osterhagen bestellt und warteten schon im Vorzimmer - der Knecht in seiner besten Jacke, des Schulzen Frau in riesiger, mit Bändern behangener und reich gestickter Mütze, den vollen Busen mit einer Unzahl silberner Ketten und anderen Schmucksachen behangen, denn das Alles hatte sie aus dem Brande gerettet; war das doch ihre erste Sorge gewesen.

      Der Untersuchungsrichter saß schon in seinem Bureau, der Protokollant mit einer Anzahl geschnittener Federn am Tisch vor einer ganzen Schicht neuer Papierbogen, unbeschriebener „Acten in Sachen der Valerie Edmund wegen Brandstiftung". Einer der Polizeibeamten wurde jetzt beordert, die Gefangene herunter zu holen.

      Der Gefängnißwärter hatte sie gestern Abend, als er ihr einen Krug mit Wasser und ein Stück Brod brachte, verlassen, wie sie mit gefalteten Händen auf ihrer Pritsche saß und still und regungslos vor sich nieder starrte - so saß sie noch, als er die Thür um elf Uhr Morgens wieder öffnete; so mußte sie die ganze Nacht gesessen haben, denn die wollene Decke, die er ihr, zusammengefaltet, auf die Matratze gelegt, war nicht von ihrer Stelle genommen und das Lager jedenfalls unberührt. /47/ „Hallo, Mädel!" rief der Mann erstaunt, „bist Du die ganze Nacht da so sitzen geblieben? Was? und keinen Bissen gegessen, keinen Schluck getrunken? Das thut's nicht, Kind," setzte er kopfschüttelnd hinzu, „dabei kommst Du von Kräften und gehst zu Grunde. Wenn das Verhör nun jetzt ein paar Stunden dauert, wie willst Du's aushalten?"

      „Es wird nicht so lange dauern," sagte das junge Mädchen leise.

      „Ja, wer kann's wissen," brummte der Alte; „aber Du sollst hinunter kommen. Die Herren sind Alle schon da - willst Du Dich nicht ein bischen zurecht machen? Du siehst ja ganz blutig im Gesicht aus."

      „Zum Verhör soll ich kommen?" sagte Valerie und stand von ihrer Bank auf.

      „Ja wohl, Kind - wasch Dir nur erst einmal das Blut von der Stirne."

      Valerie erwiderte kein Wort weiter; sie ging zu dem in der Ecke stehenden blechernen Waschkumpen und badete sich Gesicht und Hände in dem frischen Wasser, strich sich dann die Haare glatt und sagte leise:

      „Lassen Sie uns gehen; je eher desto bester."

      Der Gefängnißwärter schüttelte mit dem Kopf. Er hatte in seinem langen Leben manche Erfahrung gesammelt und die Charaktere seiner zahllosen Gefangenen nicht ohne Erfolg studirt. Diese hier kam ihm aber nicht wie eine bösartige Verbrecherin vor, und trotzdem schien sie ganz in einander gebrochen und sah auch so merkwürdig bleich und elend aus. Aber was ging's ihn an; er that nur seine Pflicht, und sein Schlüsselbund aufgreifend, öffnete er der Gefangenen die schmale Thür und führte sie die Treppe hinab durch den Corridor zu dem Zimmer des schon seiner harrenden Assessors.

      In dem Corridor saß des Schulzen Frau in all' ihrem Staat, und neben ihr stand der Knecht vom Hof, der ebenfalls mit als Zeuge einberufen war, und als Valerie an ihr vorüber ging, rief sie aus :

      „Oh, das schlechte, miserablige Ding! - sollte man es denn für möglich halten.'"

      „Wenn Sie das Maul nicht halten," sagte aber der alte /48/ Gefängnißwärter, der sich nach ihr umdrehte, „so werden Sie ebenfalls eingesteckt und kommen auf Nummero Sicher. Hier hat Niemand zu reden, der nicht gefragt wird."

      Die Frau schwieg verdutzt still, denn so hatte noch Niemand mit ihr, der Schulzin aus Osterhagen, gesprochen. Valerie aber hörte entweder die Worte gar nicht, oder achtete nicht darauf. Sie schritt still an ihrer früheren Herrin, ohne auch nur den Blick vom Boden zu nehmen, vorüber und verschwand gleich darauf in der nächsten breiten Thür, die sich gleich darauf wieder hinter ihr schloß. Der Gefangenwärter hatte nur hinein gerufen: „Die Edmund, Herr Assessor."

      Das regelrechte Verhör begann jetzt mit all' seinen gewöhnlichen Formeln, und die erste Frage des Untersuchungsrichters lautete:

      „Wie heißt Du?"

      „Valerie Edmund.

      „Wie alt?"

      „Bald sechzehn Jahre.

      „Wo bist Du geboren?"

      „Ich weiß es nicht," sagte leise Valerie.

      „Du weißt es nicht?

      „Nein "

      "Wer waren Deine Eltern?"

      "Ich weiß es nicht," wiederholte das Kind noch leiser als vorher, und man sah es ihr an, welchen Kampf es ihr kostete, diese Fragen ruhig zu beantworten.

      „Das weißt Du auch nicht?" wiederholte der alte Assessor erstaunt. „Hm, Knd, das ist doch wunderbar. Hast Du denn Deinen Vater und Deine Mutter nie gekannt?"

      „Meine Mutter, ja; sie starb vor langen Jahren in Osterhagen - auch meinen Vater habe ich wohl gesehen, aber ich war damals noch ein kleines Kind, und später sagte meine Mutter daß er todt und begraben wäre in einem weiten fernen Land - weit von Osterhagen."

      „Und als sie starb?"

      „Da kam ich in das Gemeinde-Armenhaus im Dorf, und nachher in Dienst.“ /49/

      „Und Du leugnest, etwas von der Ursache des gestrigen Brandes zu wissen?"

      „Nein," sagte das junge Mädchen, mit kaum hörbarer Stimme, aber doch deutlich und bestimmt - „ich leugne es nicht mehr; ich habe es gethan!"

      „Du hast es gethan, Unglückliche!" rief der alte Assessor ordentlich erschreckt - „und was brachte Dich zu der furchtbaren That?"

      „Fragen Sie mich nichts weiter," sagte das arme Mädchen - „ich habe das Feuer angelegt, und wie ich höre, sind zwei Menschen dabei umgekommen, deshalb muß ich auch das Leben verlieren."

      „Und woher weißt Du, daß zwei Menschen dabei umgekommen sind?"

      „Heute Morgen sprachen sie auf dem Gang vor meiner Kammer davon. Irgend Jemand erzählte es einem Andern, und ich hörte

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