Hüben und Drüben. Gerstäcker Friedrich

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Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich

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Na, Abschied brauchen wir nicht von einander zu nehmen, und Du gehst nicht aus der Welt - wir werden uns oft genug zu sehen kriegen - vielleicht öfter als Dir lieb ist."

      „Nein, Herr Brenner," sagte das junge Mädchen leise; „Sie sind immer gut gegen mich gewesen, und ich bin gewiß nicht undankbar, wie die alte Frau Kunzen meint."

      „Der alte Drachen soll zum Teufel gehen!" brummte Brenner. „Die hat von Undankbarkeit zu reden - daß Du ersticktest - wenn ich nur so 'was nicht hören müßte. Aber laß sie schwatzen - Du ziehst jetzt zu Baumstetters hinüber?"

      „Ja, Herr Brenner."

      „Na, da brauchst Du auch nicht zu sagen: Gott straf' mich, denn da bist Du gestraft genug."

      „Sind die Leute so bös?"

      „Nein, bös nicht, Kind," sagte der Alte, „sie könnten schlimmer sein und sollen ihre Leute nicht schlecht behandeln, aber die Alte ist so krank, daß es Niemand lange bei ihr aushält. In den letzten sechs Monaten haben sie sieben verschiedene Wärterinnen gehabt - sie mochten Lohn über Lohn bieten, es half nichts. Apropos, wie viel kriegst Du denn?"

      „Im ersten Vierteljahre noch nichts. Ich soll auf Probe dienen."

      „Daß der Teufel den verdammten Schulzen hole!" rief der Bänkelsänger, seine rechte Faust in die linke Hand schlagend, „umsonst sind die nicht verschwägert zusammen, und in solch' einen Hundedienst ohne Lohn schicken sie das Kind!"

      „Aber kann ich's ändern?" sagte Valerie traurig.

      „Nein, Herz," knurrte der Alte, „wir Beide nicht, oder, Gott straf' mich, ich - na ja, das Fluchen hilft auch /30/ nichts, und die Menschen thun deshalb doch, was sie wollen. Na, geh hin; ich würde Dir, wie sie es auf dem Theater machen, meinen Segen geben, aber ich fürchte beinah', er möchte Dir nicht besonders viel helfen. Uebrigens werd' ich von Zeit zu Zeit einmal hinüberkommen und nachsehen, und vielleicht - holt ja der Teufel auch die Alte bald, daß Du von Deiner Plackerei frei kommst."

      „Aber, Herr Brenner -"

      „Du hast Recht, Schatz," sagte der Alte mürrisch, „sie hat mir noch nie 'was zu Leide gethan - na geh, Kind - ich möchte mein „Gemälde" noch heute fertig bringen, und da muß ich mich dazu halten, sonst werden mir die Klexe trocken." Damit schüttelte er Valerie die Hand, drehte sich um und fiel plötzlich mit so lauter Stimme in eins seiner alten Lieder ein, daß das Kind ordentlich zusammenschrak. Sie wäre auch gleich gegangen, aber sie mußte dem Manne doch noch etwas über ihre Schuld gegen ihn sagen, damit er nicht etwa glaube, daß sie die, mit dem Weggange aus dem Gemeindehause, ebenfalls abschütteln wolle.

      „Lieber Herr Brenner," sagte sie schüchtern - aber der Mann hörte nicht; er sang ruhig weiter.

      „Lieber Herr Brenner," wiederholte sie noch einmal und berührte seinen Arm.

      „Ja Kind? - so, Du bist noch da? Willst Du 'was?"

      „Ich wollte Ihnen nur sagen," flüsterte Valerie schüchtern, „daß ich, wenn ich auch das erste Vierteljahr keinen Lohn bekomme, doch ganz gewiß gleich nachher jeden Pfennig sparen werde, um Ihnen -"

      „Und der Mörder mit der Leiche

      Auf der Schulter ward gesehn,

      Wie er über eine Bleiche

      That beim Mondenscheine gehn"

      sang Brenner plötzlich mit so lauter Stimme und ließ sich nun auch in seinem schauerlichen Lied nicht wieder unterbrechen, daß Valerie jeden Versuch dazu aufgeben mußte. Er drehte sich auch gar nicht mehr nach ihr um, und das Kind schlich jetzt, mit seinem Bündelchen in der Hand, in das Dorf hinein und zu dem Bauern Baumstetter hinüber, wo /31/ sie die Frau desselben, da er selber auf dem Feld draußen war, gleich in Empfang nahm.

      Die erste Anrede war keine besonders freundliche.

      „Mädel, wie siehst Du aus! - geh erst einmal an die Plumpe und wasche Dich und mach' Dir Dein Haar - und das jeden Morgen, verstehst Du? Denn so mag ich Dich nicht im Haus herumlaufen haben."

      Die Frau hatte nicht Unrecht; Valerie war in der wüsten Umgebung des Gemeindehauses wirklich verwildert, dabei wohl in die Höhe geschossen, aber entsetzlich mager geblieben, so daß die großen dunkeln Augen fast unheimlich in ihren Höhlen lagen. Aber sie kam jetzt unter bessere, weil strenge Hände, und die Frau steppte ihr selber noch an dem nämlichen Tag aus ihren alten Röcken einen zurecht, daß sie wenigstens unzerlumpt und reinlich im Hause herumgehen konnte; den alten Kittel mußte sie augenblicklich ausziehen und wegwerfen; er war nicht einmal mehr zum Flicken zu gebrauchen. Dann erst überkam sie die Pflege der alten Bäuerin und fand bald die Wahrheit alles dessen bestätigt, was ihr Brenner über die aufgebürdete Last gesagt.

      Die alte Frau lag schon über Jahr und Tag in der Auflösung begriffen, sie war am ganzen Körper wund, und Monate lang hatte der Bader schon ihren Tod als stündlich bevorstehend verkündet - aber sie starb nicht. Der zähe Körper hielt die Seele fest, und der Aufenthalt bei der Leidenden war so unerträglich geworden, daß die eigene Tochter nur auf Minuten zu ihr in's Zimmer kam.

      Diese Pflege überließ man dem kaum dem Kindesalter entwachsenen Mädchen, und nur dem Leben im Gemeindehaus vielleicht verdankte es Valerie, daß sie im Stande war, da auszuharren, und nicht körperlich zu Grunde ging.

      Zwei volle Monate pflegte sie die Kranke unermüdlich. Sie kam in der ganzen Zeit fast in kein Bett, und nur, wenn sie das gebrauchte Geschirr aufwaschen mußte, an die freie Luft. Endlich erlöste der Tod der alten Frau diese und Valerie, ja das ganze Haus von der entsetzlichen Qual, und Valerie wurde ihres Dienstes quitt. Die Frau Baumstetter würde sie aber doch vielleicht im Haus behalten haben, denn /32/ sie sah, daß sie fortwährend still und willig ihre Arbeit that, und nicht eine Klage war in der ganzen Zeit über ihre Lippen gekommen - aber das verschlossene, scheue Wesen des Mädchens gefiel ihr nicht. - „Die hat's hinter den Ohren," pflegte sie oft zu sagen, „aber sie giebt's nicht aus, bis einmal ihre Zeit kommt." Uebrigens hatte sie auch keine weitere Beschäftigung für sie, denn im Stall war sie ihr nicht stark und kräftig genug, und sie verabredete deshalb mit des Schulzen Frau, die gerade ein Hausmädchen brauchte, daß diese sie von da an in Dienst nehmen sollte, denn untergebracht mußte sie nun einmal werden.

      Valerie erschrak, als sie hörte, daß sie in des Schulzen Dienst kommen sollte, denn erstlich war des Schulzen Frau als bös und zänkisch im ganzen Orte verschrieen, und dann fürchtete sie den Schulzen selber seit jenem Morgen mit allen Fasern ihres jungen Herzens. Aber was half es? Einen freien Willen hatte sie ja doch nicht; sie mußte hingehen, wohin man sie schickte - und sie ging.

      Die Frau Baumstetter hatte ihr noch, ehe sie das Haus verließ, aus „Erkenntlichkeit" ein paar alte Kleider geschenkt, denn Lohn bekam sie ja doch nicht - die durfte sie sich jetzt selber zurecht machen, denn mit der Nadel wußte sie ziemlich geschickt umzugehen, und die Frau des Schulzen sah darauf, daß ihre Dienstboten anständig aussahen, war sie ja doch die „erste Frau im Dorf". Sie sollte auch hauptsächlich für Nähereien im Hause verwandt werden, denn dadurch sparte man die überdies theuern Näherinnen, die so unverschämt waren, einen ganzen Tagelohn für ihr „Flickwerk" zu verlangen.

      Valerie hatte es jetzt, was ihre Arbeit betraf, besser als im vorigen Haus, denn wenn sie auch Morgens schon um vier Uhr heraus mußte, um überall mit zu helfen, und dann Abends, bei einer trüben Oellampe bis um zehn Uhr regelmäßig beim Spinnrad, oder auch manchmal sogar bei einer Näherei saß, obgleich sie die Stiche in der Dunkelheit kaum erkennen konnte, brauchte sie doch nicht mehr die

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