Hüben und Drüben. Gerstäcker Friedrich

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Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich

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geklettert und habe sich auf's Bett geworfen, als der Lärm schon losgegangen wäre.

      Der Assessor sprach wenig hinein - unterwegs schon hatte ihm der Fremde die Vermuthungen mitgetheilt, die er über die früheren Schicksale von Valerie's Mutter und deren Abstammung hege, und die erst zur Gewißheit werden konnten, wenn man das unglückliche junge Mädchen selber sprach und /77/ den Schmuck sehen konnte, den sie noch von ihrer Mutter bewahrte. Noch hatte man allerdings keine Gewißheit, wenn auch starke Gründe zu der Vermuthung, denn Valerie war allerdings der Name der Verschollenen gewesen, und Edmund der Vorname ihres Gatten; der aber dort unter dem spitzen Stein begraben lag, wäre der Vater der Verstorbenen gewesen, an dessen Grabe diese so oft gesessen.

      Der Kranke hatte durch die lange Erzählung aber seine Kräfte vollständig erschöpft, und der Arzt rieth ihm jetzt Ruhe an, versprach ihm auch, da der Fremde für alle Kosten einstand, sowie sie nach der Stadt zurückgekehrt wären, die nöthigen Arzeneien und Stärkungen wie auch eine zuverlässige Person heraus zu senden, die ihn pflegen solle. Transportirt konnte er natürlich in dem Zustand nicht werden, und man mußte abwarten, wie sich die Krankheit entwickelte.

      In Osterhagen steckten die Leute allerdings die Köpfe zusammen, was da vorgefallen sein könne, und weshalb eine Extrapost vor dem Gemeinde-Armenhause und nicht vor der Thür des neuen Schulzen oder wenigstens vor dem „Gasthof" gehalten habe. Die Frau Kunzen wurde auch von verschiedenen Nachbarinnen auf das Schärfste inquirirt, wußte aber leider gar nichts anzugeben, als daß die fremden Herren bei dem Brenner drin gewesen und lange mit ihm gesprochen hätten. Allerdings gestand sie den Versuch ein, „etwas Bestimmteres" zu erhorchen; so oft sie aber der Thür nur nahe kam, öffnete der Officier dieselbe und sah heraus, und sie mußte dann jedesmal wieder in die Küche fahren.

      Uebrigens wurde die Aufmerksamkeit der Bewohner von Osterhagen an dem Tage sehr getheilt, denn noch spät gegen Abend traf ein anderer Fremder ein, der von der Frau des verstorbenen Schulzen eine ziemlich bedeutende Summe forderte und fällige Wechsel dafür in Händen hielt. Natürlich hatte sie nicht bezahlen können und der Fremde dann erklärt, daß er sie verklagen und das Gut verkaufen lassen würde. Wie ein Lauffeuer ging auch das Gerücht durch das Dorf: „der Schulzenhof," wie das Gut immer noch hieß, „käme unter den Hammer" - aber bedauert wurde die Frau deshalb von Niemand. Sie hatte sich zu wenig Freunde dafür gemacht. /78/ Indessen bereitete sich aber in der Stadt eine andere Scene vor, denn vor Aufregung zitternd, hatte die alte Dame, die in Begleitung des Officiers den Kirchhof zu Osterhagen besucht, die Rückkehr der kleinen Expedition erwartet. Für diesen Abend war freilich nichts weiter zu thun, denn wenn auch das Zuchthaus selber unmittelbar an der Stadt lag, war der Tag doch schon zu weit vorgerückt, um heute noch Schritte zu einer weiteren Untersuchung thun zu können. Der nächste Morgen mußte abgewartet werden; dann aber versprach auch der alte Assessor, der jetzt selber anfing sich für die Sache zu interessiren, mit ihr hinauf zu fahren und die Erledigung der Angelegenheit soviel als irgend möglich zu beeilen - es verstand sich von selbst, daß sie dann noch immer langsam genug vorwärts ging.

      Vor allen Dingen war es dort nöthig, als sie etwa um zehn Uhr das unheimliche Gebäude erreichten, das goldene Kreuz und den Ring zu sehen, den die Gefangene trug, oder wenigstens getragen hatte, denn des Assessors Vermuthung bestätigte sich: er war ihr, als sie eingekleidet wurde, abgenommen worden. .

      Hier aber ward die Vermuthung zur Gewißheit. Ein ganz ähnliches Kreuz trug die Dame selber an ihrem Hals, denn für drei Geschwister waren damals solche Kreuze angefertigt worden, und zwar eins mit dem Buchstaben V., eins mit M. und eins mit I. Die verlorene oder spurlos verschwundene Schwester hieß Valerie, und der Trauring trug außerdem das Datum und die Jahreszahl ihrer Verheirathung mit dem Gatten.

      „Und was hat die Gefangene gesagt, als ihr die beiden Dinge abgenommen wurden?" frug der alte Assessor, den diese Sache besonders zu interessiren schien.

      „Lieber Gott, was wollte sie machen," erwiderte achselzuckend der Schließer, der die Gegenstände gerade vom Herrn Direktor heruntergeholt hatte, „widersetzen durfte sie sich doch nicht, und anfangs war es freilich, als ob sie sie nicht hergeben wollte; aber auf einmal stand sie ganz still, nahm das schwarze Band ab, das ihr um den Hals hing, küßte das Kreuzchen und den Ring, und legte beides dann, ohne ein Wort weiter /79/ zu sagen, oder eine Thräne darum zu vergießen, auf den Tisch - derlei Leute machen sich aus so 'was nicht viel."

      „Und wie hat sich die Gefangene bis jetzt betragen?"

      „Gegen ihr Betragen läßt sich nichts einwenden," meinte der Mann, „sie ist die Beste von Allen, und die Stillste und Fleißigste - der Herr Direktor sind auch sehr mit ihr zufrieden."

      Der „Herr Direktor" kam jetzt selber und schien es nicht besonders gerne zu sehen, daß man eine von „seinen" Gefangenen sprechen wolle, konnte es aber auch nicht gut einem Criminalbeamten, der noch dazu im speciellen Auftrag der obersten Justizbehörde in -* kam, abschlagen, und gab den Befehl, die Gefangene von ihrer Arbeit abzurufen und hierher zu bringen.

      In dem kleinen Empfangszimmer, das aber ebenfalls mit starken eisernen Stäben versehen war, saß die alte Dame, neben ihr, und sie unterstützend stand der Officier, und vor ihnen, um die ganze Verhandlung zu leiten, der alte Assessor.

      Als das junge Mädchen das Zimmer betrat, blieb sie, wahrscheinlich einen weiteren Befehl erwartend, mit niedergeschlagenen Augen an der Thür stehen. Sie sah nicht allein bleich aus, sondern hatte besonders jene ungesunde, fahle Gesichtsfarbe, die, von der dumpfen Kerkerluft herrührend, den Gefangenen eigen ist.

      Der Direktor hatte sein Buch neben sich liegen, in dem er den Namen nachsah, den die Gefangene früher geführt hatte.

      „Edmunden," sagte er, „komm näher; hier ist ein Herr, der ein paar Fragen an Dich richten will."

      Das Mädchen gehorchte dem Befehl, ohne aber noch aufzusehen; fast wie mechanisch bewegte sie sich einige Schritte vor und blieb dann wieder stehen, um das Weitere zu erwarten.

      „Kennst Du mich noch, Valerie?" sagte da der alte Assessor freundlich.

      Das junge Mädchen, das den Beamten jedenfalls an der Stimme erkannt haben mußte, denn sie hob den Blick nicht, sagte leise:

      „Ja." /80/

      „Ich habe Dir einen Auftrag auszurichten," fuhr der Assessor fort, „einen Gruß von einem alten Bekannten, vom alten Brenner aus dem Gemeinde-Armenhaus zu Osterhagen."

      Eine leichte Röthe zuckte über Valerie's Gesicht, das aber weiter keine Bewegung verrieth; auch diese etwas dunklere Färbung verschwand bald wieder, und sie erwiderte nur leise:

      „Ich danke Ihnen vielmals."

      „Hm," meinte der Assessor, der erwartet haben mochte, daß sie ihn nach dem Alten weiter fragen würde; „Du scheinst Dich für Osterhagen nicht mehr besonders zu interessiren. Der Alte ist aber recht krank - er liegt im Sterben und hat mich neulich rufen lassen und mir etwas vertraut."

      Die Gefangene hörte jedenfalls die Worte, schien aber nicht den geringsten Antheil daran zu nehmen. Sie nickte nur schweigend mit dem Kopf und erwartete, was ihr weiter gesagt werden würde. Was lag auch daran, wenn ein Mensch krank wurde und starb - der hatte es überstanden und wurde in die stille Erde gelegt. Wie oft hatte sie sich selber schon danach gesehnt! Der Assessor kam aber dadurch, während die alte Dame das junge Mädchen mit steigender Spannung betrachtete, etwas außer Fassung und mußte wieder ganz von vorn anfangen.

      „Ja, mein Kind, dem alten Brenner geht's recht schlecht," sagte er, „und, wie er glaubt, auch wohl mit ihm zu Ende. Da hat er denn vor seinem Tode noch ein Bekenntniß abgelegt, das Dich auch mit betrifft und nahe angeht."

      „Mich?"

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