Nach Amerika! Bd. 1. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich

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ihm drein, nur noch mehr gereizt über diese anscheinende Mißachtung. «Dem Volk ist zu wohl hier», setzte er dann, mit einem kräftigen Zug aus seinem Glase, hinzu. «Der Art Leute fühlen sich nicht behaglich, wenn sie nicht baumfest unter dem Daumen gehalten werden.»

       «Guten Abend miteinander», sagte in diesem Augenblick ein anderer der Auswanderer, der, mit einem kurzen Pfeifenstummel in der Hand, zu dem Tische trat, auf dem in einem schützenden Kelchglas ein Licht mit darum gesteckten Fidibus zum Anzünden der Zigarre stand. «Wenn’s erlaubt ist, möchte ich mir wohl einmal eine Pfeife bei Euch anbrennen.»

       «Mit Vergnügen», sagte Ledermann, ihm einen Fidibus anzündend und hinreichend.

       «Danke schön », nickte der Mann, das Feuer benutzend und den blauen Qualm in schnellen, kurzen Zügen ausblasend.

       «Und wo geht die Reise hin?» frug Ledermann den Rauchenden.

       «Da hinüber», sagte dieser, immer noch scharf ziehend, indes er mit dem linken zurückgebogenen Daumen über die linke Achsel wies. «Über’s große Wasser!»

       «Habt Ihr dort schon einen Platz?» frug der Aktuar.

       «Ja», sagte der Mann freundlich. «Mein Bruder hat mir geschrieben aus dem Wisconsin10 heraus; da soll’s gut sein.»

       «Und geht Ihr alle dorthin?» frug ihn Kellmann.

       «Die meisten von uns, ja; eine Partie will aber auch hinüber in’s Missouri, da ist’s wärmer.»

       «Es sind wohl lauter Landleute hier miteinander?»

       «Ja meistens – e i n Schneider ist dabei und der Schmied aus dem Dorfe, und der Herr Pastor ist schon voraus.»

       «Der Pastor geht auch mit11?» frug Kellmann schnell.

       «Ahem», nickte der Mann. «Der ist aber mit der Post gefahren; doch er hat gesagt, er wolle sehen, daß wir alle auf e i n Schiff kämen. Danke schön, Ihr Herren, adje.»

       «Glückliche Reise!» rief ihm Kellmann nach.

       «Danke», nickte der Mann noch einmal zurück, «können’s brauchen», und schloß sich den übrigen wieder an, von denen die letzten gerade die Tür des Wirtshauses passierten.

       Es waren ärmliche, viele von ihnen kränklich oder wenigstens bleich aussehende Gestalten, in die Bauerntracht ihrer Gegend gekleidet; die meisten Frauen mit Kindern auf dem Arm, manche sogar deren an der Brust, und ein Bündel dazu auf dem Rücken, die im Schweiß ihres Angesichts, wie sie dies jetzt gelebt, mühsam der fernen ersehnten Heimat entgegenstrebten. Hier und da waren auch ein paar kräftige junge Burschen von zwölf bis vierzehn Jahren vor ein kleines, leichtes Handwägelchen gespannt, darauf gepackte Betten, Kleidungsstücke und Lebensmittel die weite Straße entlang zu ziehen. – Die Leute hatten kein Geld übrig, denn das wenige, was sie zur Reise aufgespart, mußten sie für das Schiff aufheben, und ein paar Taler sollten doch auch noch übrig bleiben, damit sie nur die ersten Tage in Amerika, ehe sie Arbeit bekämen, vor Sorge geschützt waren. Den glänzenden Schilderungen, die ihnen von dem neuen Lande ihrer Hoffnungen gemacht waren, trauten die armen Frauen am wenigsten in ihrem vollen Umfange. Von Jugend auf, wie ihnen nur eben die Kräfte wurden, ihre jüngeren Geschwister in der Welt herumzuschleppen, hatten sie arbeiten, hart arbeiten müssen, und viel anders würde es auch wohl nicht da drüben sein. Der Sorgen waren hier nur gar zu viele angewachsen, mit jedem Jahr mehr, wie sie sich auch plagten und quälten, und schlechter k o n n t e es dort drüben nicht sein. Das war für jetzt der einzige Trost, den sie mit sich trugen die lange, heiße Straße entlang, mit einer kleinen Hoffnung möglicher Besserung vielleicht, und sie drückten dann die Kinder nur fester an ihr Herz und küßten sie und flüsterten ihnen leise und heimlich zu, daß sie nicht mehr schreien sollten, denn sie gingen nach A m e r i k a , und da würde schon alles gut werden, wie ihnen der Vater gesagt.

       Die Männer und Burschen zogen der fernen Welt aber schon mit mehr Vertrauen entgegen; das Bewußtsein der eigenen Fähigkeit und Kraft hob sie dabei über manches hinweg, das die abhängigen Frauen schwerer zu Boden drückte. Wer bei einer langen Wanderung v o r a n g e h t und für den Weg zu d e n k e n hat, wird nie so müde als der, der ihm folgt, nur für sich denken läßt und hinterdrein zieht. Viele von den Männern trugen auch Jagdtaschen und Gewehre auf dem Rücken, Büchsen und Schrotflinten – was sollte es ,da drüben’ nicht alles zu schießen geben!12 – Manche auch nachgemachte bunte Blumensträuße auf dem Hut. Einzelne, aus Bayern und Thüringen, die sich ihnen angeschlossen, hatten sogar ein paar kleine gefärbte Maraboutfedern mit ihren Landesfahren, blau und weiß, und grün und weiß, in ihrem Hutband stecken, die meisten aber schienen keine solche Erinnerung an die Heimat mitnehmen zu wollen.

       Die Leute gingen vorüber, und die Gäste hatten ihnen schweigend nachgeschaut, so lange fast, bis sie die nächste Biegung der Straße ihren Blicken entzog. Auch Lobsich war wieder vor die Tür seines Gartens getreten, und sich jetzt kopfschüttelnd zurück zu seinem Tisch wendend, brummte er vor sich hin:

       «’s ist mir doch ‘was Unbedeutendes». Es war dies eine seiner stehenden Redensarten, die in der Tat unbegrenztes Erstaunen ausdrücken sollte. «Was die Leute dies Frühjahr wieder zu ziehen anfangen; Tag für Tag geht das so fort, Trupp nach Trupp kommt über die Berge herüber, mit Sack und Pack, mit Weib und Kind – und alles fort, alles fort, und man merkt nicht einmal, von w o sie fort sind.»

       «Doch, doch», sagte Kellmann, die Augenbrauen in die Höhe ziehend und mit dem Kopf nickend. «Doch, doch, Lobsich; o b man’s wohl merkt! – Geht einmal da über die Berge hinüber und seht Euch in den Dörfern um ; da steht manches alte, halbzerfallene l e e r e Haus, an das irgendeine Familie da drüben noch mit Schmerzen zurückdenkt, und in das niemand anders mehr Lust hat einzuziehen, weil er noch eine Menge b e s s e r e , ebenfalls leer, in demselben Dorfe findet. Es ist immer ein trauriger Anblick, solch ein leeres Haus, und ich seh’s nicht gern13

       «Und was für G e l d tragen sie außer Land», fiel der Apotheker hier ein, der indes, sich zu zerstreuen, im Heilinger Tageblatt gelesen hatte, jetzt aber nicht umhin konnte, auch noch ein Wort mit drein zu werfen. «Was sie nicht mit hinübernehmen können, lassen sie wenigstens in den Seestädten, und zu uns kommt nichts mehr davon zurück. Wenn ich nur das erst einmal erlebe, daß die Leute zu ihrem Glück förmlich g e z w u n g e n und nicht mehr aus dem Land hinausgelassen werden. Geht das aber so fort, so werden sie so lange auswandern, bis uns hier weiter gar nichts übrig bleibt, als mitzugehen, wenn wir nicht eben in dem verödeten Land allein sitzen wollen, unseren Acker selber zu bauen. Hol’ sie der Teufel! Wofür hat sie denn eigentlich der liebe Gott in die Welt gesetzt und ihnen den Holzkopf gegeben, der sie zu allem anderen untauglich macht. Ackern und düngen müssen sie drüben doch auch, und weshalb können sie das nicht ebenso gut h i e r ? – Nein, Gott bewahre, die paar Taler, die sie sich h i e r erspart haben, müssen erst wieder verschleppt und hinausgeworfen werden an Experimente und reinen Übermut, und nachher sitzen sie erst recht da. Dort drüben k ö n n e n sie nichts mehr sparen, und m ü s s e n schon drüben bleiben, wenn sie auch wieder herüber möchten. Die paar, die sich doch noch ein paar Taler zusammenscharren, die kommen nachher schnell genug wieder zurück, aber es sind nur wenige, und die anderen armen Teufel haben die Brücke mutwillig hinter sich abgebrochen und sitzen nun auf der wohlriechenden Heide ohne Unterfutter. Jesus, Maria und Josef, es muß ein ordentlicher Jammer drüben sein!»

       «Na, so arg doch wohl noch nicht, Schollfeld», sagte Kellmann kopfschüttelnd, «man hört doch nun auch so manches von da drüben, was nicht gar so schlecht klingt, und wo sich’s schon aushalten ließe, wenn man – wenn man eben einmal einen solchen verzweifelten Schritt absolut tun müßte oder wollte.»

      

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