Die Pferdelords 03 - Die Barbaren des Dünenlandes. Michael Schenk
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›Sturmschwinge‹ fliegen!«
Das Pfeilschiff war wirklich schnell. Auch an seinem Bug wurde nun
Gischt aufgeworfen, und Wasser sprühte in feinem Nebel über das Vorschiff.
Lotaras war unsicher, ob er oben auf der Aussichtsplattform bleiben sollte, die
ihm immer wackliger erschien. Zugleich hatte er von hier jedoch einen
faszinierenden Überblick über die Ereignisse. Oder besser einen
erschreckenden, denn das zweite Jagdschiff der Korsaren kam beständig
näher, während das erste immer weiter zurückfiel.
Da hörte Lotaras auf einmal einen hallenden Schlag und fuhr zusammen.
Zuerst glaubte er, der aufrüttelnde Laut sei durch das sich nähernde
Korsarenschiff ausgelöst worden, aber Rodas wies zum fernen Horizont, wo
Meer und Himmel ineinander zu verschwimmen schienen. »Jetzt wirst du
bald beide Hände für dich brauchen, Bruder des Waldes. Der von Gendrion
prophezeite Sturm kommt auf.«
Am fernen Horizont verdunkelte sich der Himmel, und seine Farbe
verwandelte sich von einem strahlenden Blau über ein helles Grau rasend
schnell in ein tiefes Schwarz. Erneut ertönte der hallende Schlag, und nun sah
Lotaras auch einen gewaltigen Blitz über das Firmament zucken, dem ein
weiterer folgte. Der Wind wurde nun spürbar stärker, und trotz aller Neugier
erschien es Lotaras angebracht, wieder das Deck des Schiffes aufzusuchen.
Rodas Blick war keineswegs geringschätzig, als er Lotaras zunickte. »Denke
daran, Bruder des Waldes, jetzt gilt für euch Waldbewohner: zwei Hände für
euch selbst.«
»Und ihr See-Elfen?«
Rodas lachte. »Eine für die ›Sturmschwinge‹ und eine für uns. Wer sonst
soll den Pfeil übers Wasser führen?«
Plötzlich war der Sturm mit unerwarteter Heftigkeit da.
Lotaras war von seiner Gewalt überwältigt und begriff, warum Rodas ihm
geraten hatte, nurmehr seine beiden Hände für sich selbst zu gebrauchen. Der
Wind trieb die Wellen hoch und peitschte sie gegen den schlanken Rumpf des
Pfeilschiffes, während die See zu kochen schien. Weiße Gischt tobte über die
Wellenkämme hinweg, und die »Sturmschwinge« wurde rasend schnell in die
Höhe gehoben, nur um Augenblicke später wieder in eine bodenlose Tiefe zu
stürzen. Lotaras und Leoryn waren derart beschäftigt, sich immer wieder
festen Halt zu verschaffen, dass sie gar keine Zeit fanden, Übelkeit zu
empfinden.
Die Leinen und Taue summten unter der Spannung, und das Schiff schien
zu ächzen, denn das prall gefüllte Segel trieb es unbarmherzig durch den
Sturm, doch weder Herolas noch Gendrion machten Anstalten, die Fahrt zu
verringern. Das erste Korsarenschiff war ihren Blicken entschwunden und das
zweite, weitaus nähere, tauchte nur gelegentlich in ihrem Blickfeld auf. Es
schien wie ein Korken auf den Wellen zu tanzen, aber Lotaras und Leoryn
vermuteten, dass ihr Schiff von Ferne wohl denselben Anblick bot.
Der Sturm umtoste sie, und so krampften sie ihre Hände in Handläufe und
Leinen, um nur nicht über Bord gewirbelt zu werden. Lotaras sah, wie
Gendrion eine kurze Leine nahm und sie um seinen Körper schlang, um sich
mit ihr an der Heckreling anzubinden. Kapitän Herolas wies zu der kleinen
Treppe hinüber, die ins Innere des Schiffes führte. »Unter Deck, Bruder und
Schwester des Waldes. Es wird jetzt ein wenig lebhaft werden.«
»Ich möchte sehen, was geschieht«, widersprach Leoryn.
Herolas’ Gesicht verlor seine Freundlichkeit. »Unter Deck! Alle beide!
Oder ich werfe euch eigenhändig hinunter.«
Lotaras schaffte es, Leoryns Arm zu ergreifen, und versuchte gegen die
Kraft des Sturmes anzubrüllen. »Hinunter mit dir, Schwester. Vertraue den
See-Elfen. Sie wissen, was zu tun ist.«
Er schob sie zur Treppe hinüber, hatte selber jedoch Mühe, Halt zu finden,
und ächzte schmerzerfüllt, als ihn eine abrupte Bewegung des Pfeilschiffes
gegen den Mast schleuderte. Er glaubte, seine Rippen brechen zu fühlen, und
stieß seine Schwester fluchend den Treppenabgang hinunter. Im Innern der
»Sturmschwinge« waren die Schiffsbewegungen zwar nicht angenehmer, aber
man konnte wenigstens nicht über Bord gehen. Wer bei diesem Sturm ins
Wasser stürzte, war dem Tode geweiht, für ihn würde es keine Rettung mehr
geben.
»Wir müssen reffen und das Segel kürzen«, ertönte Gendrions Ruf von
Deck. »Die Leinen summen bereits. Sie werden reißen.«
»Sie werden halten«, brüllte Herolas zurück.
Lotaras und Leoryn wurden im Rumpf von einer Seite zur anderen
geschleudert und schrien gemeinsam auf. Lotaras bemerkte verwirrt, dass
seine Schwester Vergnügen an dem Abenteuer zu finden schien.
»Sie werden reißen«,