Nachtdienste. Gerd Ruttka

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Nachtdienste - Gerd Ruttka

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versuchte zu schlafen, stand aber bald wieder auf, weil die unerklärlichen Probleme sie immer wieder einholten. Fragen, die sie nicht beantworten konnte, die einfach nicht aus ihrem Kopf gehen wollten. Von denen das Gehirn zumindest einen Zipfel zu finden suchte, der dann zu einer Antwort führen konnte, die schließlich eine mögliche Lösung darstellen gekonnt hätte.

      *

      Schon am nächsten frühen Vormittag kam der Sachverständige von der Brandschutzversicherung. Die Feuerwehr des kleinen Ortes hatte sich in der nächsten Großstadt mehrere große Strahler geliehen um sie unter dem Dach aufzustellen, so, dass der zuvor immer dämmerige Raum nun voll ausgeleuchtet war.

      Der Sachverständige sieht sich kurz um, geht dann gezielt zur Giebelseite, die gesamte Wand an dieser Seite ist mit rabenschwarz verkohlten Holzplanken verkleidet. An dem letzten der Balken läuft ein Kabel entlang in die Höhe, wo eine einsame Birne in einer Fassung wohl früher Licht spenden sollte, jetzt war diese geplatzt. Man sah nur noch die Glühdrähte in der Fassung, das schützende Glas war weg.

      "Kabelbrand" äußert der Mann, zieht dann eine kleine Box aus der Brusttasche seiner Arbeitsjacke, öffnete diese, und holt eine Lupe heraus, um damit die Leitung zu untersuchen. Er kriecht förmlich an dem Kabel entlang. Schon kniet er, da hält er an.

      "So, so, " murmelt er vor sich hin, kramt dann sein Handy aus der Tasche und fotographiert ein Stelle, von rechts, von links, von direkt davor.

      "Typischer Fall," sagt er so laut, dass es auch der an der Treppe stehende Heimleiter hört, "ganz eindeutig ein glatter Schnitt mit einem Messer, kein Tierverbiss, keine Schere - ein Messer, glatt durch, dann etwas weggebogen, aber das Kabel hat sich wieder zurückbewegt. Kommt oft vor, zumeist, wenn Laien an den Kabeln herumbasteln."

      Er will aufstehen, stützt sich dabei mit einer Hand an der verkohlten Holzwand am Giebel ab, um besser hochzukommen. Er hat sich schon fast ganz erhoben, als die verkohlten Wandbretter nachgeben. Er kippt in den dahinterliegenden schmalen Raum, fällt auf etwas.

      "Verflixt", flucht er, "ausgerechnet so etwas muss passieren, ausgerechnet heute und bei mir." Zwei Feuerwehrleute, die dazu getreten sind, starren in den Hohlraum.

      "Du lieber Himmel", der eine greift sich an den Kopf. Der Andere hilft dem Sachverständigen beim Aufstehen. Kaum dass er steht, wendet er sich an den Heimleiter."Da ist ein sehr schmaler Verschlag, mit einer gekokelten Matratze einem Tisch und einem Stuhl, auf der einen Seite liegt auf dem Boden eine völlig verkohlte Leiche."

      *

      Die Kriminalpolizei war gekommen. Die Beamten hatten versucht Spuren zu sichern, soweit dies nach dem Brand möglich war. Wie immer dauerte es fast 3 Wochen, bis die DNA der Leiche analysiert war. Es war eindeutig, die verbrannte Person war diejenige deren Haare in einer Bürste im Schrank von Rita Retsch gefunden wurden.

      *

      Der Geschäftsführer hatte kurzfristig eine Betriebsversammlung angesetzt, um dem Personal die Fakten bekanntzugeben. Zwar war diese Betriebsversammlung nur für das Wohnheim und die dort tätigen Betreuer gedacht, aber auch aus den anderen Abteilungen waren Kollegen und Kolleginnen zur dieser Versammlung gekommen.

      "Die verkohlte Leiche aus dem Dachgeschoss ist ohne Zweifel, die Person, die den Schrank in der Gruppe 3 als Rita Retsch belegt hatte."Er machte eine Kunstpause "Allerdings", erklärte er sodann den Mitarbeitern, "haben wir ein großes und echtes Problem. Ihre Kollegin Rita Retsch ist namentlich nicht existent.

      Was heißen soll, dass es den Namen Rita Retsch so nicht gibt. Die sogenannte Schwester mit der sie zusammengelebt hatte ist auch verschwunden. Auch diese gibt es namentlich nicht. Alle Papiere, die wir gefunden haben sind echte Papiere mit falschen Daten. Die gesamte Vita der beiden Frauen ist erfunden, aber durch Computer-Manipulationen als richtig und real belegt. Wir stehen vor einem Rätsel.

      Deshalb benötigen wir ihre Hilfe. Bitte teilen sie uns alles mit, was Ihnen einmal sonderbar vorgekommen oder aufgefallen ist. Was hat Rita Retsch Ihnen erzählt, was bei Ihnen anders gemacht wurde, was hat sie getragen, was gar nicht ins Bild passte. Eben jede Besonderheit, alles Ungewöhnliche was Ihnen einfällt." Er schwieg.

      Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wohnheimes starrten ihn an, verständnislos, verblüfft. Dann sahen sie einander an, mit fragenden Blicken, die doch nur wieder den Fragen in den Blicken des Kollegen begegneten.

      "Das gibt's doch nicht", stieß Carina Müller, die Hauswirtschafterin, hervor. "Du hast recht, sowas gibt's doch nur im Fernsehen." Kaum hatte Kirsten Meiheimer- mit zwei Eiern, wie sie immer ihren Namen beschrieb - dies ausgesprochen, als im Saal eine Woge von Stimmen einen undurchdringlichen Lärmpegel aufstaute, der nur langsam abebbte "....denkt denn an so etwas?" hörte man zuletzt die Teamchefin von Team 3.

      Steezer ergriff wieder das Wort. "Wir haben für jeden von Ihnen immer Zeit, sie brauchen uns nur anrufen und ein Beamter ist für sie da, oder er kommt zu Ihnen, oder sie können zu uns kommen. Mehr können wir momentan nicht sagen." Er legte eine Pause ein. "Zuletzt erneut die dringende Bitte. Wenden Sie sich an uns, wenn Ihnen etwas einfällt, das im Zusammenhang mit Rita Retsch steht und ungewöhnlich war- bitte, melden sie sich bei uns, wir haben immer ein offenes Ohr für sie. Wir sind in diesem Fall an allem interessiert, und sei es nur, dass sie eine Stricknadel anders gehalten hat, als sie das kennen." er machte eine Pause "Ich danke Ihnen für ihr Kommen."

      Steezer ging zum Geschäftsführer, sie sprachen ein paar Worte mit einander, dann schien er sich zu verabschieden, ging weg, eine ratlose Gruppe von Mitarbeitern hinterlassend, die zu verblüfft waren, um erneut zu diskutieren.

      "Also, liebe Leute, das muss ich erst einmal verdauen. Ich denke, wir machen für heute am besten Schluss." beendete der Geschäftsführer die Versammlung. Die Mitarbeiter standen auf, aber nur um sich überall im Haus und Garten erneut in kleinen Grüppchen zusammenzutun, damit sie die Informationen erneut diskutieren konnten."Ausgerechnet Rita!" "Die war doch so freundlich zu jedem." "Also, wenn ich von jemandem angenommen hätte, dass der völlig offen ist, dann wäre es Rita gewesen." "Wer hätte das gedacht, dass Rita eine Lügnerin ist." "Sie wäre die letzte gewesen, von der ich so etwas angenommen hätte." "Wer weiß was sie sonst noch gelogen hat." "Wisst ihr noch damals, als die 200€ in der Kasse gefehlt haben- ob sie das auch war?"

      So wurde diskutiert, spekuliert, vermutet, aber jedes Wort war nur ein Ausdruck des hilflosen Unverständnisses gepaart mit, hier wenig dort mehr, Enttäuschung über die Tatsache, dass alle von Rita Retsch, die all die Jahre so systematisch und freundlich gewesen war, so extrem hinters Licht geführt worden waren.

      ***Tagebücher

      An diesem Abend saß Hanna Schneider wie jeden Abend an ihrem Tagebuch. Wie jeden Abend schrieb sie die Ereignisse des Tages auf, egal ob an der Arbeitsstelle, zu Hause, beim Einkauf, oder wo sonst auch immer, am Abend legte sie es in Ihrem Tagebuch ab.

      "Ob ich der Polizei erzähle, dass ich jeden Abend in ein Tagebuch schreibe. Dass ich seit Jahren alle Dienste mit allen Besonderheiten und Vorkommnissen aufgeführt habe. Da kommen ja meine geheimsten Gedanken an den Tag."

      Drei Tage lang überlegte sie, dann rief sie Steezer an.

      "Tagebücher?" fragte er nur", Für jeden Tag Einträge? Seit Jahren?..... Wo wohnen Sie? Gut, in einer halben Stunde bin ich bei Ihnen."

      Eilig füllte sie die Kaffeemaschine auf, schaltete sie an. Sie richtete einen Teller mit Gebäck an, deckte den Esstisch für 2 Personen.

      Als Steezer klingelte

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