Kurzgeschichten. Gisela Schaefer

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Kurzgeschichten - Gisela Schaefer

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doch,“ versicherte Thilo, „aber ich habe keine Zeit dazu, ich muss mich um was anderes kümmern.“

      Er erzählte ihnen von Maries Wunsch und erklärte, wie er ihn erfüllen wollte, verschwieg aber wohlweislich, dass der Plan weniger seiner Bruderliebe, als vielmehr einer kühlen Berechnung entsprang.

      „Wir sind dabei,“ jauchzten sie wie die Kinder, froh, endlich von ihren Kreuzworträtseln erlöst zu werden.

      Bei Sonnenschein, im Morgenrot, im Abenddämmer, auf Wiesen, am Ufer des Sees, vor Mauern, sie trafen sich in den kommenden Wochen wann immer es ging und an allen möglichen Orten und Plätzen. Mal lagen Mathilde und Elmar auf dem Boden, mal Thilo, mal standen sie auf Tischen, mal auf Felsbrocken - Mathilde und Elmar pustend und Thilo mit einer Videokamera filmend. Das Ergebnis ihrer Bemühungen waren am Ende drei volle Film-Spulen.

      Thanners hatten im Wohnzimmer an der Wand einen dieser modernen Großbild-Fernseher und eines Tages als Marie von der Schule heimkam, lief der Seifenblasenfilm. Wie angewurzelt blieb sie stehen und sah mit offenem Mund zu, wie in Zeitlupe riesengroße Kugeln vor einem blauen Himmel schwebten, lange, schillernde Schläuche über eine Wiese waberten, tausend winzige Bläschen zwischen Blumen und Blättern herumquirlten oder in dicken Trauben übers Wasser zogen.

      „Thilo,“ schrie sie in höchster Aufregung.

      Thilo stürzte aus seinem Zimmer. „Mein Gott, was ist denn los, was ist denn passiert,“ fragte er scheinheilig.

      „Die Fee ist passiert, die Seifenblasen sind los,“ antwortete sie außer Atem und konnte

      ihre Augen gar nicht abwenden.

      „Donnerwetter! Das hätte ich nicht geglaubt,“ staunte er.

      „Siehst du, man muss gar nicht auf den Mond und die Gramelation ist auch weg,“ sagte Marie triumphierend.

      „Phänomenal,“ begeisterte sich Herr Thanner, „von mir aus kann es den ganzen Tag laufen … außer zu den Nachrichten und während der Sportschau.“

      „Hinreißend,“ schwärmte Frau Thanner, „und so romantisch und beruhigend für die Nerven.“

      Marie war überglücklich. So oft sie wollte und bei jedem Wetter konnte sie nun Seifenblasen anschauen.

      „Drei Fliegen mit einer Klappe,“ dachte Thilo zufrieden, „Marie hat weniger Zeit für mich, die Familie bewundert ihren Baby-Sitter und ich hatte sogar noch meinen Spaß!“

      Es verging eine ganze Weile, ehe sich Marie an ihren zweiten Wunsch erinnerte.

      „Meinst du, ich sollte ihn nochmal laut aussprechen,“ fragte sie eines Tages.

      „Was? Oh … den zweiten Wunsch, den Unterwasserwunsch … na ja, schaden kann es nicht, aber lass ihr Zeit, bedräng sie nicht, deine Wünsche sind harte Nüsse.“

      „Ich drängle ja gar nicht, ich dachte nur … vielleicht hat sie ihn vergessen.“

      Thilo nickte - höchste Zeit, sich wieder mal den Kopf zu zerbrechen. Das Naheliegendste wäre gewesen, seine Eltern für einen Urlaub am Meer mit Goggle-Maske für Marie zu begeistern. Aber das wäre zu einfach gewesen und hätte auch nicht dem Ziel gedient, seine Schwester hier zuhause von ihm abzulenken und fernzuhalten. Es vergingen ein paar Wochen, dann fand sein kluges Köpfchen die Lösung. Er wälzte Bücher, zeichnete Konstruktionspläne, stellte Berechnungen an, und wählte wieder Mathilde und Elmar als Helfer – sie hatten sich bestens bewährt.

      „Mhm, das lässt sich machen,“ sagte Elmar, die Lesebrille auf der Nasenspitze balancierend, während er Zeichnungen und Erklärungen studierte.

      „Hast du alles verstanden,“ fragte er Mathilde streng, woraufhin sie etwas pikiert antwortete: „Kümmer du dich nur um deine Sachen, ich komm schon klar.“

      Als sie dann aber das wahre Ausmaß ihres Anteils an dem Gemeinschaftsvorhaben vor Augen sah, entfuhr ihr ein kleinlautes: „Ach du Schreck!“

      Auch die Erfüllung des zweiten Wunsches erforderte einen kleinen Kompromiss. Für die letzten Handgriffe wählten die Verschwörer ein Wochenende aus, an dem Thanners einen Verwandtenbesuch mit Übernachtung geplant hatten. Thilo bedauerte zutiefst, nicht mitfahren zu können - eine Erkältung sei im Anmarsch, er spüre es ganz deutlich, im Hals, in der Nase, überall - auf keinen Fall wolle er jemanden anstecken – außerdem müsse er die Klassenarbeit in Mathe vorbereiten - er hoffe nur, kein Fieber zu bekommen, undsoweiter, undsofort. Frau Thanner schaute ihn durchdringend an, aber Thilo hielt ihrem Blick stand und zuckte mit keiner Wimper – manchmal musste man auch mit einer gewissen Härte für seine eigenen Interessen kämpfen. Kaum waren sie abgefahren, als Mathilde, Elmar und Thilo sich ans Werk machten.

      Am Sonntagnachmittag, als die Reisenden zurückkehrten, saßen sie mit Unschuldsmienen im Wohnzimmer. Es duftete nach Kaffee und auf dem schön gedeckten Tisch stand ein selbstgebackener Apfelkuchen, weiß bestäubt mit Puderzucker.

      „Oh,“ sagte Frau Thanner und dachte daran, dass sie eigentlich furchtbar müde war, dass sie das ganze Wochenende über Kuchen gegessen, zu viel geredet und sich auf einen stillen Ausklang gefreut hatte. „Sehr lieb von euch,“ brachte sie tapfer hervor und wurde das Gefühl nicht los, dass in irgendeiner Ecke das dicke Ende lauerte.

      Marie umarmte stürmisch ihre Großeltern und zwängte sich zwischen sie auf das Sofa, munter plappernd wie immer. Auspacken, Umziehen, das konnte warten. Die Stimmung war nicht schlecht, aber Frau Thanner beobachtete mit wachsender Sorge die vielsagenden Blicke zwischen ihren Eltern und ihrem Sohn – verdächtig auch sein Wohlbefinden. Endlich hatten sie genug Kuchen in sich hineingestopft und erhoben sich. Marie öffnete die Tür ihres Zimmers und blieb verdutzt stehen.

      „Mama,“ schrie sie, „mein Bett ist weg!“

      „Was?“ Herr Thanner sprang auf. „Thilo, hier ist eingebrochen worden und du hast nichts davon bemerkt! Mal wieder mit dem Kopf in den Büchern gesteckt … man kann es auch übertreiben. Ihr geht alle durchs Haus und schaut nach, was fehlt. Ich rufe die Polizei!“

      „Immer mit der Ruhe,“ Elmar klopfte seinem Sohn beruhigend auf die Schulter, „wir werden das Bett schon wiederfinden, komm nur mit.“

      Alle eilten in Maries Zimmer. In der Tat, auf den ersten Blick konnte man wirklich glauben, dass Maries Bett gestohlen worden war, denn da, wo es stehen sollte, hing ein Vorhang, blau-grün schillernd, von der Decke bis zum Boden. Nur an einer Stelle war er offen und natürlich stand Maries Bett an seinem gewohnten Platz, nur dass es vom Vorhang vollkommen umgeben und verdeckt war.

      „Geht nur hinein,“ Elmar machte eine einladende Geste in Richtung Marie und deren Eltern. Widerstandslos gehorchten sie – und stellten überrascht fest, dass sie ringsum von Seegras, Korallen und Fischen umgeben waren. Dann wurde es dunkel, weil Mathilde die Rolläden runter ließ - aber nur für einen Moment, denn gleich darauf flammten an allen Wänden Lämpchen auf. Thilo drückte auf die Fernbedienung und der Vorhang begann, sich langsam um das Bett herum zu drehen. Die sanften Wellenbewegungen und das Schillern des Stoffes erweckten den Eindruck, als ob sie mitten in einem Korallenriff wären: Silberne Schwärme von Fischen zogen vorbei, ein rot-blau getupfter Zackenbarsch, bunte Kaiser- und Papageienfische, rote Seesterne, kunstvoll gemusterte Schneckenhäuser, Algen, Seepferdchen - die Illusion war perfekt und sie genossen eine ganze Weile überwältigt und stumm die zauberhafte Unterwasserwelt.

      Wochen hatte Thilo

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