Kurzgeschichten. Gisela Schaefer

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Kurzgeschichten - Gisela Schaefer

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Mit bunten Bommeln, mit aufgestickter Blumenwiese einschließlich Bienen, mit Plüsch-Löwenkopf an einem Ende und …“

      „Warte, warte, nicht so schnell, ich schreib mir alles auf.“

      „Man könnte dazu passende Taschen stricken … sein eigener Modeschöpfer werden … weißt du übrigens, was ein Killer ist?“

      „Ja, das weiß ich!“

      „Kennst du einen?“

      „Nein!“

      „Doch, tust du! Was hast du in Lektion 1 gelernt?“

      „Phantasie.“

      „Da hast du’s … den Killer, meine ich.“

      „Wieso, was …?“

      „Na was schon? Phantasie killt die Langeweile, jede Langeweile. Du hast doch nicht etwa geglaubt, dass man Phantasie nur beim Aufsätzeschreiben einsetzen kann.“

      „Ich kann aber keine Bommel machen.“

      „Gibt’s da nicht in deiner Familie eine Oma namens Mathilde, die ein Genie mit Nadel, Faden und Wolle ist? Geh zu ihr, sie zeigt es dir.“

      „Graue Häkelmäuse auf der Schulter wären lustig, oder?“

      „Mhm, Mäuse mag ich besonders gern. Was liegt sonst an?“

      „Na ja, du weißt ja, wie Eltern sind … immer machen sie sich Gedanken und Sorgen um ihre Kinder, dass sie nicht zu viel fernsehen und nicht zu spät ins Bett gehen … solche Sachen.

      „Das kannst du ihnen nicht verübeln, gehört zum Vater-Mutter-Beruf.“

      „Aber ein ganzes Jahr vorher sich Gedanken machen darüber, ob ich aufs Gymnasium gehen soll oder nicht! Was meinst du?“

      „Falsche Frage, es muss heißen: Was will Marie?“

      „Weiß nicht, hab noch nicht drüber nachgedacht, ist doch noch soooo lange bis dahin.“

      „So lange auch wieder nicht, ein Jahr ist schnell vorbei. In der Zeit müsstest du gute Zensuren schreiben, nicht nur in Handarbeiten und bei Aufsätzen. Sonst nehmen sie dich nicht, ob du willst oder nicht.“

      „Meine Lehrerin hat mich gefragt, was ich werden will. Das wäre entscheidend dafür, welche Schule ich besuche.“

      „Jein.“

      „Was heißt jein?“

      „Ja und nein. Ich erklär es dir, aber sag mir erst mal, was du ihr geantwortet hast.“

      „Entweder Seifenblasen-Künstler oder Meeresbiologin.“

      „Zwei schöne Berufe. Es ist ganz einfach Marie: Wenn du Seifenblasen-Künstler wirst, brauchst du kein Abitur. Wenn du Meeresbiologin wirst, brauchst du es … in beiden Fällen ein ‚Ja‘ zu dem, was deine Lehrerin gesagt hat. Wenn du dir aber alle Möglichkeiten zu diesen beiden oder noch ganz anderen Berufen offen halten willst, was musst du dann machen?“

      „Abitur?“

      „Genau … und das ist das ‚Nein‘ zu ihrer Bemerkung. Oder anders ausgedrückt: Geh aufs Gymnasium und du kannst dir alle Berufe dieser Welt aussuchen. Was spricht dagegen, ein Seifenblasen-Künstler mit Abitur zu werden? Gar nichts! Das wär schon mal klar, oder?“

      „Mhm,“ nickte Marie.

      „Gehört zu Lektion 2: Verstand … ich fange an, mich zu wiederholen.“

      „Aber es ist ziemlich anstrengend, oder?“

      „Was, den Verstand zu gebrauchen? Nur, wenn du es bisher nicht getan hast. Ist so ähnlich wie mit den Muskeln … wenn du sie nicht trainierst, werden sie schlaff und träge.“

      „Glaubst du, ich habe genug Verstand?“

      „Hundertprozent! Hast du doch schon bewiesen, denk an Bettina.“

      „War genau richtig, sonst hätte ich keine Freundin mehr.“

      „Siehst du! Phantasie und Verstand, Marie, das ist alles was du brauchst. Mach’s gut.“

      Ja, Marie machte es richtig gut - und da tatsächlich auch bei Phantasie und Verstand Übung den Meister macht, gelangen ihr immer bessere Arbeiten und Zensuren. Während sie sich aufs Gymnasium vorbereitete, verließ Thilo es, mit Bestnote versteht sich. Er war 15 Jahre alt und als jüngster Mathematik- und Physikstudent an der Universität gemeldet. Wegen seines Alters mieteten Thanners ein möbliertes Zimmer bei einer pensionierten und verwitweten Lehrerin, die ihn auch bekochen und die Wäsche waschen sollte.

      Als alles so weit vorangeschritten war, dass Thilo seine Bücher in Kisten und seine Kleider in Koffer verpackte, dachte Marie an den Auszug von Bettinas Vater – so ähnlich musste es gewesen sein. Erst jetzt verstand sie wirklich, wie einem zumute ist, wenn ein vertrauter Mensch fortgeht. Ob Thilo sie auch umarmen würde? Sie hoffte es. Aber zunächst einmal stand ihr erster Tag im Gymnasium unmittelbar bevor. Sie hatte unruhig geschlafen und als sie aufwachte, schwankte ihre Stimmung zwischen freudiger und banger Erwartung. Sie zog sich an, frühstückte und hatte noch mehr als genug Zeit, um ihr Zimmer aufzuräumen bevor sie sich auf den Weg machen musste.

      „Guten Morgen Marie,“ sagte Trulle.

      Überrascht blickte sie auf.

      „Ich wollte dir nur alles Gute wünschen an deinem ersten und für alle folgenden Schultage … und mich verabschieden.“

      „Ja,“ sagte sie leise, „ich weiß …“, und war dennoch schockiert, „ich wünsche dir auch alles Gute. Schade, dass du gehen musst.“

      „Oh, bloß keine Sentimentalitäten. Du hast alle Lektionen fürs Leben gelernt, also bin ich überflüssig. Sieh mal auf die Uhr, ich glaube, es wird höchste Zeit für dich.“

      „Danke Trulle,“ Marie schluckte schwer, dann rannte sie zum Zimmer hinaus.

      „Ach Thilo, so klug und doch so unwissend,“ dachte Frau Thanner, die durch die offene Tür seine Worte gehört hatte, wohlwissend, dass er nicht mehr da sein würde, wenn Marie heute Mittag zurück käme.

      „Ich mag keine Abschiedsszenen,“ hatte er nur zur Begründung gesagt.

      Marie sah ihren Bruder während der nächsten Jahre nur zu Weihnachten oder mal für ein paar Tage in den Semesterferien. Meistens verkroch er sich in sein Zimmer und steckte den Kopf in Bücher, genauso, wie sie es von ihm gewohnt waren. Irgendwann wurde Maries Zimmer neu eingerichtet und ihr grüner Vorhang verschwand, zusammen mit den Seifenblasen-Filmen, auf dem Dachboden. Nur Trulle stand weiterhin im Regal an der gleichen Stelle wie immer, und noch immer hatte er das eine Ende der Sprechanlage in seinem Bauch, die Thilo ihm einst eingepflanzt hatte. Das andere Ende der Anlage lag gut versteckt in der hintersten Ecke einer Schublade von Maries Kommode. Damals, als er ohne Abschied, ohne sie in den Arm genommen zu haben, verschwunden war, war sie in sein Zimmer gegangen und hatte solange danach gesucht, bis sie es gefunden hatte. Thilo hatte das Fehlen nie bemerkt.

      Sechs

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