Xzentrische Weltzeit Geschichten. Arno von Rosen
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Nur zögerlich bekam er eine Antwort.
„Bei meiner letzten Mission hatte ich unvorhersehbare Störungen meiner Körperfunktionen.“ Wieder verging Zeit, und die beiden standen nebeneinander vor dem Fenster der Brücke, und betrachteten das Spektakel der ersten Eruptionen, die mit gewaltigen Erschütterungen das Gesicht des Planeten für immer verändern würden.
„Was für Störungen?“ Bidmila 5 fühlte ein unbekanntes Verlangen, seinen Gesprächspartner mit erhobener Stimme auszufragen, beherrschte sich jedoch, und fuhr in geschäftsmäßigem Tonfall fort.
„Bitte teilen Sie mir jetzt alle relevanten Daten mit, die für unsere Aufgabe notwendig sind.“
Der Neuling schien seine Haltung zu straffen, sprach aber dennoch sehr leise, als ob sie ein vertrauliches Gespräch in einer belebten Umgebung führen würden.
„Ich war gezwungen eine Leerung vorzunehmen.“
Es war, als ob den Chefinspekteur ein Schlag treffen würde. Er stolperte einen Schritt zurück, änderte die Gesichtsfarbe zunächst in weiß, um anschließen ein dunkles rot anzunehmen, bevor er wieder blass wurde.
„Sie haben auf dem Planeten geleert? Sie haben den Planeten verseucht? Sie … Sie, Sie haben …, haben Sie eine Vorstellung davon, was Sie angerichtet haben?“
Heftiges Kopfschütteln war die Reaktion. Auf der Stirn des Inspektionsleiters entstand eine dicke blaue Ader, die zu pochen anfing, als es aus ihm heraus brach.
„Sie haben die Arbeit von einer Milliarde Zyklen zerstört! Sie kennen doch die Vorschriften, oder? Wir dürfen den Planeten jetzt nicht mehr besiedeln, bis die Kontamination beseitigt ist, und zwar ohne, dass wir selber für die Säuberung sorgen dürfen. Das heißt, dass wir mindestens die nächsten 150 bis 300 Millionen Zyklen abwarten müssen, bis wieder nur Vegetation, oder Basisleben entstanden ist, welches nicht viel höher entwickelt sein darf, als Zellteilung. Ab jetzt müssen wir unsere Besuchsrate verzehnfachen, um den bestmöglichen Zeitpunkt für einen Neustart des Ökosystems nicht zu verpassen.“
Bidmila 5 hatte zittrige Hände, und eine bebende Stimme. Er musste spontan erkrankt sein, da sein Körper in all den Millionen von Jahren, die er jetzt auf dieser Mission unterwegs war, noch nie solche Symptome an sich beobachtet hatte. Das Prozedere für die Meldung an die Flottenleitung kannte er nicht, da er noch nie von einem solchen Fehler gehört hatte.
Jetzt würde sein Projekt, auf dem er seinen wohlverdienten Ruhestand genießen wollte, von unendlich vielfältigen Mutationen heimgesucht werden. Der Planet würde wahrscheinlich sogar ähnliche Geschöpfe hervorbringen, wie er eines war, nur eben ohne besonders zuverlässige Funktionen, und mit verschwindend geringer Lebensspanne. Zeit, die er warten musste, falls es in seinen Lebenszyklus überhaupt noch hinein passte.
Der Bordcomputer meldete sich zu Wort, und gab mit stoischer Ruhe seine Fakten bekannt.
„Nach Berechnung aller verfügbaren Parameter von Nidmila 23, sind folgende Szenarien wahrscheinlich.
Besiedlung des Planetensystems in 100 Millionen Zyklen bei 27,22 Prozent.
Höchste Wahrscheinlichkeit des Neustarts in 347 Millionen Zyklen bei 82,03 Prozent.
Zu diesem Zeitpunkt noch verfügbare Ressourcen bei 11, 31 Prozent.
Mögliches intelligentes interstellares Leben bei 0,07 Prozent.
Neue Sterblichkeit von Nidmila 23 durch Schädigung des Verdauungssystems bei 127,92 Millionen Zyklen.
Errechneter Verlust der Lebensspanne ist 3 Prozent.
Alle Daten wurden bereits an die Missionsleitung gesendet.“
Immerhin, dachte der „Zweite Inspekteur der Milchstraße letzte Außenbahn“ bei sich, verliert sein Schützling zur Strafe auch ein paar Millionen Sonnenumkreisungen Lebenszeit, auch wenn der Gedanke ihn nicht über den Verlust seines Ruheplaneten hinweg helfen konnte. Ganz zu schweigen davon, dass die Planetentechniker wieder Sternenmaterial heranschaffen mussten, um ihre neue Heimat erneut mit Ressourcen zu versorgen. Ein zweiter Trabant wäre die Folge, und damit noch mehr Berechnungen für eine stabile Rotation. Auch die Sonnenumkreisung des Projektes mussten neu stabilisiert werden.
Wieder bekam er dieses heiße Kribbeln im Körper, und Wasser trat aus seinen Poren an Stirn und Nacken. Er hatte das Verlangen, Nidmila 23 anzufassen, und Bilder dieses Aktes bemächtigten sich seines Denkens, als er das erste Mal, seit seiner Geburt vor 92,55 Millionen Zyklen, zu schreien anfing.
„Sie haben unserem Volk einen riesigen Schaden zugefügt! Dafür werden Sie sich persönlich bei allen 74578 Bewohnern unserer 346 Sonnensysteme entschuldigen, ach Unsinn, um Verzeihung werden Sie alle bitten müssen. Eine Entschuldigung gibt es dafür nicht, dass Sie einfach auf dieses …, dieses“, er suchte nach den richtigen Worten, die für eine solche Situation angemessen erschienen, „auf diese Erde geschissen haben!“
Der Schiffscomputer meldete sich ordnungsgemäß aus dem „Off“.
„Verlust der Lebenserwartung von Bidmila 5 durch erhöhte Dysfunktion des cerebralen Kortex liegt bei 5,62 Prozent.“
Die Augen des Chefingenieurs fingen an Funken zu sprühen, als er sich der Zentraleinheit des Bordsystems zuwandte.
„Ach, halt doch die Fresse, Du Schrotthaufen!“
2. Die Höhle
„Sagen Sie mir nicht, was ich nicht weiß, Koller, denn dafür bezahle ich Sie nicht. Sorgen Sie nur dafür, dass wir die Höhle finden, um den Rest kümmere ich mich dann schon, verstanden?“
Friedrich Koller blieb gelassen neben der Forscherin stehen, und ließ den Wutausbruch an sich abperln. Es war nicht das erste Mal, dass Sybille Berger sich über etwas beschwerte. Im Gegenteil, ein Tag ohne emotionale Ausbrüche, hätten ihn misstrauisch gemacht. Bereits als sie die Reise vor zwei Jahren planten, war er sich der kommenden Schwierigkeiten bewusst gewesen, und er hatte sich darauf eingestellt.
„Wir sind auf dem richtigen Weg, Frau Berger. Nach meinen Berechnungen haben wir die Koordinaten in wenigen Stunden erreicht, aber wir müssen jetzt eine Pause machen. Die Träger sind müde, und Sie wollen doch nicht, dass sie uns hier alleine zurück lassen, oder?“
Die Frage war natürlich rhetorisch gemeint, denn es stand außer Frage, dass sie alle Ruhe benötigten, damit sie heute noch ein Lager bei der „Toca da Boa Vista“ Höhle errichten konnten. Schmollend setzte sich die Ethnologin auf einen abgestorbenen Baumstupf, und trank einen Schluck aus ihrer Feldflasche. Ihre sechs Begleiter stellten die mitgeführten Vorräte ab, und hatten in Windeseile ein kleines Lager mit Kochstelle eingerichtet.
Nach der Mahlzeit war die Stimmung entspannter, und auch die Träger zogen genüsslich an ihren Zigaretten.
„Ich will nur keine Zeit mehr verlieren, Friedrich. Ich habe schon so lange gewartet. Gewartet auf meinen Studienabschluss, auf meine Doktorarbeit, meine Forschungsgelder für dieses Projekt. Jetzt darf nichts mehr schief gehen. Das verstehst Du doch?“
Natürlich verstand Koller. Jeder in Deutschland konnte das verstehen. Sybille hatte ihren Vater mit drei Jahren