Bill & Bill. Xaver Engelhard

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Bill & Bill - Xaver Engelhard

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Spaziergang tragen durfte, tief ins Gesicht, aber anstatt wie sonst über seine Scherze zu lachen, schimpfte ihn seine Mutter mit einer Wut, die er an ihr nicht kannte.

      „Das gehört sich nicht“, behauptete sie. „Das ist alles Gesindel.“ Und sie meinte nicht die Bösewichter, die er imitierte.

      Aber er ließ nicht locker! Ein Freund - Bill bewunderte ihn besonders wegen seiner langen, lockigen Haare und der Tatsache, dass ihn seine Eltern gelegentlich mit dem Auto zur Schule brachten - berichtete von seinen Auftritten als Komparse in einem Theater am Broadway und ließ sich durch Betteln und Schmeicheleien dazu erweichen, auch Bill Zugang zu verschaffen zu dem kleinen, ruhelosen Herrn, der all die Gestalten bereitstellen musste, die gelegentlich auf der Bühne zu sehen waren, ohne dass sie etwas zu sagen oder Wichtiges zu tun hatten. Bill wurde für die nächste Produktion ausgewählt und war außer sich vor Freude. Seine Mutter wollte es ihm verbieten und willigte erst ein, als sie erfuhr, wie wenig Geld er dafür bekommen würde. Eine Liebhaberei, wie sie auch einem Gentleman gut zu Gesicht stand! An drei Abenden die Woche gab er also den Jungen in Knickerbockers, der mit einem Stock einen Reifen über den hinteren Teil der Bühne trieb, bis ihn das Kommando einer Frau in Rosa ereilte, an deren Seite er nun noch einige Zeit auf einer Gartenbank zu sitzen hatte. Nancy, die der Generalprobe beiwohnen durfte, war hingerissen. „Vielleicht bist du ja wirklich ein kleiner russischer Adliger!“, rief sie glücklich aus, während er das Eis verschlang das sie ihm auf dem Weg nach Hause zur Belohnung gekauft hatte.

      Die Schule war eine Zumutung. Allenfalls Erdkunde, wo er sich über die Länder, in denen sein Vater gekämpft hatte, und andere Orte, die Ruhm oder wenigstens Reichtum versprachen, informieren konnte, so wie Sport interessierten ihn. Er übte jeden Morgen eine halbe Stunde mit Hanteln und Expandern und lernte je eine Viertelstunde spanische und malaysische Vokabeln, um sich auf seine Arbeit als Abenteurer vorzubereiten. Und er brachte es zu einer gewissen Fingerfertigkeit im Umgang mit Spielkarten, denn jeden Freitagabend trafen sich er und ein paar Jungs aus der Nachbarschaft in einem Heizungskeller, zu dem ihnen der Sohn der Hausmeisters Zugang verschaffte. Dort spielten sie die ganze Nacht hindurch, bis sie im Morgengrauen benommen die Treppe hoch wankten. Es ging um Pennys; und trotzdem kam es immer wieder vor, dass einer von ihnen seinen ganzen Besitz inklusive Taschenmesser, selbstgebastelter Raumschiffpistole und zerfledderten Comic-Heften verlor. Das Bier, die paar Tüten Kartoffelchips, die Zigaretten reichten für zwei, drei Stunden; und dann gab es nur noch den wackeligen Tisch, die fünf oder sechs Gesichter und die Karten. Sie sprachen immer weniger, rieben sich den Schlaf aus den Augen, gelegentlich schleppte sich einer nach oben, um gegen die Mülltonnen zu pinkeln, manchmal nickte einer kurz ein und ließ den Kopf auf die Brust sinken, aber es war wie ein Zauber: Keiner der Jungen ging vor dem Morgengrauen; und nichts konnte sie daran hindern, sich am nächsten Freitag wieder in dem Heizungskeller einzufinden. Nie empfand Bill den Morgen intensiver, als wenn er nach einer solchen Nacht an die frische Luft trat. Der graue Himmel barg ein Geheimnis; die Steine der Stadt waren ein Versprechen.

      Er bekam eine kleine Rolle in einer Komödie, die sich mit den amourösen Problemen witzigen Werbegesindels beschäftigte. Die Schauspielerinnen in der Garderobe behandelten ihn wie ihr Maskottchen. Sie bemutterten ihn einerseits, andererseits machten sie ihn zum Objekt anzüglicher Scherze, denn sie spürten bereits etwas von der Attraktivität, die er später auf Ihresgleichen ausüben sollte. Ein echter Herzensbrecher wachse da heran, versicherten sie einander kichernd und richteten ihre Strümpfe. „In ein paar Jahren werden sich die Frauen prügeln um ein Wochenende mit ihm in Havanna“, behauptete eine große Brünette, die nicht nur in dem Theaterstück die eifersüchtige Intrigantin spielte. Er nickte zustimmend und schlug den Kragen seines Hemds hoch, wie er es sich seit ein paar Wochen angewöhnt hatte.

      „Und du wirst die erste sein, die ich dorthin einlade, Betty“, versprach er ihr. „In meinem Herzen wird immer ein Platz für dich reserviert sein.”

      Sie lachten und klatschten sich auf die nackten Schenkel. Sie bewegten sich in seiner Gegenwart ganz ungeniert in Unterwäsche, hatten das Gesicht voll Fettcreme und das Haar voller Nadeln; und er empfand dies als Herablassung ihm gegenüber und nicht als Privileg, das er nur mit dem Friseur und dem schwulen Bühnenassistenten teilte, und er nahm es ihnen übel, auch wenn er sich bei ihnen deutlich wohler fühlte als bei den Männer, die sich in seiner Gegenwart über Baseball und Autos unterhielten, ansonsten aber hinter vorgehaltener Hand tuschelten. Nur manchmal erzählten sie ihm schweinische Witze; und es fiel ihm schwer, über diese zu lachen, und das zum einen, weil er sie nicht immer verstand, und zum anderen, weil er sie instinktiv als ungehörig den Frauen gegenüber empfand.

      Ein paar Monate später verliebte er sich in ein Mädchen mit Faltenrock und Perlenkette, das er manchmal im Park sah, wo es zwei Hunde ausführte, langbeinige, hochnäsige Geschöpfe wie sie, und er verzagte trotz seiner schon mehrfach erwiesenen Unverfrorenheit vor der Aufgabe, sie anzusprechen und zu einem Eis aus einem der bunten Karren einzuladen. Er war ihr, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, bis zu ihrem Haus in einer der Querstraßen, die auf den Park zuliefen, gefolgt, hatte beobachtet, wie sie in der ganz in Marmor gehaltenen Eingangshalle verschwand, und war dann vor dem grimmigen Blick des Portiers geflohen. Von nun an kam er jeden Tag gleich nach der Schule hierher und wartete, und das oft umsonst. Zweimal noch folgte er ihr und den Afghanen durch den Park. Beim dritten Mal, zehn Tage, nachdem er sie zum ersten Mal gesehen hatte, fasste er sich ein Herz, trat mit dem Mut, mit dem andere sich von einer Brücke stürzen, an sie heran, und fragte sie, obwohl es ein wenig regnete, mit belegter, kaum verständlicher Stimme, ob er sie auf eine Erfrischung einladen dürfe. Sie wandte sich ihm zu, musterte ihn wie einen Idioten und wölbte die schmalen, bereits gezupften Brauen.

      „Ich glaube nicht“, sagte sie und setzte im Gefolge der tänzelnden Hunde ihren Weg fort. Er hätte sich am liebsten vor Scham tief unter der Erde verkrochen, weit unter der Subway noch, mit der er immer zum Park fuhr, und hasste nicht sie, sondern sich selbst und sein Leben inkognito, im Wartestand. Dieses wurde ihm unerträglich. Er schenkte Betty Blumen zu ihrem Geburtstag und eine Schachtel Pralinen; und das Lachen, mit der sie und die anderen Frauen dieses Geschenk kommentierten, klang ihm wie Hohn. Zu seinem 15. Geburtstag wünschte er sich ein Paar schwarz-weißer Schuhe und bekam es auch, nur hatte seine Mutter es vorsichtshalber zwei Nummern zu groß gekauft. Kaum hatte er dies bei der ersten Anprobe entdeckt, packte er die Schuhe, stopfte sie in den Mülleimer und rannte hinaus.

      Er hatte das Meiste von seiner kleinen Gage gespart. Er schob einen Arm tief zwischen die Stapel frisch gemangelter, mit verschiedenen Monogrammen versehener Laken in dem riesigen Schrank, der fast das ganze Schlafzimmer einnahm, förderte von dort den Schatz seiner Mutter, eine Tüte voll zumeist kleiner Scheine, zutage und steckte ihn ein. Er kehrte in die Wohnküche zurück, wo er bisher auf der Couch geschlafen hatte, und packte den einzigen Koffer. Das blütenweiße, noch ungetragene Hochzeitskleid, das samt Schleier in diesem gelegen war, hängte er auf einem Bügel an den Küchenschrank und befestigte mit einer Stecknadel ein Blatt aus einem seiner Schulhefte daran, auf das er Vielen Dank für alles! geschrieben hatte. Er fuhr zur Central Station, wo er überrascht feststellte, dass Havanna keine Stadt im Süden der Vereinigten Staaten war, kein exotischer Felsvorsprung der biederen Kontinentalmasse, sondern auf einer eigenen Insel in der Karibik lag.

      „Umso besser!“, erklärte er dem Schalterbeamten, der zögerte, ihm das Ticket nach Florida auszuhändigen, und mit der Versicherung beruhigt wurde, dass Bill nicht selber fahren werde. „Leider! Aber Schule ist nun einmal Schule, nicht wahr? Ich helfe nur meinem Onkel aus Omaha, für den schon Manhattan so fremd ist wie für uns Havanna.” Er lachte, stellte sich auf die Zehenspitzen und deutete auf einen Kiosk. „Er sucht da drüben noch nach einem Reiseführer. Den hätte er ohne mich schon für Manhattan gebraucht!”

      Er hatte nur eine vage Vorstellung von dem, was ihn erwartete. Er hatte von Kasinos und Musik gehört, vor allem aber von den Frauen. Schon jetzt, da er kaum über den Anflug eines Oberlippenbarts verfügte, ließ er erkennen, dass er Frauen vergötterte und für den Inhalt eines echten Männerlebens hielt. Er lächelte ihnen auf der Straße entgegen, hielt ihnen die Tür auf und stellte

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