Bill & Bill. Xaver Engelhard

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Bill & Bill - Xaver Engelhard

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Zombie-Mobil! Sie verschränkt die Arme und grinst anerkennend. Schreib mir ne Karte, falls du es wirklich bis hoch schaffst! Und grüß die Anderen! Sag ihnen, dass ich froh bin, nichts mehr mit ihnen zu tun zu haben. Diese Karre war das letzte Erinnerungsstück, und ich kann dir beim besten Willen nicht mehr sagen, warum ich sie deinem Dad unbedingt abschwatzen musste. Naja, immerhin ist es mir damit gelungen abzuhauen. Sonst würde ich vermutlich immer noch Bens Schmerzmittel schnorren und zuschauen, wie er und die ganze Stadt allmählich vor die Hunde gehen. Gib ihm nen dicken Kuss von mir! Dahin, wo er es am liebst hat! Ich bin sicher, du hast im Knast ein bisschen üben können.

      Ich hasse sie und weiß, sie sind alle nur Gespenster, die ihr ewiges Gerede nicht retten kann. Als könnten sie sich hochziehen an der Blasenkette, die aus ihren Mäulern steigt, hoch zum Licht! Ich schiebe den Wahlhebel nach oben, drücke aufs Gas, lass Kies spritzen und nehme Kurs auf die Brücke. Es dämmert schon; und bald kommen sie mir in endloser Reihe entgegen, Schlafwandler, die in diesem Leben nicht mehr erwachen werden.

      Bill sah, wann immer er Zeit dazu fand, den Croupiers und Dealern zu. Ihm imponierte vor allem ihre stoische, vom Lauf der Kugel, vom Fallen der Karten distanzierte Haltung. Das Schicksal veranlasste die Spieler an ihren Tischen dazu, vor Freude oder Schmerz aufzuschreien, ihren Talisman zu betasten, die Finger zu kreuzen, die Hände vor dem Gesicht zusammenzuschlagen, während die Kasino-Angestellten völlig unbeteiligt blieben und keinen Anteil zu nehmen schienen an dem Drama, dass sich unmittelbar vor ihnen und auf ihre Veranlassung hin abspielte. Er lauschte den Croupiers, wenn sie sich, was selten genug vorkam, dazu verleitet ließen, von ihren Jahren an der Côte d’Azur oder in Atlantic City und ihren Begegnungen mit legendären Hasardeuren und raffinierten Betrügern zu erzählen. Er nahm Unterricht bei Leon, einem der erfahrensten Dealer; und im Frühjahr brach sich einer von dessen Kollegen bei einer Schlägerei die Hand. Diese hatte außerhalb der Arbeitszeit stattgefunden; und es war um eine Frau und nicht um Geld oder Drogen gegangen, aber die Kasino-Leitung kündigte ihm trotzdem, weil er gegen den ungeschriebenen Ehrenkodex verstoßen hatte. Bill erhielt die Chance, auf die er so lange gewartet hatte, und begann an einem der billigen Tische am Nachmittag.

      Die Stimmung im Kasino war ausgezeichnet. Es gab zwar gelegentlich Bomben in einem Kino, Brandstiftung in einer Raffinerie, Attentate auf Kasernen, Stromausfälle, Demonstrationen und Staatsstreiche, aber das alles wirkte auf die Gäste, sofern sie überhaupt davon Kenntnis nahmen, wie Elemente eines konfusen Intrigenspiels, das zu ihrer weiteren Unterhaltung aufgeführt wurde. Die Bauernaufstände und Militärrevolten schienen sich regelmäßig zu wiederholen und erhielten dadurch eine absurde, irgendwie komische Note. Bill kümmerte sich wie die meisten expatriates kaum um die politische Situation und hätte nicht zu sagen gewusst, wer der aktuelle Machthaber war.

      Es vergingen zwei Jahre. Bill war inzwischen im Kasino etabliert und arbeitete abends an den teuersten Tischen. Er war umgezogen und wohnte bei einem so gut wie tauben Zahnarzt und dessen Frau nahe der Endstation der Linie 17. Er war in eine Tänzerin verliebt, die ihm Pierre vorgestellt hatte, damit er ihr über den Tod ihres Manns hinweghelfe, eines Stierkämpfers, der nach Mexiko zurückgegangen war und schon in seinem ersten Kampf nach mehrjähriger Pause in der Arena von Cuernavaca aufgespießt wurde. Sie hieß Nina und bot einen spektakulären Anblick, wenn sie den Malecon entlang eilte und der Wind und ihre langen Schritte den Rock über die Knie rutschen ließen und die Jacke oder eine dünne Weste hinter ihr her flatterte wie lose Segel. „Glorios!“, hatte Bill gestammelt, als er ihrer das erste Mal ansichtig geworden war. Ein Abgrund schien sich aufzutun zwischen ihr und den normal Sterblichen. Ihre Schönheit war tröstlich und vernichtend zugleich.

      Sie war Tochter eines norwegischen Seemanns, der von ihrer Existenz nie erfahren hatte. Im Tanz, einer langsamen Habanera mit schmachtenden, glutvollen Blicken, die das nordische Herz zerschmolzen, hatte sie ihren Ursprung; und Tanzen war alles, was sie wollte. Bill machte sein Herz zu ihrem Tempel und weihte ihr sein Leben. Er überhäufte sie mit Geschenken. Er liebte es, mit ihr in den Boutiquen in der Rampa, der Straße mit den teuersten Läden, einzukaufen. Ein Kleid dort kostete ihn einen ganzen Monatslohn, aber die Verkäuferinnen waren fast genauso schön wie Nina; und ihm wurde ein Sofa oder ein barocker, mit Schnitzereien und Blattgold verzierter Stuhl zurechtgerückt, damit er von der ersten Reihe aus miterleben konnte, wie seine Göttin aus dem Umkleideraum trat. Bill rührte in einem Kaffee oder nippte an einem Cognac. Eine Tür ging auf; ein Vorhang wurde zurückgerissen; die Verkäuferinnen schlugen beglückt die Hände vor der Brust zusammen; die Chefin, die sich durch Perlen, einen ausländischen Akzent und mal grau, mal blau melierte Haare auszeichnete, blickte kurz von den Rechnungen oder den Modezeitschriften auf, in denen sie blätterte, und nickte anerkennend; und Bill lächelte selig, ganz verzaubert von dem Anblick, der sich ihm bot und der auch auf alle anderen Anwesenden derart berückend wirkte, dass man es den beiden in keinem der Geschäfte, die sie besuchten, übel nahm, wenn sie wieder nur eine Bluse oder eine Hose kauften oder manchmal auch nur ein Seidentuch. Und diese Nachmittage fanden ihren krönenden Abschluss, wenn Bill, zwei, drei Einkaufstüten in dem einen Arm, in dem anderen die noch von der Aura des so eben erst abgelegten Chanel-Kostüms oder der schweren Herzens zurückgelassenen Balenciaga-Robe erfüllte Nina, den Weg hinunter zum Hafen einschlug, wo sie sich ein Zimmer in einem hotelito nahmen, einem der bei der lokalen Bevölkerung so beliebten Stundenhotels. Die moderigen Gassen, in denen auch tagsüber ein paar Prostituierte standen, die wissenden, mal verschämten, mal herausfordernden Blicke, die ihnen andere Paare in dieser Gegend zuwarfen, die schwarze Holztür, die sich, so schien es ihnen, nur zu zweit und mit ganzem Einsatz beider Körper aufdrücken ließ, das kurze Geplänkel mit der ein wenig verkommenen Dame hinter dem kleinen Fenster im Flur, die schmale und steile, eng sich wendelnde Treppe, Ninas Hintern, der unter dem Kleid hin und her schaukelte, der Saum, der ihre Schenkel streichelte, ihre muskulösen Waden, die von hohen Absätzen gestützten Fersen, der finstere Gang, der ein wenig nach Schmierseife roch, vielleicht ein Stöhnen irgendwo, ein erstickter Schrei, ein paar traurige Topfpflanzen, die vielen Türen mit den Nummern und dann endlich die ihre, meistens die 23, manchmal die 34, der Schlüssel, das Schloss, endlich das kühle, ganz verdunkelte Zimmer, in dem es ein großes Bett gab, einen Tisch, eine Emailkanne, eine Waschschüssel, ein zerschlissenes Handtuch und sonst nichts: Das alles schuf eine köstliche, am Ende fast, aber eben nur fast nicht mehr zu ertragende Spannung, die sich immer noch weiter steigerte und kein bisschen nachließ, während sie einander die Kleider von den inzwischen glänzenden, leicht feuchten, delikat nach Schweiß, Moschus und den zwei, drei Parfümproben an Ninas Handgelenken riechenden Leibern streiften und auf dem rauen Laken niedersanken und ihren Händen, ihren Mündern ihren Willen ließen.

      Jeden Samstag bauten drei Kellner auf hohen Leitern an einer Pyramide aus Kristallkelchen. Gegen Mitternacht wurde Magnum um Magnum hinaufgereicht und in das oberste Glas geleert, über dessen Rand der Champagner dann in die Gläser darunter perlte, bis auch diese überliefen und die nächste Etage füllten und immer so weiter. Im Ballsaal wechselten zwei Orchester einander alle halbe Stunde ab: die Jimmy-Dawson-Seven für den Swing und Mario Souza mit seinen schnauzbärtigen Mambas für den Mambo. Die Gäste tranken, tanzten und spielten, bis es hell wurde und oft noch weit darüber hinaus; und es war Brauch, kurz vor Sonnenaufgang die schweren Vorhänge vor den deckenhohen Fenstern zuzuziehen, damit niemand sich durch den nahenden Tag belästigt oder zum Gehen gezwungen fühlte. Die Frauen waren schön und hemmungslos, die Männer reich und waghalsig; und das Geld wurde weggeworfen, als wäre es Ballast.

      Yo me quiedo solo / Estas cubierta de oro / Veo como te hundes, sang Mario mit der Trompete und einem weißen Tüchlein in der Hand. Die, die am Kartentisch oder Roulette alles verloren, glaubten sich endlich von einer Sünde gereinigt und luden wahllos ein, dies mit ihnen zu feiern. Das Ende stand vor der Tür, und jeder wollte sich noch einmal von seiner besten Seite zeigen.

      Und jeden Samstag fand sich ein betrunkener Trottel, der ein Glas aus der untersten Reihe der Champagner-Pyramide ziehen wollte und von den Kellnern in weißen Jacken niedergerungen werden musste, damit er nicht den kostbaren Glasturm vor der Zeit zum Einsturz brachte. Meist trug der Saboteur ein Hawaiihemd, was allein schon ein entsetzlicher Affront war hier in der Karibik, oft war er ein unermesslich reicher

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