Bill & Bill. Xaver Engelhard

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Bill & Bill - Xaver Engelhard

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beizukommen war; und man vermisst es nicht, wenn man es eh nicht kennt, denn ich wusste ja nicht, dass man eigentlich das Haus verlässt und mit anderen in die Schule geht, und als ich nach ein paar Jahren doch auf ein Walldorf-inspiriertes Privatinstitut für Problem- und Spezialfälle komme, bin ich kaum schlechter als die anderen, denn die haben ihre Kindheit mit Wachsmalkreiden und Klanghölzern zugebracht und können ihren Namen besser tanzen als schreiben, während ich längst orthographisch korrekt, wenn auch völlig benebelt aus einem Märchenland jenseits des vertrauten Raum-Zeit-Kontinuums berichte und mir wegen meiner Noten keine Sorgen zu machen brauche, weil egal, was passiert, Princeton nimmt mich eh wegen der Spende von Urgroßvater, und wenn ich damit fertig bin, gehe ich an die Wall Street und verkaufe Anleihen oder Aktien oder sowas, was in Ordnung ist, so lange ich mich nicht daran verliere und nicht vergesse aufzuhören, sobald ich ein Vermögen gemacht habe und mich wesentlichen Interessen widmen kann wie Rosen oder Kitchener oder einem Setter wie Sam, irgendwas, Hauptsache, ich werde nicht von Gier getrieben, Ehrgeiz oder praktischen Interessen und entkomme dem Räderwerk der Zeit und lasse mich nicht zerfleischen, denn nichts bildet den Gentleman wie die Muße; und ich helfe ihm dabei, bin sein Lehrling, und reiche ihm die Scheren, Messer, Schaufeln und Sprühbehälter für die Rosen, schleppe seinen Fotoapparat mit dem Holzstativ, frisiere Sam, setze ihn ins Licht und sorge dafür, dass er stillhält während der halben Sekunde, welche die verdammte Plattenkamera für eine Aufnahme braucht, und schreibe jeden Tag einen Aufsatz, in dem die Abenteuer meines alter egos Superchunk mit Flügeln aus Kodein und Alkohol klingen wie ein Polizeireport.

      Erst Doro hat mir den Zusammenhang erklärt. Dieser verfluchte Hustensaft! Kein Wunder, dass ich lieber krank als gesund war; und kaum bin ich mal gesund, muss ich raus in den Regen und halbnackt ums Haus rennen oder Krocket spielen oder auf den Sandsack einprügeln wie die Große Weiße Hoffnung persönlich, damit ich nur ja schnell wieder krank werde und unter Decken zu liegen komme, die mich erdrücken wie die Arme des Kraken, in einem Bett, das schwankt wie Hucks Floß inmitten einem Dschungel, der über mir zusammenschlägt wie ein grüner Ozean voll Ungeheuern, benommen nicht vom angeblichen Fieber, sondern von dessen Kur, dem unfehlbaren Toddy, dem universellen Heilmittel für Beschwerden körperlicher wie seelischer Natur, das sie sich bei jeder Gelegenheit auch selbst verabreicht hat, und zwar in immer größeren Dosen je mehr von ihrem Geld verschwunden ist bei Großvaters undurchsichtigen Spekulationen.

      Ich frag mich, ob sie Mittagsschlaf macht. Wird sich nicht viel geändert haben daran. Könnte meine Uhr gebrauchen, wünschte, ich hätte sie noch, das Werkzeug deines Henkers, die Streckbank, die dir das Herz zerreißt und jeden Tag das Geständnis abpresst, nichts zu sein und nichts zu wissen, was auf mich irgendwie plausibel wirkte, weil hinter dem Glasboden eine goldene Sichel hin und her raste und Zahnräder unerbittlich ruckten, und die Schadenfreude war unüberhörbar, als er sie mir überreichte, die Maschine, die nur Zerstörung schafft und mehr Menschen getötet hat als alle Kriege zusammen, eine Art Initiation, etwas, um das Ende meiner Kindheit zu markieren, meiner Unschuld, und von da an spüre ich sie tatsächlich, eine zentrifugale Kraft, welche die ursprüngliche Einheit zerstört hat und uns als vereinzelte Partikel unerbittlich immer weiter ins Nichts treibt, in ein eisiges, einsames Exil, und ihr entgegengesetzt ein wortloses Sehnen nach Erfüllung, Ergänzung, Vollkommenheit, ein verzweifeltes Verlangen, irgendwie dem expandierenden Verhängnis zu entkommen und aus der Verbannung heimkehren zu dürfen und Vergebung zu erfahren, bedingungslose Aufnahme und Glück.

      Hey, Mister, was tun Sie da?

      Was geht dich das an? Ich besuch meine Großmutter. Ich habe mal hier gewohnt.

      Bei der Hexe?

      Welcher Hexe?

      Na der hier! Er verdreht die Augen, als wäre ich schwer von Kapee. Ein Zwerg mit Micky-Mouse-Ohren! Sie fängt kleine Kinder, nagelt sie mit den Füßen an einen Balken im Keller und holt sich jeden Abend nen Liter Blut, aus dem sie Suppe kocht.

      Falls das stimmt, haben sie es bestimmt nicht anders verdient. Bonanza-Räder, so hießen die Dinger. Dachte, die sind längst ausgestorben. Schauen aus wie neu. Kann mir nicht vorstellen, dass die beiden kleinen Pisser irgendwas von der Schrotthalde holen. Nicht in dieser Gegend! Wyatts kleine Brüder! Der bei ihr lag. Der …

      Helfen Sie ihr?

      Ich bring ihr gelegentlich frische Beute. Wenn ihr mit reinkommt, zeige ich euch, wie’s geht.

      Den Trick kennen wir. Unsere Eltern haben uns vor Typen wie Ihnen gewarnt. Schmutzigen alten Männern!

      Ich bin nicht alt. Nur von der Zeit gezeichnet, dem bleichen Schrecken.

      Dann geben Sie also zu, dass Sie schmutzig sind! Triumphales Lachen.

      Alle Erwachsenen sind das! Verdorben vom Wissen, verstoßen seit wir fragen nach dem Sinn.

      Haben Sie es schon einmal mit Waschen versucht? Noch mehr Lachen.

      Ich mache einen Schritt auf sie zu. Sie verschwinden wie Gespenster. Miese kleine Quälgeister, aber sie wissen nicht. Noch nicht!

      Der hämische, weiß geschminkte Conférencier hatte das alte Jahr um Mitternacht ausgezählt wie einen angeschlagenen Boxer, der nicht mehr auf die Beine kommt; die Sylvester-Gesellschaft im Casino hatte gejubelt wie über einen vermeintlichen Sieg; die Mambas hatten einen Tusch gespielt; und die hektische, spannungsgeladene Stimmung, die ohnehin über der ganzen Insel lag, hatte sich zu einem frenetischen Tanz am Abgrund gesteigert und erst wieder beruhigt, als die Sonne aufging und offenbarte, dass sich nichts geändert hatte. Die Gäste wurden plötzlich müde und gingen nach Hause; die Musiker packten Noten und Instrumente ein; die Kellner begannen, die überall herumstehenden Gläser und Teller einzusammeln.

      Ein paar letzte Spieler belagerten Pierres Tisch. Bill hatte seine Karten längst weggepackt und sah seinem Freund zu, wie dieser mit grauem Gesicht stoisch seiner Arbeit nachging. Endlich hatte einer der Aufseher, die mit hinter dem Rücken verschränkten Händen durch die Säle schlenderten, ein Einsehen und gab mit einem Nicken die Erlaubnis, Schluss zu machen; und Pierre durfte dem leisen Protest der Süchtigen zum Trotz zum letzten Spiel aufrufen. Er kontrollierte noch einmal die Chips, überreichte sie dem Kontrolleur und breitete, als sich die Gäste dem Gehen und vielleicht weiteren Vergnügungen zugewandt hatten, mit Bills Hilfe eine schwere Plane über sein Roulette.

      „Wurde auch Zeit“, stieß Pierre zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

      „Du wirkst, als könntest du die Pause gut gebrauchen.“

      „Du etwa nicht?“ Pierre warf Bill einen verwunderten Blick zu. Seit Weihnachten arbeiteten sie praktisch ohne Unterbrechung und hatten dafür jetzt vier Tag frei.

      „Doch!“ Bill grinste. „Und ich verspreche dir, du wirst über die Mädels staunen. Tänzerinnen im Tropical!“

      „Dann kenne ich sie schon! Ich kenne sie alle, die sogenannten Tänzerinnen vom Tropical.“

      „Nein wirklich! Sie sind echte Tänzerinnen. Ich habe ihre Schenkel geprüft. Hart wie Stahl!“

      „Und mit denen schneiden sie uns vermutlich den Kopf ab oder etwas noch Wichtigeres!“

      „Es gibt nur einen Weg, herauszufinden, ob das stimmt.“

      Sie machten sich auf den Weg zum Personalausgang und winkten den Putzfrauen zu, die bereits damit beschäftigt waren, die gröbsten Spuren der Gala zu beseitigen, damit möglichst bald der Alltagsbetrieb wieder aufgenommen werden konnte. Die Freunde gelangten zum Parkplatz hinter dem Kasino und stiegen in Pierres zweifarbigen Fiat Millecento, einem der ganz wenigen Exemplare auf der Insel, der aus einem fehlgeschlagenen Versuch stammte, die italienische Marke

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