Bill & Bill. Xaver Engelhard

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Bill & Bill - Xaver Engelhard

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      Ich will sie besuchen.

      Alles zu seiner Zeit! Zuerst einmal wirst du dich anständig anziehen müssen. Sie seufzt. Die Hosen sind ja ganz verwaschen. Wenn du willst, kannst du nachsehen, ob dir einer von Alex’ Anzügen passt. Du hast ungefähr seine Statur, wie du ihm überhaupt sehr ähnlich bist. Und er hatte diesen ausgezeichneten Schneider, der einmal im Jahr in die Stadt gekommen ist, um Maß zu nehmen. Aus der Savile Row! Ich habe sie alle aufgehoben. Ich habe es nicht über das Herz gebracht, sie der Heilsarmee zu geben. Heutzutage ist ohnehin auch der letzte Landstreicher fetter, als es dein Großvater je war. Und ich habe Platz genug! Ich hebe alles auf. Auch seine Lichtbilder! Von dir und von deiner Mutter!

      Und von Sam, ich weiß.

      Weihnachten! Sie hat mir an Weihnachten geschrieben.

      Wer? Mutter?

      Deine Schwester! Ich war sehr überrascht, denn ich hatte zwei, drei Jahre lang nichts von ihr gehört.

      Hast du den Brief noch?

      Die Karte! Es war nur eine Weihnachtskarte, aber ich habe sie selbstverständlich aufgehoben. Die Leute schreiben ja nicht mehr so viel. Meine Enkelkinder am wenigsten von allen! Sie sieht mich an, und ich weiß, aber was hätte ich ihr sagen sollen, irgendwem, über das immer Gleiche, das Warten und Hassen, das sinnlose Lärmen derer, die tags prahlen mit ihrer tätowierten Verworfenheit und nachts blöken wir Lämmer im Schlachthof.

      Ist sie hier irgendwo? Ich sehe mich um.

      Hier? Hier bestimmt nicht! Hier habe ich nichts mehr zu sagen. Hier ist das Reich von Germaine, die zweimal am Tag kommt und tut, was sie will. Nein nein! Alles, was mir wichtig war, ist oben im Speicher in einem seiner Kartons. Du kennst ja Großvater: Kein Haus war besser bestellt als das seine. Die Anzüge hängen im Ankleidezimmer. Ich erinnere mich an einen braunen aus Kaschmir mit hellem Seidenfutter. Drei Knöpfe und zwei Schlitze, wie er sie getragen hat, seit wir uns kennengelernt haben auf dem Ball meiner Eltern! Er war immer so gut angezogen. Schon damals! Das ist das Erste, was mir an ihm aufgefallen ist: Der Schnitt seiner Uniform. Und seine Haltung! Solch eine prächtige Haltung! Dabei war er, man muss fast sagen, er hatte keinen guten Ruf; und meine Eltern machten sich verständlicherweise Sorgen, hielten ihn für einen Mitgiftjäger. Das hat mir mein Vater ins Gesicht gesagt. Und habe ich mich davon beirren lassen? Sie lächelt. Die Augäpfel sind noch weiß. Nur das Blau der Iris ist ein wenig verblasst. Nein!

      Scheint tatsächlich in der Familie zu liegen, sage ich, obwohl Amy nicht stark war, nicht widerspenstig, nicht als sie zu uns kam, weil die Geschichte sich wiederholt hatte und Mutter sich von ihrem Mann, ihrem Kind und ihrem ganzen Leben erneut überfordert fühlte. Sie hat sich so gefürchtet, dass sie neben meinem Bett auf dem Boden schläft. Kommt nachts rein auf nackten Sohlen, Decke und Kopfkissen im Arm, zerrt den Teppich näher heran, legt sich hin; und ich muss ihre Hand halten bis zum Morgen, und es waren nicht nur die Gewitter, es war das ganze alte Haus voll alter Leute, an das ich mich längst gewöhnt hatte und das mir zum ersten Mal komisch vorkam mit Amy, die lacht, wenn ich meine Übungen mache, Kalisthenie und handvermessene Dauerläufe rund um das Haus, und für die ich Geschichten schreibe voll Prinzessinnen und Drachen, je blutiger, desto besser. Sorgen mache ich mir erst, als sie auch lacht, während unser Kulissen-Rom brennt und die Flammen auf die Vorhänge übergreifen und es für einen Moment so aussieht, als würden wir das ganze verdammte Haus abfackeln, ihr Verließ, aus dem kein Prinz sie befreite, obwohl ich es versprochen hatte, aber Märchen sind nicht genug, im Gegenteil, sind Lüge und Kette, und sie es sich erträumt hatte, die Flucht Hand in Hand, immer Hand in Hand in den Tod, was der einzige Ausweg ist, aber dann kam Wyatt, die Parodie eines Prinzen auf einem röhrenden, knatternden Pferd, der bei ihr lag, der zwischen uns fuhr.

      Ich wollte Archäologin werden, kannst du dir das vorstellen? Ich schätze, die einzigen alten Knochen, mit denen ich es jemals zu tun bekommen werde, sind meine eigenen. Bin ja schon die reinste Mumie! Es war alles arrangiert. Ich war gut in alten Sprachen und sollte nach Bennington, aber dann tritt Großvater in mein Leben, und da war es um mich geschehen, und ich habe es keinen Moment bereut. Nur die Zeit wird mir allmählich doch sehr lang, und manchmal wünschte ich mir, es hätte ein Ende.

      Die Zeit ist die ursprüngliche Qual, hat er immer gesagt. Das nichtende Nichts. Um ihm zu entkommen, unterwerfen wir uns der Uhr, rasen im Minutentakt, weil wir sie nur in kleinen Stücken ertragen.

      Er war so ein weiser Mann! Ich vermisse ihn, und oft denke ich mir, es wird Zeit, ihm zu folgen. Deine Mutter wird richtig wütend, wenn ich sowas sage, als beleidige man sie damit persönlich, dabei kommt sie nur sehr selten zu Besuch, kaum öfter als früher, und wenn mit Winston, der auch immer älter wird und fast so tattrig ist wie ich, aber glaubt, mir gute Ratschläge geben zu müssen. Sie wollen, dass ich in ein Altersheim gehe, weil sie meinen, dass sie sich dann noch weniger kümmern müssen um mich. Natürlich nennen sie es nicht so. Irgendein Seniorenstift inmitten einem Golfplatz, wo man sich im Rollstuhl zum Abschlag fahren lassen kann! Dabei spiele ich gar kein Golf! Großvater hat es gehasst. Er fand es vulgär, und ich finde, er hatte Recht. Er hatte ein fein ausgeprägtes Stilempfinden. Er war ja in Vielem fast ein Künstler.

      Und sie lebt immer noch mit diesem Zahnklempner zusammen?

      Sie ist richtig häuslich geworden. Wer hätte das gedacht?

      Die Schneekönigin! Ab ungefähr Herbst trug sie nur noch Skipullover in Sicherheitsfarben oder mit nordischen Motiven, Schneeflocken und Rentiere und sowas, und wenn man sie sah, fragte man sich sogar hier unten an der Küste unwillkürlich, wo der nächste Skilift ist. Mein Gott, wie groß du geworden bist! war immer das Erste, was sie sagte, auch wenn sie einen gerade erst an Thanksgiving gesehen hatte, und dann umarmt sie mich; und du spürst ihre Unruhe, sie will nur weg, und sie macht sich frei von uns, Amy und mir, um Großvater und Großmutter zu begrüßen und setzt sich kurz zu Bessie in die Küche, dann ruft sie Donald an, den Neuen, und dann versucht sie, beim Schmücken des Baums zu helfen, lässt zwei Kugeln fallen und wird von Großmutter hinausgeworfen; und ich weiß genau, sie wird es hier wieder nicht länger als zwei, drei Tage aushalten, und mein Herz rast, mein Rachen ist trocken, und ich hasse es und kann nichts tun dagegen, hasse es und bin doch froh, sie bei mir zu haben, ein, zwei Tage vielleicht, überlege, wie ich ihr das zeigen soll, bin ganz aufgeregt, versuche, sie erneut zu umarmen, aber sie versteht nicht, meint vielleicht, dass ich zu alt bin für sowas, kommt nicht an gegen sich selbst und ihre Unruhe und ihr Verlangen nach Flucht. Ihre Fingernägel sind wie immer bis aufs Fleisch abgenagt; sie redet von Zen-Küche und Mandalas und davon, dass sie jetzt doch Skilehrerin werden will, aber nur, wenn sich das mit dem College, das sie inzwischen wieder besucht, vereinbaren lässt, und natürlich von Donald. Immer wieder Donald! Wie geht’s dir in der Schule? fragt sie schon zum zweiten Mal an diesem Abend und rührt in ihrem Toddy. Großvater unterrichtet mich nicht mehr; und ich habe mit Latein angefangen, aber sie ist schon wieder in Lake Tahoe, habe dort mit Donald die Saison eröffnet, und er ist so ein fantastischer Mann und so ein lausiger Skifahrer, das genaue Gegenteil von Franz, und im Haus ist das Rauchen verboten, weshalb sie alle zehn Minuten hinaus auf die Veranda rennt, und am nächsten Tag sitzt sie fast nur noch dort, in grelle Mützen und zwei Decken gehüllt; und Amy weicht nicht von ihrer Seite und setzt sich im neuen Skianzug zu ihr, der für gewölbte Brauen gesorgt hat bei Großmutter, denn erstens war das kein angemessenes Kleidungsstück für ein Mädchen, dass sonst in Röckchen herumlief, und zweitens hatten ihrer Meinung nach mit dem Skifahren die Probleme bei Mutter begonnen. Und am dritten Tag packt sie und erklärt, dass sie Amy mitnimmt; und ich weiß nicht, warum; und sie lässt mich einfach dort. Sie steht in der Eingangshalle und hat Tränen in den Augen und malt mir der brennenden Zigarette Gespenster in die Luft, Großmutter und Großvater sind so verblüfft, dass sie es ganz übersehen; und ich gehe zu ihr, um sie an die Hausregeln zu erinnern und nehme ihr die Zigarette weg, während Amy den gepackten Koffer hinter sich her die Treppe herab zerrt, sodass er von Stufe zu Stufe poltert und Großvater sie

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