Bill & Bill. Xaver Engelhard

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Bill & Bill - Xaver Engelhard страница 8

Автор:
Серия:
Издательство:
Bill & Bill - Xaver Engelhard

Скачать книгу

rollt; und die Dinge sind in der Schwebe wie schon lange nicht mehr.“ Pierre gab seinem Freund zum Abschied einen Klaps auf die Schulter und floh, als hätte er Angst, zu viel zu verraten.

      Schaut verfallen aus, das Haus. Wie das Haus Usher! Als wäre es zusammengeschrumpelt und mit jedem, der es verlassen hat, ein bisschen kleiner geworden. Als würde gar keiner mehr drin wohnen, aber zumindest das hätte ich doch erfahren oder? Der First hängt durch; die Wände haben Risse. Ein richtiger Schandfleck, und ich wette, die ganzen Millionäre in der Gegend hassen sie dafür. Und das ist kein Rasen mehr, das ist eine Prärie, ein Spielfeld für Büffel und Indianer, aber nicht für Krocket, dem Zeitvertreib wahrer Gentlemen. Da würde man nicht einmal mehr die Tore sehen, von den Bällen ganz zu schweigen. Ein Strategiespiel nannte er es, einen Charaktertest, und dann ließ er keine Chance aus, zu betrügen, was mir zu denken hätte geben sollen, aber ich war noch dumm damals, blind, und wurde richtig frei erst in der Zelle. Wehe, mein Ball landete im Rhododendron! Das gab gleich Strafpunkte, dabei hat er den Rhododendron gehasst und des Wucherns und der Maßlosigkeit bezichtigt im Gegensatz zu den züchtigen Rosen, seinen Lieblingen. Wehe, Sam hat es mal gewagt, sie anzupinkeln oder seinen Knochen zwischen ihnen zu verbuddeln! Am Ende wurde er selbst zwischen ihnen begraben. Rosendünger! Zu mehr hat der Köter eh nicht getaugt, aber nein, er war ja das Idealbild eines Hundes, das Gott vor Augen stand, als er die verdammten Kläffer schuf, und dann drischt er ihm mit dem Krocket-Schläger die Birne ein, bloß weil er hinkend und furzend dem Idealbild immer weniger gerecht wird. Und ich bin mir sicher, ich war nur deshalb dauernd krank, weil ich immer im Regen mit ihm spielen und als besonderes Handicap seinen Schirm für ihn halten musste, weshalb ich nur mit einer Hand schlagen konnte und selbst immer nasser wurde; und diese verdammten Dauerläufe in diesen verdammten Hosen, die Großmutter mir gestrickt hat, als wäre ich ein zu groß geratener Säugling, und die ich ab der zweiten Runde irgendwie daran hindern musste, mir in die Kniekehlen zu rutschen, weil sie sich mit Regenwasser vollgesogen hatten, und die Hochsprunganlage, die mich unter sich begrub, wann immer ich riss, und die halbe Stunde Hüpfseil mit nacktem Oberkörper und die scheiß kalten Bäder, das hat auch alles überhaupt nicht zu meiner Gesundheit beigetragen, wie er immer behauptet hat, sondern hatte genau den gegenteiligen Effekt und bewirkte, dass ich für zwei Tage, die ich gesund war, einen im Bett verbrachte, und wenn ich das früher gewusst hätte, das mit dem Kodein im Hustensaft und dem Alkohol in den Toddys, vielleicht hätte ich mich gewehrt, aber ich war schon süchtig, bevor ich überhaupt wusste, was Drogen sind, süchtig nach ihrer Liebe und seiner Anerkennung, und Befreiung ist, allem zu entsagen, was uns bindet, allem, was uns freut und liebt, was schwierig ist für ein Kind, ein Kind, das von den eigenen Großeltern zugedröhnt wird, damit es nicht sieht und nicht flieht, und bis zuletzt dachte, diese Visionen kämen vom Fieber, Dinosaurier im viktorianischen London und ich hinter den Mülltonnen versteckt spüre den Drachenatem die Straßen runter wehen oder die kalten Tentakeln des Riesenkraken sich um meine Knöchel wickeln; und er sagt, ich habe einfach eine überbordende Fantasie, was er so wenig mochte wie eine blumige Ausdrucksweise, weshalb die Aufsätze, die ich für ihn schreiben musste, sich wie Agenturmeldungen lasen, sobald er mit der Korrektur fertig war: Agenturmeldungen aus einem Traumland! Einem Alptraumland! Keine Adjektive, keine Hypothesen, keine Hypotaxe, aber Autos, die fliegen, Häuser aus Gallert und Indianer, welche die U-Bahn überfallen!

      Und das alles nur, weil Mutter ihr Leben nicht auf die Reihe gekriegt hat! War sechzehn, als sie verschwunden ist; und Großvater und Großmutter haben keinen Schimmer, wo sie steckt, lassen die ganze Küste mit Plakaten zukleistern, heuern ein Dutzend Schnüffler von Pinkerton an, die sich auf ihre Fährte heften; und die Polizei und die Zeitungen spekulieren, dass sie vielleicht Opfer eines Verbrechens geworden ist, misslungene Entführung oder sowas, während das Früchtchen sich auf Haight und Ashbury Street rumtreibt hat, auf Zimbeln klimpert, um Essen bettelt, im Park pennt und sich zu guter Letzt von nem Typen schwängern lässt, der so überhaupt gar nicht zu ihr passt oder zu ihren Eltern und eigentlich auch nicht zu seinem Sohn. Dad! Meine Güte! War sicher nur dort gewesen, um bekiffte Hippie-Mädchen abzugreifen, aber die letzten Reste seiner römisch-irischen Proletarierehre gebieten ihm dann, sie zu heiraten. Nicht am Strand, aber immerhin barfuß unter einer Blumengirlande auf der Lichtung von dieser Kommune in Oregon, die am Ende nur noch von Mutters oder besser gesagt Großmutters Geld gelebt hat! Dad mit Vollbart, sie mit dickem Bauch, beide mit einem doofen Grinsen im Gesicht, als könnten sie immer noch nicht ganz glauben, was ihnen da gerade passiert. Sie kann nicht älter als 18 gewesen sein, und sie ist eine Frau, fast schon eine Mutter, aber man merkt es nicht. Sie weiß es nicht, dabei ist das Blut längst über sie gekommen und der Mond, der alles regiert, was träge ist und nährend, die Frauen und die See, wie Großvater sagt, der eine Reedereierbin geheiratet hat. Sie trägt ein schönes altes Kleid, das sicher vom Flohmarkt stammt; und die Locken fallen ihr ins Gesicht; und sie hält einen Fliederzweig in der Hand; und Dad mit einer runden Sonnenbrille wie Lennon und Pranken wie ein Hühnerwürger legt grinsend den Arm um sie; und sie weiß nicht, und das tun sie nie, bis es zu spät ist, und Großvater sagt, er hat nur versucht, sie vor sich selbst zu schützen, weil er wusste, wie zart sie war, wie gefährdet, sie, die vermutlich immer noch schneller Ski fährt als die meisten Männer; und sie rennt weg von ihm und landet ausgerechnet bei Dad, der keinen Deut besser ist und genauso paranoid und pedantisch, aber wenigstens indische Hosen trägt; und ich bin sicher, er war der einzige, der in dieser verdammten Kommune überhaupt gearbeitet hat, der überhaupt wusste, was harte, tägliche Arbeit ist, während die anderen dachten, es reicht, zu kiffen und zu vögeln, der Herr wird’s schon richten, was auch zwei Sommer und einen Winter lang gut ging, bis dieser angeblich kommunistische Haufen auch mit den Geldspritzen der bourgeoisen Puppe in seiner Mitte nicht mehr am Leben zu halten war und die junge Familie beschließt, das Experiment abzubrechen und dahin zu gehen, wo Dad herkommt und wo er jederzeit wieder einen anständig bezahlten Job kriegen kann; und ich kann mir nur allzu gut vorstellen, was für ein Schock das für sie gewesen sein muss, Dads Welt, wo sie Bäume zersägen, Hirsche erschießen, Bier saufen und Frauen schlagen, als würde eines mit dem anderen zusammenhängen, eines das andere bedingen; und sie flieht wieder und setzt mich bei Großvater ab, weil sie ahnt, nicht weiß, nur ahnt, dass ich irgendeine Art von Erziehung brauche und Anleitung und Vorbild und dass man Kinder nicht einfach aufzieht wie kleine Katzen, die man gelegentlich füttert und ansonsten dem Fernseher und Mutter Natur überlässt.

      Ich meine, er war immerhin Kriegsveteran und Marineoffizier, und das hat man immer noch gemerkt, auch wenn er seit seiner Entlassung hauptsächlich Großmutters Geld verwaltet und vergeudet hat und seine Rosen verhätschelt, und mit mir macht er es im Grunde genauso, er stutzt mich, damit ich später um so schöner blühe, und bringt mir Tischmanieren bei und ein bisschen Boxen und vor allem Krocket, was viel edler ist als Golf, weil man damit kein Geld verdienen kann, nicht einmal ein Stipendium; und ich habe den Verdacht, dass er es einfach mit Kricket verwechselt hat und später zu feige war, das zuzugeben, falls er es überhaupt gemerkt hat. Jedenfalls waren ihm Fitness und Anstand das Wichtigste, viel wichtiger als schulische Erfolge, um die sich nur charakterlose Streber und Emporkömmlinge bemühten, die es sonst aus Mangel an wahren, angeborenen Qualitäten zu nichts bringen. Wie bei den Rosen war bei Kindern die Züchtung das Entscheidende, und dann kam es nur noch darauf an, dass sie gut gedeihen können und sich entfalten vom Mehltau der Moderne unbehelligt, ohne Radio und ohne Fernseher bis auf das Schwarz-Weiß-Gerät in Bessies Küche, das Guckloch in die Hölle, wie er es nannte. Eine Hölle, in der es immer schneit, so sehr flimmert das Bild! Comics immerhin waren erlaubt, vielleicht, weil er sie aus seiner eigenen Kindheit kannte und die Krazy Kids immer noch liebte, vielleicht einfach, weil es unter seiner Würde war, sich mit ihnen zu beschäftigen. Er hat eine Menge über Militärgeschichte und Pflanzenzucht gelesen und drei Zeitungen für seine Investitionen abonniert, die immer daneben gingen, was ihn aber nicht störte, weil Geld vulgär war und ohnehin nicht seins. Rechnen war etwas für Krämerseelen, die es nötig hatten. Wer auf sich hielt, konnte kaum mehr als Lesen und Schreiben und hatte höchstens noch einen gediegenen Verstand, was immer das war, jedenfalls nichts, was man auf der Schule hätte lernen können, wo nur Respektlosigkeit und Relativismus unterrichtet und haufenweise unnötiges Wissen eingetrichtert wurden, das die natürliche Grazie, den angeborenen Adel entstellt und die Kinder ihren Wurzeln entfremdet und in willenlose Roboter und Arbeitssklaven verwandelt,

Скачать книгу