Die Midgard-Saga - Jötunheim. Alexandra Bauer
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„Was? Aber …“, schnaufte Thea und schickte in der Gedankensprache nach: „Tom!“
„Er ist gerade so liebevoll für dich in die Bresche gesprungen. Er wird dein Geheimnis bewahren. Du willst doch nicht mehr lügen müssen.“
„Nein, das möchte ich nicht.“ Unsicher stand Thea auf und streifte den Schwertköcher von ihrem Rücken. Sie hob den Deckel an, nahm den Fotoapparat heraus und legte ihn neben sich ab. Noch einmal sah sie zu Wal-Freya, die ihr aufmunternd zunickte. Dann umfasste sie Kyndills Griff, verharrte noch einmal und zog das Schwert aus der Tasche. Mit der Bewegung loderten Flammen um die Klinge und setzten Küche und Gesichter der Anwesenden in helles Licht. Frau Helmken und Tom fuhren gleichzeitig in ihren Stühlen zurück. Während das Rauschen der Flammen den Raum füllte, herrschte stilles Entsetzen in ihren Gesichtern.
2. Kapitel
Alle Farben waren aus Frau Helmkens Gesicht gewichen. Der einzige Laut, der die Küche erfüllte, war das Rauschen von Kyndills Flammen. Gebannt verfolgte Tom das Geschehen. Ihm war nicht anzusehen, was er fühlte oder dachte. Ebenso wie ihre Mutter starrte er auf Thea und das lodernde Schwert in ihren Händen.
Einzig Wal-Freya wirkte zufrieden. Sie lehnte an der Wand, die Arme verschränkt, und blickte stolz in die Runde.
„Du hast es vollendet. Es hat einen Griff“, stellte sie fest.
Thea nickte.
Ein Lächeln umspielte die Lippen der Walküre, als sie ihren Blick von Kyndill löste und zu Tom und Frau Helmken sah. „Eine wunderschöne Waffe, nicht wahr? Geschmiedet an einem Wikingerfeuer vor über 1500 Jahren. Ebenso lange war es verloren, blieb seine Zauberkraft unentdeckt. Nur Thea vermag es zu führen und vermutlich Loki. Jeder andere würde sich bei diesem Versuch unweigerlich verbrennen.“
Noch immer waren Tom und Frau Helmken keiner Worte fähig. Seufzend steckte Thea das Schwert zurück in die Tasche, packte den Fotoapparat dazu und schloss sorgsam den Deckel, ehe sie diese wieder über die Schulter warf.
„Thea ist Hüterin des Schwerts. Sie allein ist dafür verantwortlich, dass es nicht in falsche Hände gerät.“
Endlich löste Tom die beklemmende Stimmung auf: „Wahnsinn! Warum hast du das nie erzählt?“
Während Thea die Augenbrauen hob und zu einer Antwort ansetzte, stand ihre Mutter auf.
„Weil ich es ihr verboten hätte!“, sagte sie zornig.
„Das ist nichts, das du hättest entscheiden können“, erwiderte Wal-Freya, ehe Thea sich zu erklären vermochte.
„Warum ausgerechnet sie? Sie ist noch ein Kind!“, rief Frau Helmken.
„Sie ist eine junge Frau“, widersprach Wal-Freya ruhig. „Außerdem hatten weder sie noch wir eine Wahl. Thea war es, die das Schwert einst schmiedete und mithilfe Lokis in eine magische Waffe verwandelte.“
Frau Helmken schnappte nach Luft. „Was? Wann?“
„In einem anderen Leben, vor sehr langer Zeit. Thea mag eine junge Frau sein, aber ihre Seele hat viel erfahren. Zwei ihrer vergangenen Leben haben wir Thea gezeigt. Aber es sind nicht ihre einzigen.“
„Das ist doch absurd! Völlig unmöglich!“
„So unmöglich, wie ein Feuerschwert zu besitzen?“
Wal-Freya trat auf Thea zu und legte den Arm um sie. „Sie hat in unserem letzten Abenteuer bewiesen, dass sie eine großartige Kämpferin ist, des Schwerts und ihrer Aufgabe würdig.“
„Das hört jetzt auf!“, entschied Frau Helmken.
Ein Lächeln huschte über Wal-Freyas Lippen. „Ich verstehe deine Besorgnis, Mirjana. Aber es wird nicht aufhören, so sehr du auch darauf pochst. Thea hat einen göttlichen Auftrag erhalten und sie hat ihn angenommen. Darüber hast du nicht zu entscheiden.“
„Bist du deshalb hier? Um mir das zu sagen? Glaubst du, mir wird es besser gehen, wenn ich es weiß? Ihr bringt meine ganze Familie in Gefahr! Ich werde mein Leben lang kein Auge mehr zutun.“
„Sie hat recht! Was bezweckst du damit?“, rief Thea sie in der Gedankensprache an.
Wal-Freya hob die Hand in Theas Richtung. Dabei ließ sie Frau Helmken nicht aus den Augen. „Ich erzähle dir das, damit du weißt, wo Thea ist. Als wir dich das letzte Mal im Unwissen gelassen haben, hat deine Sorge Dinge entfesselt, die ich diesmal von Thea fernhalten will. Ich möchte nicht, dass Thea wieder in Schwierigkeiten gerät, wenn sie zurückkommt. Damals musste unser Vorhaben unentdeckt von Loki bleiben. Nur darum nahmen wir sie mit, ohne jemanden zu informieren. Verschwiegenheit ist jetzt nicht mehr nötig.“
Frau Helmkens Augen waren mit jedem Wort, das
Wal-Freya sprach, größer geworden. „Was soll das heißen, wenn sie wieder zurückkommt?“, fragte sie atemlos.
„Fenrir ist frei. Wir wissen noch nicht, was das zu bedeuten hat. Aber wir sind sehr beunruhigt. Ganz Asgard ist auf der Suche nach ihm. Thea hat sich schon einmal als wertvolle Hilfe erwiesen. Darum möchten Tyr und ich, dass sie uns begleitet.“
„Das verbiete ich!“, rief Frau Helmken. „Thea, du gehst sofort in dein Zimmer und Sie …“, ihr Finger richtete sich auf Wal-Freya, „verlassen augenblicklich mein Haus.“
„Mirjana, ich verstehe deine Sorge …“, lenkte Wal-Freya ein, doch Frau Helmken hatte sie schon unterbrochen.
„Ich sagte raus!“, rief Frau Helmken. Nun war ihr Finger auf die Tür gerichtet.
Mit einem Mal war sie da, die Kriegerin und unnahbare Anführerin der Walküren. Mit verhärtetem Blick und einem Ton, der an der Endgültigkeit ihres Entschlusses nicht zweifeln ließ, verschränkte sie die Arme. „Du sprichst mit einer Göttin, Mirjana. Ich nehme Thea mit! Das werden wir nicht diskutieren!“
Rote Flecken bildeten sich auf Frau Helmkens Hals. „Ich rufe jetzt deinen Vater an!“, brauste sie auf, stürzte in den Flur und kam mit dem Telefon in der Hand zurück. Schon tippte sie die Nummer.
„Ich hätte dir gleich sagen können, dass das schief geht“, sagte Thea. Beunruhigt sah sie zu Wal-Freya.
„Ihr Glaube ist jetzt sehr groß. Ich könnte einen Zauber wirken“, schlug Wal-Freya etwas ratlos vor.
„Nein!“, rief Thea unwillkürlich.
„Oh doch, Liebes!“, erwiderte Frau Helmken, da sie glaubte, Thea habe mit ihr gesprochen.
„Mama bitte! Was soll das bringen? Willst du Papa erzählen, die nordische Liebesgöttin würde an deinem Frühstückstisch sitzen und möchte deine Tochter mit nach Asgard nehmen?“
„Gerade