Dancing Queen. Verena Maria Mayr

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Dancing Queen - Verena Maria Mayr

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schwerer, die Gedanken müder. Ich will nicht mehr denken, sagt sie zu sich selbst. Ich muss mich um Julius kümmern. Und um mich, damit ich mich um ihn kümmern kann. Ich muss meinen eigenen Weg gehen. Wieso kümmere ich mich um die Meinung der anderen, wenn sich ohnehin keiner um mich kümmert? Kümmern, kümmern, kümmern …

      Patrizia kann nicht abschalten. Leise stöhnend dreht sie sich auf die andere Seite. Niemand weiß, was ich denke. Aber es hört auch keiner zu. Und Patrizia hat gar keine Lust, etwas zu erzählen, denn das Urteil der anderen will sie nicht mehr hören. Es ist doch nur ein Verurteilen, ein Bewerten. Sie fragt sich, wer genau die „anderen“ für sie sind, und Familie wie beste Freunde tauchen vor ihrem inneren Auge auf. Wieder würgt sie einen fetten Kloß in ihrem Hals hinunter. Sie will umarmt werden. Beschützt und behütet will sie werden. Wie ein Kind. Aber sie ist jetzt erwachsen, und selbst Mutter. Patrizia nimmt sich vor, Julius alle Geborgenheit der Welt zu geben. Ich werde immer für dich da sein. Ich werde dein Zuhause sein. Sie will versuchen, ihn zu verstehen. Und sollte sie es einmal nicht tun, dann will sie ihn auf jeden Fall immer akzeptieren und lieben wie er ist. Jeder hat doch ein Recht, so zu sein, wie er ist. Hat nicht jeder einen Anspruch auf Persönlichkeitsentwicklung, und darauf, seinen eigenen Weg zu finden und zu gehen? Sie doch auch. Patrizia will sich nicht unterkriegen lassen. Allein der Gedanke, sich zu arrangieren, schnürt ihr die Kehle zu. Ihr fällt ein Brief ein, den sie Mimmo am Anfang ihrer Schwangerschaft geschrieben hat.

       Lieber Mimmo!

       Ich schreibe dir einen Brief mit dem Computer, weil du einmal gesagt hast, dass du meine Schrift nicht lesen kannst. Ich schreibe dir, weil ich dir alle Dinge, die ich dir sagen möchte, nicht ohne unterbrochen zu werden sagen kann, und ich dann immer den Faden verliere.

       Ich möchte dir sagen, dass du mich sehr verletzt hast und ich mich sehr traurig fühle. Ich kann nicht verstehen, warum das passiert ist und ich kann nicht verstehen, warum man ein Thema wie dieses nicht ausdiskutieren kann. Ich verstehe nicht, was ich Falsches gesagt habe. Ich verstehe nicht, warum ich meine Meinung nicht vortragen darf, und ich verstehe nicht, warum du meine Sichtweise nicht sehen willst. Ich versuche ständig, mich in dich hinein zu fühlen und auch, wenn ich mit deiner Meinung nicht einverstanden bin, bemühe ich mich zumindest sie zu akzeptieren. Ich sehe, wie du den Kopf schüttelst und „nein“ sagst, aber bitte glaube mir. Ich versuche wirklich immer, dich zu verstehen.

       Es gab vorhin nicht den geringsten Anlass so zu reagieren, mich allein auf der Straße stehen zu lassen und mich allein einen Abend voller Sorgen verbringen zu lassen, wo es doch sogar deine Idee war, zusammen auszugehen. Und über diesen Vorschlag war ich so glücklich.

       Um zum vorhergehenden Thema zurückzukehren: Mimmo, für mich ist es auch nicht leicht, meinen Onkel um Hilfe zu bitten. Es geht mir auf die Nerven und kostet mich viel von meinem Stolz, den auch ich ausreichend besitze. Aber in dieser, unserer Situation, habe ich doch keine andere Wahl! Ich verzichte auf so vieles, damit es uns gut geht. Wir brauchen das Auto, und ich kann mir im Moment keine Werkstatt leisten. Jetzt funktioniert es wenigstens wieder für ein paar Monate.

       Ich sehe und denke immer daran, was du für uns tust und ich versuche jeden Tag mit meinem ganzen Sein, dir Energie, Motivation und positive Gedanken zu vermitteln.

       Vorhin hatte ich das Gefühl, dass du unbedingt Recht haben willst und dass dich meine Meinung überhaupt nicht interessiert. Im Gegenteil, du hast darauf bestanden, bist vor mir hergelaufen und hast mir nicht einmal zugehört.

       Bis jetzt habe ich immer gedacht, dass wir über alles reden könnten. Eine funktionierende Kommunikationsbasis ist für mich eine der wichtigsten Komponenten in einer Beziehung, vor allem in unserer Beziehung als Paar und zukünftige Eltern. Dass du mich unterbrichst, nicht anschaust oder sogar wegläufst, wenn wir miteinander reden, verunsichert mich sehr und ich bin darüber sehr traurig und voller Zweifel. Sei mir bitte nicht böse, aber nachdem es in letzter Zeit häufiger passiert ist, dass wir uns so arg streiten, kannst du vielleicht verstehen, dass ich daran zweifle, ob wir tatsächlich zusammen passen. Vielleicht geht es dir gleich?

       Ich habe Angst vor diesen Situationen, und ich frage mich, wie sehr ich mich dir anvertrauen darf. Ich habe bisher immer gedacht, dass ich dir hundertprozentig vertrauen und mich auf dich verlassen kann. Ich weiß, dass das, was ich dir jetzt schreibe, sehr gegen deinen Stolz geht. Aber bitte glaub mir, ich kann diese Ausfälle nicht leiden. Deine spontanen Reaktionen machen mir Angst und jetzt, wo ich unser Baby erwarte, benötige ich größtmögliche Sicherheit. Für mich ist es sehr wichtig – und das wird es immer sein –, dass wir respektvoll miteinander umgehen und auch so miteinander sprechen, außerdem ehrlich und in Ruhe. Weglaufen ist kein Zeichen von Respekt. Im Gegenteil, es ist ein Zeichen von Schwäche und tut dem anderen, in dem Fall mir, weh. Du weißt, dass ich nicht nachtragend bin. Ich werde zwei Tage lang traurig sein, dann ist es vorbei. Ich hoffe, dass ich all diese kleinen Verletzungen bald vergessen kann und es tut mir leid, wenn ich etwas gesagt haben sollte, dass dich verletzt hat. Bitte rede mit mir. Bitte lass uns das ein für alle Mal ausreden und uns wieder gut verstehen.

       Deine Patrizia

      Wenn sie jetzt zurück blickt, fällt ihr ein kleiner Schneeball ein, der langsam, anfangs fast unmerklich, zu rollen beginnt und plötzlich immer schneller immer größer und gewaltiger wird. Immer häufiger haben sich die Demütigungen, Beleidigungen und Kränkungen wie patziger Schnee angeklebt. Patrizia hat Briefe geschrieben, viele Tränen vergossen, und wieder verziehen. Mimmo, der arme Mimmo, er hat es ja so schwer. In der Krise eine Arbeit zu finden ist schon für einen Inländer schwierig genug, für ihn, als Ausländer, erst recht. Dabei bemüht er sich so, und erfährt ständig Ablehnung. Sein Studium muss er auch noch nebenbei beenden. Der arme Mimmo. Noch immer kann sie ihn verstehen, noch immer tut ihr alles leid. Aber endlich kann sie auch sich selbst und ihre eigene Lage verstehen. Ja, Patrizias Verstand hält noch zu ihr, doch ihr Herz scheint sie zu betrügen. Oder fühlt man mit dem Bauch? Warum ist es möglich, Gefühle aller Art in einem Atemzug zu spüren? Warum sind sie nicht selektierbar? Warum ist es unmöglich, die unerwünschten Emotionen zu übergehen, sie zu löschen, oder wenigstens weg zu sperren? Warum, warum, warum? Warum kann sie nicht abschließen? Jedes Mal, wenn sie allein ist, machen ihr ihre Erinnerungen – oder sind es ihre Sehnsüchte? – einen Strich durch die Rechnung. Jedes Mal stellt Patrizia sich vor, wie sie sich ändern würde, wie sie sich bessern würde. Jedes Mal gibt sie IHM – es war in jeder Beziehung so – eine Chance.

      Sie hat kein Problem damit, allein zu sein, war es aber letztendlich nicht gerne. Wer ist schon gern allein? Patrizia fühlt sich unter vielen Menschen, auch im Freundeskreis, oder inmitten ihrer gesamten Verwandtschaft oft einsam. Aber wenigstens ist sie nicht allein, die anderen lenken sie von ihrer Einsamkeit ab.

      Patrizia muss plötzlich an die Gewaltspirale denken und überlegt, ob sie Teil davon ist. Söhne ahmen ihre schlagenden Väter nach. Töchter suchen sich schlagende Partner aus. Hat sie Mimmo tatsächlich so sehr provoziert, dass er sie an den Haaren und am Ohr ziehen hat müssen? Ist wirklich alles ihre eigene Schuld? Gestritten wird doch immer in einer Beziehung, denkt Patrizia, nur Gewalt passiert nicht in jeder. Gewalt darf doch nicht passieren, oder? Ein verantwortungsbewusster, reifer Mensch sollte sich unter Kontrolle haben, meint Patrizia. Seiner Aggression durch gewalttätige Aktionen Erleichterung zu verschaffen, ist doch das Letzte, ist sie sich sicher: eindeutig ein Zeichen von Schwäche. Und wer einmal die Hand erhebt, sagt ihre Mutter, tut es immer wieder.

      Sicher haben sie sich gestritten, und wie! So laut, dass die Nachbarn es hören konnten. Patrizia hat oft ihre Nerven weggeschmissen und ist tief geworden. Sie hat Mimmo beschimpft und Ausdrücke benutzt, wegen denen sie sich beim Gedanken daran jetzt noch geniert. Mimmo hat sie auch bis aufs Blut gereizt und sie hat Gewalt in sich gespürt. Rohe, fast unkontrollierbare Gewalt, aber eben nur fast. Bei Mimmo ist es nicht beim fast geblieben,

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