Dancing Queen. Verena Maria Mayr

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Dancing Queen - Verena Maria Mayr

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      Kapitel 5

      „So, mein Bärchen. Jetzt machen wir zwei uns fertig und gehen einkaufen. Mama hat nämlich ihre Hausschuhe vergessen und vielleicht finden wir welche im Supermarkt; es müssen ja keine besonderen sein. Außerdem brauchen wir ein paar gute Breigläschen für dich.“

      Julius bestätigt mit einem bestimmten „Da!“ und Patrizia küsst ihn auf seine Pausbacken. Patrizias Freundin Ruth hat ihr Gott sei Dank noch eine warme Jacke für Julius mitgegeben. Sie und ihr Mann Klaus haben ihr sofort angeboten, zu ihnen zu ziehen, obwohl sie zu dritt in einer Zweizimmerwohnung hausen. Ihr Sohn Jonas ist nur zwei Wochen nach Julius auf die Welt gekommen. Patrizia will ihnen nicht zur Last fallen und auf keinen Fall, dass sie Schwierigkeiten mit Mimmo bekommen.

      Draußen ist es sehr kalt und es weht ein eisiger Wind. Gut, dass sie ein Lammfell für den Kinderwagen besitzt. Sie zieht Julius an, der ein bisschen protestiert.

      „Sehr brav bist du, mein Schatz. Ich weiß, hier drin ist es so heiß. Aber draußen ist es bitterkalt und ich kann dich nicht ohne Haube rauslassen oder dir die Jacke erst außer Haus anziehen.“ Julius scheint zu verstehen und schmiegt sich an seine Mama. Patrizias Kehle schnürt sich zu und sie kämpft mit Tränen und schlechtem Gewissen. Warum? Warum, fragt sie sich und versucht, die aufsteigende Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zu unterdrücken. Irgendwann wird sie es rauslassen, aber jetzt nicht.

      Sie schlüpft in ihren Mantel, bindet sich auch einen Schal um, setzt ihre Mütze auf und hebt Julius hoch. Schnell wandert sie mit ihm durch die langen Gänge und hetzt ins Büro.

      „Ich möchte uns abmelden. Wir gehen einkaufen.“ Julius fängt an zu raunzen.

      „Ist gut“, sagt Anita. „Brauchen Sie etwas?“

      „Nein, es geht schon. Danke. Tschüs.“

      Patrizia geht so schnell sie kann ins Erdgeschoss, setzt Julius in den Kinderwagen, drückt auf den Türöffner und schiebt ihn ins Freie. Sie schwitzt und hofft, dass sie sich nicht verkühlt. Krank werden darf sie jetzt auf keinen Fall. Wer sollte sie denn pflegen? Aber wer vor allem sollte sich um Julius kümmern? Vielleicht sollte sie lieber hierbleiben? Es ist wirklich schweinekalt. Aber sie braucht doch etwas zu essen für den Kleinen.

      „Bärchen, wir schaffen das.“ Sie schnallt Julius an, deckt ihn gut zu und klappt das Dach hinunter. Dem Kleinen scheint es zu gefallen. Vereinzelt fallen einige Schneeflocken, die wahrscheinlich von den verschneiten Bäumen geweht werden. Patrizia richtet ihre Mütze, zieht die Handschuhe an und kämpft sich mit dem Kinderwagen durch ein schmiedeeisernes Tor. Es geht eine Betonrampe hinab und schließlich steht sie vor dem videoüberwachten Haupteingang beziehungsweise Ausgang des Frauenhauses. Wieder muss sie einen Knopf drücken und erst, als der Summer ertönt, kann sie raus.

      Vor dem Tor atmet sie die Luft der Freiheit und verdrängt den Gedanken, etwas Verbotenes getan zu haben. Ich hab doch nichts Böses getan. Ich befinde mich jetzt nicht im Gefängnis. Ich kann jederzeit wieder von hier verschwinden, wann immer ich will, spinnt Patrizia ihre Gedanken weiter, während sie unter einer Zugunterführung durch marschiert. Außerdem will man aus einem Gefängnis raus, hier wollen die Frauen rein. Ihr ist schwindlig, weil sich ihre Gedanken wie auf einem Karussell drehen. Auf dem roten Sitz schwebt die Sehnsucht nach Mimmo, der immer für sie einkaufen gegangen ist. Auf dem blauen fährt die Angst vor Mimmo, der sich nicht mehr unter Kontrolle hat. Auf dem gelben kauert die Ungewissheit darüber, wie lange sie im Frauenhaus wird bleiben müssen. Auf dem grünen hockt der Wunsch nach Geborgenheit und Schutz. Die Sitze kreisen immer schneller und die Farben fließen ineinander. Etwas langsamer geht sie weiter. Julius ist schon eingeschlafen. Das liegt sicher an der guten Bergluft, denkt sie sich und atmet tief durch. Das Schwindelgefühl wird schlimmer. Ängstlich klammert sich Patrizia am Kinderwagen fest und schiebt ihn wie in Trance ins Einkaufscenter. Ich muss mich konzentrieren. Ich darf nicht ohnmächtig werden. Am besten, ich kaufe mir Schokolade. Patrizia muss stehenbleiben. Ihr Kopf dreht sich, ihr wird schwarz vor Augen, ihre Beine fühlen sich wie Wackelpudding an. Wenn ich den Kinderwagen jetzt loslasse, sinke ich zu Boden und stehe nicht mehr auf. Ich muss stehen bleiben. Patrizia zwingt sich, an Julius zu denken. Ganz langsam bewegt sie sich auf das Regal mit den Süßigkeiten zu. Sie kann nichts erkennen und langt wahllos hin. Patrizia reißt ein rosafarbenes Aluminiumpapier auf und steckt sich Schnitten in den Mund. Nach der ersten Packung fühlt sie sich ein bisschen besser. Vorsichtshalber reißt sie eine zweite auf. Langsam schiebt sie den Kinderwagen vor sich her. Als sie das dritte Mal die Reihe mit den Fertigsuppen auf und ab fährt, bleibt eine Supermarktangestellte vor ihr stehen.

      „Suchen Sie etwas?“

      „Eh, nein. Doch. Ja. Ich suche die Fertiggläser für Babys. Und Hausschuhe“, bringt Patrizia mühsam hervor. Ihre Zunge scheint geschwollen, schwer und belegt. Ihr Gehirn – noch immer benebelt – sucht Wörter, die richtig über die Lippen zu schwappen zu scheinen, für sie selbst aber keinen Sinn ergeben.

      „Geht es Ihnen nicht gut?“, fragt die Verkäuferin besorgt. Patrizia schaut ihr zum ersten Mal bewusst ins Gesicht.

      „Sie sind ganz bleich.“

      „Nein, es geht schon. Mir ist nur etwas schwindlig. Ich bin übermüdet. Er schläft in der Nacht noch nicht durch.“

      „Ah. Ihr erstes Kind?“, fragt die Angestellte wissend und atmet beruhigt auf. „Da ist man ständig müde und fertig. Ich war das auch. Aber, glauben Sie mir, das vergeht beim zweiten.“ Sie zwinkert mit den Augen und lächelt verschwörerisch.

      Julius bleibt ein Einzelkind, nimmt sich Patrizia still vor. Sie lächelt zurück, sagt höflich „Auf Wiedersehen“ und fährt vor die Gläser, von denen sie drei verschiedene aussucht. Wenn sie mehr braucht, kann sie ja wiederkommen. Sie findet gefütterte Hausschuhe mit Pelzimitat, die sehr warm wirken, und schnappt sie sich, weil sie im Angebot sind. Und wenn ich davon Schweißfüße bekomme, ist es auch egal. Die riecht jetzt eh keiner mehr außer mir und Julius, und der hat selbst welche. Beim Gedanken an seine kleinen Füßchen überkommt sie Sehnsucht, ihn zu herzen, zu küssen, an sich zu drücken. Aber sie will Julius nicht aufwecken und hofft, dass er am Nachmittag ebenso gut schlafen wird, damit sie sich auch ein wenig mit ihm hinlegen kann. Vielleicht ist sie tatsächlich nur übermüdet.

      Patrizia zahlt und macht sich auf den Weg. Heimweg, schießt es ihr durch den Kopf. Ja, da sind wir jetzt zu Hause. Traurig, dass ich sonst nirgends mit Julius hin kann. Traurig, dass es überhaupt so weit hat kommen müssen. Tränen kullern stoßweise über Patrizias kalte Wangen. Als sie wieder vor dem Tor des Frauenhauses ankommt, schläft Julius noch immer. Weil sie ihn nicht aufwecken möchte, geht sie am Eingang vorbei. Sie schlendert an Einfamilienhäusern mit gepflegten Gärten, die rechtzeitig winterfest gemacht worden sind, entlang und wird noch trauriger. Patrizia fühlt sich von allen im Stich gelassen. Allein, mit ihrem Sohn. Sie biegt um die Ecke und schnauft eine Steigung hinauf, zu abgelegeneren, größeren Häusern, die man schon als Villen bezeichnen könnte. Von dort oben kann sie die Rückseite des Frauenhauses betrachten. Es ist komplett weiß, viel Glas, etwas Stahl. Sie fragt sich, ob der Architekt eine Frau gewesen ist, die auch schon einmal in ein Frauenhaus flüchten musste. Wahrscheinlich war der Planer aber ein Mann, der keine Ahnung von den zukünftigen Bewohnerinnen hat. Vielleicht ist er sogar sein ganzes Leben lang noch nie in Berührung mit häuslicher Gewalt gekommen oder der Meinung, dass Frauen es sich selbst zuzuschreiben hätten, wenn man sie schlägt. Vielleicht schlägt auch er seine Frau oder erniedrigt sie auf andere Art und Weise. „Schatz, ich habe dir schon hunderttausendmal gesagt, dass diese Schüssel nicht oben, sondern unten in den Geschirrspüler eingeräumt werden muss. Bist du zu blöd, um dir das zu merken? Vergiss nicht, es ist mein Haus. Wenn dir etwas nicht passt, kannst du gerne gehen. Es warten zig andere darauf, deinen Platz einnehmen zu können.“ Der Gemeinderat hat ihm den Auftrag erteilt, weil er

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