Dancing Queen. Verena Maria Mayr

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Dancing Queen - Verena Maria Mayr

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nie. Sie möchte gern wissen, wie lange sie schon hier ist, aber Cessna herrscht Markus an, zu ihr zu kommen und gießt Milch in ein Fläschchen.

      Markus trennt sich nur schwer von Julius, der ihn mit seinen kleinen, dicken Fingern grapschen will.

      „Wie alt ist er denn?“, rutscht Patrizia noch raus und Cessna schnaubt ein „Zwanzig Monate“ zu ihr hinüber. Mit fast zwei Jahren noch ein Fläschchen, überlegt sich Patrizia. Aber jede Mutter entscheidet, was für ihr Kind am besten ist. Plötzlich hört sie Markus aufschreien. Er hat sein Fläschchen fallen lassen und wahrscheinlich hat Cessna ihn geschlagen, so wie der Kleine sich verzweifelt die Wange hält. Patrizia krampft sich der Magen zusammen und erschrocken hält sie die Luft an. Sogar Julius hört auf zu plappern und schaut seine Mama verunsichert an. Patrizia lächelt ihm zu und zwingt sich, locker zu bleiben. Tausend Glassplitter liegen am Boden verstreut und Cessna flucht wütend vor sich hin. Sie holt Schaufel und Besen und während sie kehrt, schnauzt sie ihren Sohn weiter an. Der steht schluchzend neben ihr, möchte von seiner Mama in den Arm genommen werden, bekommt aber nur Klagen ab. Patrizia stehen vor Mitleid die Tränen in den Augen. Am liebsten würde sie den Kleinen trösten und liebkosen. Stattdessen steht sie auf und hebt Julius aus seinem Stuhl. Schützend drückt sie ihn an sich.

      „Komm, mein Schatz. Es ist schon spät und wir gehen schlafen.“

      Sie wünscht allen eine gute Nacht und verzieht sich so rasch wie möglich mit Julius in ihre Wohneinheit. Also der würde Patrizia Julius sicher nie anvertrauen. Während der Beratungsstunden oder wenn man Putzdienst hat, sollten die Kinder der jeweiligen Frauen von den anderen Müttern mitbetreut werden. Und bei dieser Marianne würde sie ihn sicher auch nicht lassen

      Kapitel 2

      „Schätzchen, wir gehen morgen in die Badewanne. Heute machen wir Katzenwäsche.“ Sie zieht Julius aus und streichelt seinen kleinen, weichen Körper. Ihr fallen die blauen Flecken auf den Armen ihrer Mutter ein, als sie klein war. Warum hat sich ihre Mutter das gefallen lassen? Warum hat sie ihren Vater nicht angezeigt? Patrizia gibt sich selbst die Antwort: Damals hat es noch kein Gewaltschutzgesetz gegeben und der private war vom politischen Bereich getrennt. Die Frau ist Privateigentum des Mannes gewesen – und auch heute ist es oft noch so. Gewalt in der Ehe wurde als „normal“ erachtet und musste eben ertragen werden. Außerdem hätten ihre Großeltern eine Trennung nie toleriert. Patrizia überlegt, ob ihre Mutter gewartet hat, bis ihre Eltern tot waren, um sich scheiden zu lassen. Sie würde gerne mit ihr über damals reden. Hat sie gespürt, dass man ihr das nicht antun darf? Sie selbst hat Lust, alle Tabus zu brechen. Sie will reden!

      Patrizia setzt sich auf den Wannenrand und hebt Julius auf ihre Knie. Dann nimmt sie seine Zahnbürste, drückt die mitgebrachte Kinderzahnpasta darauf und steckt sie in den bereits geöffneten Mund. Sie ist froh, dass er sich die Zähne so gerne putzen lässt.

      „Sehr gut, Julius.“ Er schmatzt und schluckt.

      „Lass mich noch einmal ein bisschen bürsten. Nicht nur die Zahnpasta essen! Aaahhh. Ja, so ist es gut. Sehr gut. Fertig! Jetzt Mund abwischen, Haare bürsten und ab ins Bett!“

      „Dadada.“

      Patrizia setzt ihn auf den Boden, putzt sich selbst ratz-fatz die Zähne, wäscht sich übers Gesicht und schminkt sich die restliche Wimperntusche mit einem Wattepad ab. Sie erhascht ihr Spiegelbild und denkt, dass man ihr selbst nicht ansieht, was passiert ist. Alles könnte Einbildung oder erfunden sein. Vor ihrem inneren Auge tauchen blutverschmierte Fliesen auf. Nein, so weit hat sie es nicht kommen lassen. Wäre es so weit gekommen? Mimmo hat sie schließlich einmal in ihr enges Badezimmer gedrängt, ihr den Weg versperrt und ihr gedroht, dass er sie verschwinden lassen würde. Wie hätte er es gemacht? Ihr den Fön in die Badewanne geworfen, um es wie einen Unfall aussehen zu lassen? Sie schüttelt den Horrorgedanken ab und hebt Julius auf.

      Wieder zurück im Zimmer, sperrt sie ab und zieht sich um. Hat sich draußen eben etwas bewegt? Patrizia zuckt erschrocken zusammen, ihr Herz fängt wie wild zu klopfen an. Hektisch zerrt sie an den Vorhängen und versucht, den nun ebenso beunruhigten Julius zu besänftigen: „Diese Burg kann nicht eingenommen werden. Alles gut, alles ist gut.“ Sie versichert sich, dass die Vorhänge gut geschlossen sind und entdeckt, dass es kein Tischlämpchen gibt und auch sonst keine Möglichkeit, das Licht zu dämpfen. Mist, wie soll ihr Kind da nur einschlafen? Schließlich legt sie sich gemeinsam mit dem übermüdeten Julius ins Bett. Weil er nicht einschlafen kann, legt sie ihn an die Brust. Dabei will sie ihn längst abstillen. Patrizia will endlich wieder Tabletten schlucken und mal ein Glas Wein trinken können. Aber das ist ein Notfall. Sicher spürt er, dass etwas passiert ist und dass das, was passiert ist, nicht gut ist. Patrizia hat Gewissensbisse. Nach zwei Minuten ist Julius eingeschlummert, und sie lässt sich erschöpft zurück fallen. Viel Platz bleibt ihr nicht. Sie wartet bis sich Julius im Tiefschlaf befindet, um ihn in sein Bett zu heben. Ihr Rücken tut so weh, dass sie sich fast nicht aufsetzen kann, und mit zusammengebissenen Zähnen hievt sie ihn schließlich hinüber. Patrizia ist so geschockt von den Ereignissen, dass sie auch trotz großer Müdigkeit nicht einschlafen kann.

      Patrizia ist eine energische Person, ein starkes Opfer – wenn man diesen Begriff überhaupt auf sie anwenden möchte –, dem gegenüber man kein Mitleid empfindet. Es gibt schließlich Schlimmeres. Und sie wird schon ihren Teil dazu beigetragen haben. Also ist sie eigentlich gar kein Opfer. Patrizia hat sich deshalb sehr komisch gefühlt, als sie zum ersten Mal das Gewaltschutzzentrum kontaktiert hat. Das hatte ihr ihre Therapeutin geraten, die sie verzweifelt angerufen hat, nachdem Mimmo ihr den Kinderwagen samt Julius entrissen hatte, weil sie eine Freundin besuchen wollte und er nicht. Er bestimme, welchen Umgang sein Kind hat. Diese Freundin Patrizias passte ihm nicht. Mimmo hat Patrizias Finger, die den Griff umschlossen hielten, gewaltsam losgedrückt. Er hat sie so fest gepackt, bis sie sie vor Schmerz selbst geöffnet und den Wagen freigegeben hat. Ohne sich umzudrehen ist er mit Julius davongegangen. Patrizia hat unter Schock gestanden und ist nicht fähig gewesen, einen klaren Gedanken zu fassen. Sollte sie schreien? Sollte sie hinterherlaufen? Mit rasendem Herzen und leerem Kopf keuchte sie Mimmo nach. Kurz vor dem Haustor holte sie ihn ein. Er bewegte sich keinen Zentimeter von Julius weg. Als sie in der Wohnung waren, hat Patrizia sich ins Klo gesperrt und ihre Therapeutin zum ersten Mal angerufen. Die hat sofort abgehoben und sie ermahnt, Ruhe zu bewahren und Mimmo nicht zusätzlich zu provozieren. Für den Notfall hat sie ihr die Nummer vom Gewaltschutzzentrum per SMS geschickt. Fassungslos ist Patrizia auf dem heruntergeklappten Klodeckel gesessen und hat sich gedacht, dass es nicht soweit kommen dürfe. Dennoch hat sie die Nummer nie gelöscht. Ihrer Familie gegenüber hat sie diesen Vorfall verschwiegen. Sie würden denken, sie hätte Mimmo bis aufs Blut provoziert. Da könne einem schon mal die Hand ausrutschen, hätten sie gesagt. Noch dazu hat er sie ja gar nicht zusammengeschlagen. Überhaupt sehen viele bestimmt in Mimmo das Opfer. Und er bleibt noch bei ihr, bei einer hysterischen, egoistischen Furie. Er betrügt sie nicht und geht jeden Sonntag in die Kirche. Mimmo ist ein guter Mann.

      „Ja, Patrizia ist schon immer schwierig gewesen“, hat ihre Mutter zu ihm gesagt, und Mimmo hat sich bestätigt gefühlt. Und Verständnis gezeigt – aber nicht Patrizia gegenüber.

      „Lass deine Psychosen nicht an mir aus. Wie komme ich dazu, deine beschissenen Kindheitserinnerungen auszubaden?“, hat er ihr an den Kopf geworfen. „Mach lieber wieder einen Termin bei deiner Therapeutin aus. Du bist diejenige, die nicht normal ist.“

      Vielleicht ist sie tatsächlich nicht normal. Sie geht seit vier Jahren zu einer klinischen Psychologin, und was hat es bisher gebracht? Ist sie etwa geheilt? Ist eine Heilung abzusehen? Ja, woran leidet sie eigentlich genau? Depressive Verstimmungen könnten genauso gut ein Synonym für Geisteskrankheit sein, oder? Die Essstörungen sind aber größtenteils behoben. Endlich stopft sie sich bei einem Problem nicht mehr bis zur Übelkeit voll. Diesmal schließt sich ihr Magen, eher dreht er sich um. Bedeutet

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