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der das Grundstück umgibt. Auch hier hinten ist eine Videokamera installiert. Das Haus ist rund um die Uhr bewacht und direkt mit der örtlichen Polizeistation verbunden. Was haben wohl die Leute, die hier leben, zum Bau des Frauenhauses gesagt? Ob sie damit einverstanden gewesen sind? Es besteht doch die Gefahr, dass rabiate Ehemänner wutentbrannt oder betrunken auftauchen und randalieren. Und wer will schon seine Kinder mit einem solchen Milieu konfrontieren? Patrizia dreht den Kinderwagen um und schaut zur gegenüberliegenden Villa. Sie sieht, wie ein Gesicht rasch hinter dem weißen Häkelvorhang verschwindet. Schaut sie kriminell aus? Vielleicht ist es die Frau des Hauses, die von ihrem Mann geschlagen und eingesperrt wird. Sie sehnt sich danach, auch ins Frauenhaus zu flüchten, weiß aber nicht, wie sie die paar Meter schaffen soll. Patrizia schmunzelt über ihre eigene Phantasie. Sie fühlt sich besser und kehrt ins Frauenhaus zurück.

      Vor der Videokamera drückt sie den Knopf, grinst hinein und drückt gegen die Eingangstür. Sie weiß nicht, warum sie eine Abwehr gegen das Haus zu entwickeln beginnt. Das ist doch ihr Asyl. Sie hat den Antrag aus freien Stücken gestellt und ihm ist stattgegeben worden. Es handelt sich um ihre Zufluchtsstätte. Das ist im Moment der einzige Ort, an dem sie sicher ist und wo sie keine Angst haben muss, dass ihr Kind entführt wird. Mimmo hat ihr damit nicht wirklich gedroht, aber dass sie ihn im Moment so wenig einschätzen kann, lässt sie diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Er liebt seinen Sohn abgöttisch und hat ihr mehrmals gesagt, dass er niemals ohne ihn leben werde, dass er immer sein Vater und Julius immer sein Sohn sein werde. Mimmo ist dabei jedes Mal sehr dramatisch geworden und Patrizia konnte nie wissen, wie seine Auftritte enden würden.

      Langsam fährt sie die Rampe hoch. „Oh ja, ich komme wieder“, sagt sie laut in Richtung Überwachungskamera „Ich bin ein Opfer. Mein Sohn auch. Wir brauchen Hilfe. Das Leben ist scheiße. Lasst uns rein! Macht schon, mir ist kalt.“

      Kapitel 6

      Das Beratungszimmer ist sehr gemütlich. Es ist wohlig warm, ein dicker, weicher Teppich liegt in der Mitte des Raumes und darauf stehen zwei knallige Couchsessel aus orangefarbenem Leder. Es gibt auch eine rote Couch, bei deren Anblick Patrizia an Freud denken muss und daran, dass sie eine eigene Therapeutin hat. Die Beraterin heißt Birgit, ist sehr jung und erinnert Patrizia an jemanden.

      „Nehmen Sie doch Platz“, sagt diese. „Machen Sie es sich gemütlich. Und der kleine Mann natürlich auch.“ Sie lächelt Julius freundlich an. Er enttäuscht sie nicht und erwidert großzügig ihr Lächeln.

      „Jetzt fällt es mir ein. Wissen Sie, wem Sie ähnlich sehen?“, fragt Patrizia.

      „Was meinen Sie?“

      „Sandra Bullock!“

      Birgit lächelt wieder. „Ja, das habe ich tatsächlich schon öfter gehört. Ich kann das aber gar nicht erkennen.“ Sie wirkt dennoch geschmeichelt und scheint gegen den Vergleich nichts zu haben.

      Patrizia setzt sich und Julius steuert auf den kleinen Tisch zu, der die perfekte Höhe für ihn hat. Freudig zieht er sich hoch und grapscht nach der Taschentuchbox. Patrizia will sie automatisch wegstellen.

      „Nein, lassen Sie doch“, sagt Betreuerin Birgit und macht eine abwehrende Geste mit der Hand.

      „Er wird sie ausräumen“, erklärt Patrizia.

      „Macht auch nichts.“ Sie lächelt großmütig, verständnisvoll.

      „Na gut. Dann ist er wenigstens beschäftigt.“

      „Gut, also fangen wir an. Zu Beginn werde ich Ihnen einige Standardfragen stellen. Natürlich werden keine Daten von uns weitergegeben. Alles wird streng vertraulich behandelt.“

      Birgit Bullock will den Namen von Mimmo, sein Alter, seinen Beruf wissen und fragt, wo er wohnt oder wo er sich jetzt aufhält. Patrizia sagt ihr, was sie hören will, hat aber kein gutes Gefühl dabei. Am liebsten würde sie nur über sich sprechen. Sie hätte gern sofort eine Lösung für alles. Am liebsten würde sie mit einem Augenblinzeln aus diesem Alptraum aufwachen, und alles sollte gut sein.

      „Wissen Sie, ich bin eigentlich eine sehr selbständige Frau, die ihren Weg geht. Ich lasse mir nicht gerne was sagen, ich bin autonom. Ich bestimme gerne selbst, was gut für mich ist. Ich treffe meine Entscheidungen gerne – wie soll ich sagen? – ohne fremde Hilfe. Jeder Freundin hätte ich geraten, zu gehen. Jede andere Frau hätte ich gefragt, ob sie noch normal ist, wenn sie mit so jemandem zusammen bleibt. Nach alldem, was passiert ist. Jede hätte ich für blöd gehalten. Jetzt weiß ich, dass ich oft vorschnell geurteilt habe. Und voreilig verurteilt. Wenn man eine Situation nicht selbst erlebt hat, kann man sich noch so bemühen, sich hinein zu fühlen, aber es ist eigentlich unmöglich. Es ist wie eine Schwangerschaft. Wenn man sie nicht selbst erlebt hat, kann man sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn man sein Baby zum ersten Mal spürt.“ Patrizia macht eine Pause. Sie schaut nach Julius und fährt fort: „Ich fühle mich wie in Trance. Wissen Sie, vorhin, im Supermarkt, wäre ich fast ohnmächtig geworden. Ich habe das Gefühl, komplett neben mir zu stehen. Das ist nicht mein Leben. Das kann doch nicht mein Leben sein ...“ Patrizia blinzelt hektisch mit den Lidern, um ihre Tränen zu unterdrücken. Wenn sie jetzt zu weinen anfangen würde, würde sie nicht mehr aufhören können. Vor Julius will sie nicht zusammenbrechen. Sie schluckt den Kloß in ihrem Hals und konzentriert sich auf die Schneeflocken draußen.

      Birgit blickt sie mitleidig an, mit ihren großen, braunen, sanften Rehaugen. Sie kann nicht nachempfinden, was Patrizia gerade durchmacht. Sie hat so etwas noch nie erlebt. Sie hat kein Kind. Sie lebt sicher in einer gemütlichen Wohnung mit einem lieben Freund. Und wahrscheinlich haben sie einen großen, treuherzigen Hund, liebe Eltern, Geschwister, Tanten, Cousins und Onkel. Liebe Freunde, guten Wein, schöne Geschenke und tolle Urlaube.

      „Patrizia. Patrizia! Hören Sie mir zu?“

      „Entschuldigung, ich bin jetzt mit meinen Gedanken vollkommen abgeschweift“, entschuldigt sich Patrizia.

      „Ja, das habe ich gemerkt.“ Birgit schmunzelt. Sie nimmt es nicht übel. Solche Situationen wird sie kennen. Julius hat inzwischen die Taschentuchbox ausgeräumt und kaut an einem Zipfel. Patrizia lässt ihn. Das schadet nicht und er gibt noch ein wenig Ruhe.

      „Wo waren wir?“

      „Sie sind noch ziemlich verwirrt, was total normal ist in dieser Situation“, sagt Birgit. Die Situation, die Situation, denkt Patrizia und zwingt sich, dem Gespräch zu folgen.

      „Sie wissen, dass Sie hier so lange bleiben können, wie Sie möchten?“

      „Nein, ja. Wirklich?“

      „Ja. Das können Sie.“

      „Wer bezahlt das denn?“

      „Das wird vom Staat finanziert. Dafür gibt es spezielle Geldquellen. Aber halten wir uns nicht damit auf. Kümmern wir uns darum, wie Sie weitermachen können. Welche Schritte Sie setzen können, damit Sie zu ihrem Leben zurück finden.“

      „Ja. Ich weiß im Moment nicht, was ich tun soll, noch wo ich anfangen soll. Ich finde es schon so traurig, dass ich mit meinem Sohn hierher flüchten musste und keine Familie habe, die uns aufgenommen hat.“

      Tränen kullern über Patrizias Wange. Sie kann sie nicht mehr zurückhalten. Julius blickt seine Mama verwundert an.

      „Dadada“, sagt er und versucht, sich an ihr hoch zu ziehen. Patrizia lächelt ihn an, hebt den Kleinen hoch und drückt

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