Federträger. Yves Holland
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„Komm schon, Findel, schmoll nicht. Wir üben es eben so lange, bis du es kannst.“ Thorn von Wolff beobachtete seinen Bruder aufmerksam und legte ihm beschwichtigend und aufmunternd die Hand auf die Schulter, doch Fandor schüttelte sie ab. „Nenn mich nicht so, ja?“, brauste er auf.
„Ist ja schon gut. Lass uns den Ausfallschritt nochmal üben, in Ordnung? Dieses Mal hast du es schon viel besser gemacht als vorhin“, schwindelte Thorn, der weiterkämpfen wollte. Flink sprang er auf und schwang das Holzschwert, dass es nur so durch die Luft sirrte. Eine träge dahinsummende Hummel konnte dem ungezielten Hieb gerade noch ausweichen und brummte verärgert, während sie auf der Suche nach dem nächsten Blütenkelch in Schräglage durch die Luft schlingerte. Thorn, dem dies natürlich völlig entgangen war, mähte ungestüm mit seinem Schwert ein Feld von Margeriten ab und biss sich dabei leicht auf die Unterlippe - ein Zeichen höchster Konzentration und Präzision in der Führungsarbeit an seiner selbst geschnitzten Waffe, ganz, wie er es seinem älteren Bruder Mjörk abgeschaut hatte. Seine schwarzen, halblangen Haare hingen ihm dabei wild in die Stirn. Die Köpfe der Blumen regneten auf die beiden Freunde nieder.
„Vater sagt, wenn wir fleißig mit den Holzschwertern üben, bekommen wir richtige zum Sonnwendfeuer.“ Er ließ sich breit grinsend und leicht außer Atem wieder ins Gras fallen und piekste Fandor in die Rippen. „Willst du das nicht auch?“
„Doch, schon“, kam es halbherzig von Fandor, der erst vorsichtig den Boden beäugte, ehe er sich neben Thorn setzte. Er schaute griesgrämig vor sich hin. „Ich werde nie gut genug sein, um ein Schwert zu führen. Pope Prakh hat bestimmt nicht vor, mir eins zu geben.“ Fandor schien voller Interesse einen Punkt neben seinem linken Fuß zu betrachten, an dem Thorn nichts Bemerkenswertes fand außer Gras. Und das gab es hier überall.
Thorn schob nachlässig die Haare aus den Augen und schaute seinen Freund an. Fandor war so ziemlich der seltsamste Mensch, den Thorn überhaupt kannte. Sicher, es kamen alle paar Wochen befreundete Reiter der Nachbarstämme vorbei, und Thorn kannte bereits eine Menge Leute. Aber keiner war wie Fandor.
Schon äußerlich unterschied er sich vollkommen von den Freien Reitern, zu denen Thorn gehörte. In Thorns Familie hatten alle olivgrüne Haut, wirre schwarze Haare, breite Wangenknochen und schmale dunkle Mandelaugen. Seine älteren Brüder Larsso, Mjörk und er selbst waren ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Frauen der Freien Reiter, auch Mome Ira, hatten ähnlich dunkle Haut wie die Männer, und eigentlich sahen alle Familien im Lager mehr oder weniger so aus wie seine eigene, wenn er darüber nachdachte.
Nur Fandor nicht. Fandor war in jeder Hinsicht anders. Nicht nur, dass er es nicht verstand, das Schwert zu führen, nicht einmal nach Jahren des Schwertspiels mit Thorn und den anderen Kindern. Fandor sah auch vollkommen anders aus. Seine hellgrünen Augen und seine haferblonden lockigen Haare, das lange Kinn, seine schmächtige Gestalt und sein sanftes Wesen standen in krassem Gegensatz zu den Eigenheiten der Freien Reiter.
Und immer hatte er diesen entrückten Blick, als ob er ständig mit seinen Gedanken woanders wäre.
Da war es wieder! Fandor schaute in die Ferne, und Thorn, der das schon kannte, fiel nicht mehr darauf herein. Fandor tat nur so, als ob er in die Ferne blickte. Wenn er, Thorn, seinem Blick folgen würde, wäre da nichts Interessantes zu sehen. Fandor schaute einfach Dinge, die sonst niemand sah.
Thorn seufzte theatralisch. „Natürlich wird er dir ein Schwert geben. Alle Jungen bekommen ein Schwert.“ Das war doch klar. „Und jetzt lass uns noch eine Runde kämpfen!“ Rau rempelte er Fandor an, sprang auf und ging mit seinem Schwert in Kampfstellung. Behände kam auch Fandor wieder auf die Beine und machte sich bereit für eine neue Niederlage.
„Was sollen wir nur mit dem Jungen machen?“ Prakh von Wolff, Oberster Clanführer der Freien Reiter und von imposanter Gestalt, raufte sich wild die Haare und ließ sich seiner Frau Ira gegenüber auf die Sitzfelle im Zelt fallen. Ira war vertieft in Näharbeiten. Bei vier Söhnen gab es viele Näharbeiten zu erledigen, und sie hatte immer irgendetwas zum Flicken bereitliegen, wenn das Vieh versorgt und das Essen gekocht war.
„Wie meinst du das, Prakh?“ Irritiert sah sie auf, ließ aber nicht die feine Hornnadel sinken, die sich auch ohne Augenkontakt flugs durch das Leder arbeitete.
Prakh strich sich gedankenverloren über eine große Narbe auf seiner linken Wange, eine Erinnerung an eine gefährliche Jagd, bei der er nur knapp mit dem Leben davongekommen war. Die Großkatze war eine hart erkämpfte Jagdtrophäe gewesen. „In einem Mond ist Sonnwendfeuer, und da sollten Thorn und Fandor ihre Schwerter bekommen. Aber Fandor ist noch nicht so weit, und ich bezweifle, dass er es je sein wird.“ Seine Stimme wurde lauter, denn das Thema erregte ihn, ohne dass er es selbst merkte. Prakh tat einen langen Schluck aus seinem Krug Dinkelmet. „Er ist ein seltsamer Kauz, der Junge.“
Ira blitzte ihn aus dunklen Augen verärgert an. „Prakh von Wolff, du hast diesen Jungen an Vater statt angenommen, und ich will nie wieder aus deinem Munde hören, dass er ein seltsamer Kauz ist!“ Iras Stimme war scharf geworden, und ihr schon von einzelnen grauen Strähnen durchzogener Dutt begann sich unter ihrem Unmut aufzulösen, als sie temperamentvoll mit den Händen vor Prakhs Gesicht herumfuchtelte. Ihr korpulenter Brustkorb hob und senkte sich drohend vor Prakh, der mit großen Augen zu ihr herübersah. Was ereiferte sie sich so?
„Zugegeben, er ist anders als die anderen Jungen, aber es fehlt ihm nicht an Mut und Geschick. Er reitet wie der Teufel, und er ist ein prächtiger Bogenschütze. Er ist der einzige, der es fertigbringt, Honig von den wilden Bienen zu holen, ohne hinterher auszusehen, als hätte er die Blattern, und er ist ein geschickter Schwimmer. Er findet Beeren, an denen alle anderen vorbeilaufen, als seien sie blind wie die Erdwühler, und – vergiss das nie, Prakh! – er hat deinem Sohn letzten Sum das Leben gerettet.“
Prakh sah erstaunt auf. „Du hast ja recht, Ira, aber er ist so...“ Er fuchtelte fahrig mit einer Hand durch die Luft, „so ... so anders!“ Iras Augen verengten sich gefährlich, aber Prakh, der schon weiterredete, sah es nicht.
„Du solltest dir einmal ansehen, wie er das Schwert führt! Da wird mir jedes Mal angst und bange! Und wie er mit dem Rund umgeht! Er kann den Rund noch nicht einmal fangen, geschweige denn werfen oder treten!“ Prakh war wieder laut geworden, ohne es zu merken. „Ein Junge, der einen Rund nicht treten kann!“
Ira von Wolff blickte immer noch starr auf ihren Mann.
„Ja, und?“, fragte sie nun kühl. „Ein Junge, der den Rund nicht treten kann. Prakh, ist das so schlimm? Ein Rund! Was zum Donner willst du mir damit sagen? Dieser Junge ist etwas ganz Besonderes, und das weißt du auch. Gut, er kann den Rund nicht fangen. Aber dafür hat er andere Qualitäten. Da, wo er herkommt, kann vielleicht keiner den Rund treten oder fangen. Vielleicht kennt da, wo er herkommt, überhaupt niemand einen Rund? Vielleicht kann dafür da, wo er herkommt, jeder Honig finden und jeder Wachträume haben und jeder die Tiere mit einer Flöte beschwören.“
Prakh sah mit hohlem Blick in seinen Krug. Menschen, die womöglich keinen Rund kannten? So ein Unfug. So etwas konnte es doch gar nicht geben. Ein Rund war ein Rund! Jeder kannte das! Unvorstellbar, was Ira da sagte. Er schüttelte leicht den Kopf.
Seine Frau schaute ihn immer noch an und sagte mit etwas weicherer Stimme: „Und wenn er nun gar kein Schwert haben will? Hast du daran schon einmal gedacht? Er trägt eine Flöte in Form einer Feder um den Hals. Vielleicht ist er nicht dafür gemacht, auch noch ein Schwert zu tragen? Für dich wäre es eine Schande, kein Schwert zu tragen. Für Fandor wäre es vielleicht eine Schande, eins zu führen. Wir wissen so wenig über ihn.“ Gedankenverloren