Allah ist unsichtbar. Martina Dr. Schäfer

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Allah ist unsichtbar - Martina Dr. Schäfer

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an sich weder Erscheinungsform noch Kraft, noch Willen noch Unabhängigkeit vom Guten.

      Auch die spätere Naturfeindlichkeit im Christentum ist bereits bei Dionysius Areopagites widerlegt[95] und selbst Hässlichkeit (als Abwesenheit des Schönen) tritt niemals vollkommen ohne dieses Schöne auf, es ist nur «weniger» schön.[96]

      Lehnt Dionysius Areopagites für das Gute/Anmutige jede Relativierung ab, wie ich oben darstellte, entwickelt er in Bezug auf die Genese des Bösen ein vollkommen relativistisches Modell, welches die letztliche Abhängigkeit und Bezogenheit des Bösen auf das Gute logisch sehr schlüssig darstellt.[97]

      Im Weltgefüge der Hierarchien bedeutet Böse-Sein dann auch für Jeden/Jede/ Jedes etwas anderes. [98]

      In jene grossen Tragödie zum Entwicklungsweg des neuzeitlichen Menschen Faust lässt Johann Wolfgang von Goethe den Engelschor am Ende von Faust' Leben singen: Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen. Und hat an ihm die Liebe gar von oben Teil genommen, begegnet ihm die selige Schar mit herzlichem Willkommen. Lange nachdem Mephisto auf einer populä­ren, theaterwirksamen Ebene Dionysius Areopagites Definition des Bösen[99] publi­kums­wirksam geseufzt hatte: Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, um Faust dann durch jene Höhen und Tie­fen seines Erkenntnisweges zu zerren, der anscheinend ohne das Böse so wenig zu bewältigen ist wie ohne die Liebe.

      Dass das eben referierte Kapitel IV der DN ganz sicher als zentrales Kapitel zu sehen ist, zeigt alleine schon die schlichte Auszählung der Seiten im Verhältnis zum gesamten Text der DN: Kapitel IV umfasst die Hälfte des gesamten Buches DN, 26 Seiten gegenüber 54 in der Übersetzung von Beate R. SUCHLA in der Bibliothek der griechischen Literatur.

      Das heisst, die Fragen nach der Art und Weise des «Einen» (= gut), nach dem seines Wie (= schön), seiner ersten Hypostase (Weltwerdung = Licht), der trei­benden Kraft von Allem (= Liebe) und dem Ort des Gegenteils, des Bösen darin (= Schwäche) sind die wichtigsten in Bezug auf den Erkenntnisablauf nach der Methodik der positiven Theologie.

      In Kapitel V[100] erläutert Dionysius Areopagites die Bezeichnung «Sein», eher wohl dessen Wirkung, als die Mitteilung des Guten/Gottes an welcher jedoch das/die Seiende/n mit beteiligt, besser vielleicht ausgedrückt: Antwortend, spiegelnd sind.

      Ähnliches gilt für die Namen «Leben» (Kapitel VI[101]) und «Weisheit» (Kapitel VII[102]) oder «Kraft» (Kapitel VIII[103]), an welchen die Menschen in gleicher Weise Teil haben können.

      Das Kapitel IX[104] spielt mit Gegensätzen wie «gross» – «klein», «ähnlich» – «unähnlich», etc. und was sich daraus für die Menschen ergibt.[105]

      In Kapitel X[106] wird Gottes Stellung über und vor aller Zeit (der «Alte der Tage») beschrieben, Kapitel XI[107] erklärt den Namen «Friede» aus der oben beschriebe­nen spiralförmigen Bewegung des Menschen sowohl in sich selbst zurück als auch jeweils zum Guten an sich hin.

      In Kapitel XII[108] kulminiert Dionysius Areopagites mit Namen wie «Gott der Götter», «König der Könige» die Übersteigerung und die Fülle.[109] Kapitel XIII[110] schliesst die Rückwärtsbewegung der erkennenden, positiven Benennungen Got­tes, welche ja etwa im IX. Kapitel wieder begonnen hat und gelangt nun bei den Namen «der Eine», der «Vollkommene» letztlich wieder «oben» an.[111] Wobei ich den Ausdruck «Überwindung» doch ein wenig abwertend von Beate R. SUCHLA finde. In meinen Augen fördert Dionysius Areopagites christliche Weiter­ent­wicklung des platonischen Modells vom Reden über das Transzendente einen kreativen Beitrag zur praktischen Pastorale oder Mission, in dem die doch etwas abstrakt ästhetische Triade aus Gut/Schön/Liebe in der Dreiheit von Schöpfer (= Schönheit) – Sohn (= Liebe) – Geist (= Gut) gewissermassen, um das mal so lapidar modern auszudrücken, «Fleisch am Knochen» erhält.

      Noch mehr «Fleisch» findet sich dann im Folgenden in seiner Ausfaltung der Ordnung: Den himmlischen und kirchlich-irdischen Hierarchien, die ich im folgenden Abschnitt darstellen werde.

      Egal, ob nun das neuplatonische Modell[112] des Dionysius Areopagites, wie ich es in den voran gegangenen Abschnitten referierte, mehr oder minder christlich konnotiert ist[113], erhebt sich nun an diesem Punkt auf jeden Fall die Frage, wie überhaupt ein Erkennen oder gar eine Vereinigung mit diesem «Einen», dem Guten möglich sein könnte.

      Aber auch, in welchen Formen sich denn nun das Gute, das Eine in einer viel­fältigen, ausgefaltenen Welt zeigen könne.[114]

      Dionysius Areopagites entwirft zur Beantwortung dieser Frage einen grossen, McGINN spricht sogar vom «kosmologischen»[115] Entwurf der himmlischen und kirchlichen Hierarchien[116], in welche denkende Wesen wie Engel und Menschen hinein gestellt sind.

      Diese Hierarchien sind nicht starr, sondern, wie alles bei Dionysius Areopagites, prozessual zu denken: Als Abstiegsbewegung («Botengang») der Engel und Aufstiegsbewegung der Menschen.

      Wir sind heute gewohnt, unter Hierarchien eher Macht- und Abhängigkeitssys­teme zu verstehen, gegen die man, selbst wenn sie eventuell demokratisch oder fachlich legitimiert sind, auf jeden Fall revolutionär anzurennen hat. Dionysius Areopagites Hierarchiebegriff ist sicherlich ein ganz anderer.[117] Modern ausge­drückt könnte man bei ihm vielleicht von Kompetenzhierarchien sprechen. Eine Kompetenz, welche durch ihre jeweilige Nähe oder Distanz zum Einen sowie durch das Verhältnis zu den Anderen[118] gekennzeichnet ist. Also einerseits durch­aus selbst erworbene Kompetenz, andererseits aber auch einfach Gnade.[119]

      Möglicherweise hilft auch das Bild der (Karriere-)Leiter, auf der es jedoch ein stetes Auf u n d Ab gibt und die Abwärtsbewegung nicht in zurücksetzender, degra­dierender oder bestrafender Weise zu verstehen ist, sondern sich auf die liebende und lehrende Herabneigung bereits fortgeschrittener Menschen oder eben der Engel bezieht.

      Um weiter im Bild moderner Allegorien[120] zu bleiben, könnte man deshalb auch von einem Alumnisystem sprechen, in welchem Fortgeschrittene die Jungauf­steiger an die Hand nehmen, eine CEO-Ebene fördernd, lehrend, reinigend um den Mittelbau bemüht ist, der wiederum Verantwortung für die Entwicklung der Leute im operativen Bereich ausübt, für Schwache und weniger Motivierte, ja sogar Verantwortung für die Arbeitslosen ausserhalb des Betriebes über­nimmt.[121]

      Einem Organigramm gleicht auch das völlige Fehlen moralischer und emotio­naler Aspekte bei Dionysius Areopagites, worauf McGINN[122] hinweist: Es gibt keine Idee der Askese, kein Training der Tugenden, kein dramatisches Marty­rium, Aufstieg und Abstieg vollziehen sich in beinahe sachlicher Weise, «ästhe­tisch» im Sinne der Definition der Ästhetik von KANT als «interesselosem Wohl­gefallen».[123] Dionysius Areopagites nennt es «neidlos».

      Ehe Dionysius Areopagites ab dem III. Kapitel den Aufbau der Himmlischen Hie­rar­chien erläutert, führt er in den ersten beiden Kapiteln noch einmal kurz die Prinzipien apophatischer und kataphatischer Theologie aus, um zu dem Schluss zu kommen, dass es also keineswegs unangebracht wäre, wenn man auch die himm­lischen Wesenheiten mit den unpassenden, nichtanalogen Analogien dar­stellt.[124]

      In Kapitel III beginnt Dionysius Areopagites dann mit seiner sachlichen Definition von Hierarchie als geheiligter Ordnung.[125] Ihre Funktion ist die Angleichung

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