Rufe aus Morgania. Brigitte H. Becker

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Rufe aus Morgania - Brigitte H. Becker

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marode Holztür sprang wie von selbst leise knarrend auf. Die hagere Gestalt der Waldfee löste sich aus dem düsteren Hintergrund und erschien im Rahmen.

      Nach einer kurzen Umarmung bat sie ihre Königin mit einer einladenden Geste herein, um sie durch einen langen, spärlich beleuchteten, schmucklosen Holz Flur in einen anheimelnden Wohnraum am hintersten Ende zu führen. Wie der Boden, die Türen, die Decke und die Wände wiesen auch die vielen Wandregale das Holz der Außenfassade auf.

      Letztere waren vollgepfropft mit bejahrten, teils ramponierten, flüchtig arrangierten Büchern, dazwischen Halbedelsteine und bunt bemalte Teller in Halterungen, wovon einige den Bücherstapeln gefährlich nahe kamen.

      Nur die Glaskugeln, die sich hier und dort in allen erdenklichen Größen, teils unter dunklen Tüchern, fanden, waren in gebührendem Abstand aufgestellt.

      Kein Wunder, waren es doch Eliodors Schätze, die sie wie ihren Augapfel hütete.

      Am Butzenfensterchen lud eine Sitzgruppe aus Weidengeflecht zum Verweilen ein.

      Der Aufforderung ihrer Gastgeberin, es sich auf dem Schaukelstuhl in der Kaminecke bequem zu machen, kam Meridor gerne nach.

      Eliodor, die stehengeblieben war, erklärte mit wissendem Blick:

      Ich habe dich bereits erwartet. Deine Nachricht ist angekommen. Auch haben dich zuvor die Sterne angekündigt.“ Sie schenkte ihr einen aufmunternden Blick.

      „Soll ich Lyraya bitten, uns einen Kräutertee zu kochen?“

      Erstaunt nickte Meridor. Auch danach wollte sich gerade erkundigen.

      Die Waldfee nahm ihr die Worte aus dem Mund!

      Als sie sich entfernte, um ihre Mitbewohnerin aufzusuchen, ließ Meridor sich

      behaglich ins weiche Moospolster des Schaukelstuhls sinken und versenkte sich ins lebhaft prasselnde Feuer im offenen Kamin.

      Ihr war, als hüpfe ein Feuersalamander in den aufzüngelnden Flammen geschäftig hin und her, immer wieder kurz aufzublitzend und entschwindend.

      Eliodor kehrte unbemerkt auf leisen Sohlen mit dem Teetablett zurück, peinlichst darauf bedacht, auch beim Abstellen auf dem Beistelltisch und Arrangieren des Teeservices auf dem runden Korbtischchen Geräusche zu vermeiden. Sie drehte einen Armstuhl so herum, dass sie Nofresias Tochter gegenübersaß, die, ins Feuer starrend, in sich versunken schaukelte.

      Meridor war sehr schön, sah heute aber allzu bleich und übernächtigt aus. Statt der hellen Veilchenaugen dominierte die Nase im fein gezeichneten Antlitz, die länger und spitzer anmutete. Alle Farbe war aus dem Mund gewichen, was ihn schmaler wirken ließ; die langen Wellen im Goldhaar entbehrten Glanz und Sprungkraft. Doch hatte die Haltung der blutjungen Königin um nichts eingebüßt. Wie immer hielt sich Meridor kerzengerade und wirkte im lichtblauen, knöchellangen Blumenkleid, das ihre zierliche Figur wolkengleich umfloss, ebenso hoheitsvoll wie zart und zerbrechlich.

      Eliodor war wesentlich älter, hatte eine annähernd weite Aura, war aber alles andere als schön, einen halben Kopf kleiner als Meridor und von konkreterer Erscheinung.

      Struppige Augenbrauen wucherten ungebändigt über gescheit blitzenden bräunlichen Knopfaugen; der Mund war nicht mehr als ein Strich, das Haar von strähnigem Aschblond.

      Den gestrengen Eindruck unterstrichen noch der Mittelscheitel und die Affenschaukeln um die großen Spitzohren.

      Charakterlich hatte sie viel mit der alten Königin gemein, mit der sie befreundet war.

      Sie trug am liebsten Kaftans, heute einen in hellgrün, ihrer Lieblingsfarbe, nicht nur der Bequemlichkeit wegen, sondern auch, um ihren kleinen Buckel ein wenig zu kaschieren.

      Den hatte ihr höchst wahrscheinlich das häufige Vorstrecken ihres Kopfes eingebracht, um mit ihrer ausgeprägten Schnüffelnase, die der von Hunden glich und das Gesicht beherrschte, Witterung aufzunehmen, was so in der Atmosphäre lag.

      Als ihr Gegenüber wieder zu sich kam, schenkte sie duftenden Tee aus der Blütenkanne ein. Meridor schnupperte dankend am hauchdünnen Blütentässchen, das sie ihr überreichte, und lobte den Kräutertee. Nachdem auch sie gekostet hatte, reckte Eliodor das vorstehende, energische Kinn noch etwas weiter vor, um intensiv wie ein Hund in die Luft zu schnüffeln.

      „Ich wittere Sorgen, größere als sonst. Was ist los mit dir?“

      Meridor nippte gedankenverloren an ihrem Tee, bevor sie gedehnt erwiderte

      „Du hast wie immer Recht. Ich brauche deine Hilfe. Wie du weißt, bereitet es mir immer noch Schwierigkeiten, Mutter Erde zuzuhören. Aber dass sie Hilferufe aussendet ist mir bei der letzten Konferenz der Elfenköniginnen bestätigt worden, und auch, dass sie sich von Menschenhand zunehmend verschmutzt, ausgelaugt und ausgebeutet fühlt, es aber vorerst bei Vorwarnungen belassen will, um abzuwarten, ob sie fruchten, bevor sie härtere Maßnahmen ergreift. Langsam reißt ihr der Geduldsfaden, was nur allzu verständlich ist. Nur wenn es uns gelingt, Menschen zu finden, die ihr helfen wollen, wird sie es sich noch einmal überlegen. Ich weiß nicht, wie es den anderen ergeht, aber meine Rufe verhallen ungehört.“

      Sie warf ihrem Gegenüber einen gequälten Blick zu. „Was ist nur mit der Menschheit los?“

      Die Züge der Waldfee verfinsterten sich beim Zuhören zusehends.

      „Das wüsste ich auch gerne.“ Sie zog die Stirn in Dackelfalten und überlegte angestrengt. Dann schlug sich Eliodor triumphierend auf die Schenkel.

      „Ja, das ist die Lösung! Ich werde die große Kristallkugel befragen.“

      Sich schwerfällig erhebend stellte sie das Teeservice aufs Tablett und dieses auf den Beistelltisch, wobei sie sich Meridors Hilfe rigoros verbat. Auf wackeligen Beinen stakste sie zur Regalwand am hinteren Raum Ende und zog ein schwarzes Tuch mit Sternmuster von ihrer größten Kugel, die in der Ecke stand.

      Sichtlich angestrengt schleppte sie das schwere Stück zum Tisch. Dann suchte sie sich zwei dicke Bücher aus den Regalen aus. Meridor, die nicht länger zusehen konnte, handelte sich wieder eine Abfuhr ein, als sie ihr eines abnehmen wollte.

      „Das schaff ich schon allein. Setz dich wieder hin, aber besser neben mich. Dann kannst du etwas sehen.“

      Was blieb ihr anderes übrig? Um wenigstens etwas tun zu können, stellte Meridor den umgedrehten Korbstuhl zu den anderen an den Tisch, wo Eliodor die Bücher aufschichtete.

      Mit dem Ergebnis noch nicht ganz zufrieden, holte sie noch ein weiteres und legte es auf den Stapel. Mit einem Nicken schickte sie sich an, die schwere Kugel anzuheben. Jetzt ließ es Meridor sich nicht nehmen, ihr zur Hand zu gehen.

      Als die große Kristallkugel glücklich in der Tischmitte auf dem Bücherstapel in Augenhöhe stand, nahm Eliodor auf ihrem Armstuhl Platz und setzte ihr Monokel auf.

      Beide Elfen zogen ihre Stühle dicht an den Tisch heran und beugten sich über die Kugel.

      „Kannst du schon etwas erkennen?“, fragte Meridor gespannt.

      Eliodor legte den Zeigefinger an den Mund. „Psst! Ich muss mich konzentrieren!“

      Mit

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