Rufe aus Morgania. Brigitte H. Becker
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der Sehnsucht
nach ihrer EINEN
versunkenen Nabe
was unaufhaltsam
rasch übergreift
und jetzt schon ein schwaches
Morgenrot zaubert
am Horizont unserer Zeit.
Nellyfer, die Elfenamme, stand vor einer von drei stattlichen, weit ausladenden Bavariabuchen, die mit ihren weit verzweigten, tief herabhängenden Ästen wie Riesenpilze wirkten und mit dem geschlossenen Blätterdach Unterkünfte für den Elfennachwuchs boten. So diente der umfangreichste Baum als Tagesschule, der mittlere als Kita und der kleinste als Krippe für die Allerjüngsten, die Nellyfer betreute.
Für den heutigen Festtag waren die Gemeinschaftsräume aller Buchen zu Schlafsälen für die Elfenkinder umfunktioniert worden.
Nellyfer stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte sich fast den Hals aus, um Ausschau nach Elfenmüttern im Anflug zu halten, konnte aber keine erblicken, vielleicht, weil die Sonne blendete. Am längsten Tag des Jahres hatte sie am späten Abend kaum von ihrer Strahlkraft eingebüßt. Hilflos händeringend wippte sie ungeduldig auf und ab.
Die Jungen waren doch schon da; wo blieben nur die Mädchen?
Prüfend zu den Nachbarbuchen herüberblickend stellte sie erleichtert fest, dass dort auch noch eine Kollegin auf die ihren zu warten schien.
Nellyfer seufzte. Die hatten es gut da drüben, arbeiteten im eingespielten Team, konnten sich problemlos abwechseln und vertreten. Sogar an Festtagen hatten dort je drei Elfen Dienst.
Sie jedoch war ganz alleine verantwortlich für Kinder im ersten Lebensjahr und hatte kaum Hilfe, außer dass Walfriede im Notfall für sie einsprang.
Erfreut winkte sie herüber, als sie die Freundin in der Kindergärtnerin erkannte, die vor der Kita Buche stand. Walfriede winkte lebhaft zurück. Sie trug dieselbe Diensttracht wie sie, ein weiß blau gestreiftes kurzes Kleid mit weiß- blau gestreifter, gerüschter Trägerschürze.
Wie immer wirkte sie wie aus dem Ei gepellt, sauber und adrett.
Nellyfer hingegen legte nicht allzu viel Wert auf ihr Äußeres. Ihr Kleid war verknittert, die haltgebende Schürze verfleckt, ohne die es um ihre zierliche Gestalt herum geschlackert wäre. Dass immer wieder ein Träger von ihren schmalen Schultern herunter rutschte, störte sie normalerweise nicht, doch heute machte es sie nervös, dass sie ständig daran herumzupfte.
Es wollte ihr einfach nicht gelingen, sich gut sitzende Kleidung anzuzaubern, zumal sie ihren Zauberstab oft nicht finden konnte, geschweige denn die Sachen glatt und fleckenlos zu halten, was sich als ein Ding der Unmöglichkeit erwies, wenn die Kleinen an ihr herum zerrten und sich einen Spaß daraus machten, sie beim Füttern anzuspucken.
Walfriede war etwas älter und größer als sie und von dichterer Gestalt. Ihr rötlicher Pagenkopf war exakt in der Mitte gescheitelt; kleine Mandelaugen blitzten gescheit aus dem pausbackigen Gesicht. Die Freundin war auch ungebunden und ohne eigene Kinder, meistens gut gelaunt, lebhaft und fleißig, oft gar übereifrig, ging sie doch völlig in ihrer Arbeit auf.
Neben ihr wirkte Nellyfer noch durchscheinender und zartgliedriger als sie ohnehin
schon war. Das herzförmige Gesicht, beherrscht von wasserblauen Kulleraugen, umrahmte ein strohblonder Kraus- oder vielmehr Struwwelkopf, der kaum zu bändigen war. Sie machte sich auch kaum die Mühe. Es gab schließlich wichtigere Dinge!
Eher verträumt und in sich gekehrt konnte Nellyfer von der liebenswerten Chaotin zum Nervenbündel werden, wenn sie sich überfordert fühlte. was jedoch selten vorkam.
Ausgesprochene inspirative Fähigkeiten erleichterten ihr den Umgang mit Ziehkindern, erspürte sie doch was den Kleinen fehlte, auch wenn sie noch nicht sprechen konnten.
Heute war ein Tag, der ihr mit der inneren Ruhe diese Begabung raubte, befürchtete sie doch, dass sie in der ungewohnten nächtlichen Umgebung nicht rechtzeitig einschlafen könnten. Elfenkinder schliefen normalerweise tief und fest, und wenn sie einmal eingeschlafen waren, konnte man sie getrost alleine lassen.
Aber ob das heute der Fall sein würde, stand noch in den Sternen.
Aufgeregt tippelte Nellyfer von einem Fuß auf den anderen.
Vor dem Elfentreffen wollte sie unbedingt noch nach der weißen Seerosenknospe schauen, die mit dem Königskind hochschwanger war, dessen Geburt geradezu entgegenfiebert wurde. Fand sie zur Sonnenwende statt, würde es angeblich an Besonderheit gewinnen.
Als sie ein Rauschen über sich vernahm, blinzelte Nellyfer erwartungsvoll hoch.
Eine Wolke schob sich vor die Sonne, die sich hinterher als Elfenschwarm entpuppte, der sich kurz vorm Buchentrio zerteilte, um die benachbarten anzusteuern.
Nebenan übergaben erste Mütter den Wartenden ihre Mädchen. Die Jungen sprangen auf sie zu, um sie mit Hallodris in Empfang zu nehmen.
Es gab kaum Familien in Morgania. Die Geschlechter lebten getrennt voneinander, und Paare kehrten nach dem Tagwerk auch in ihre Clans zurück, wenn sie Kinder hatten, obwohl sich nur Nachwuchs einstellte, wenn die Liebe sie verschmelzen ließ.
Man traf sich zum romantischen Stelldichein im Mondschein unterm Sternenzelt und später auch zum Spielen mit den Kindern.
Töchter lebten bei den Müttern, Söhne bei den Vätern und wurden tagsüber im Buchentrio betreut. Männer waren in der Minderzahl, was nicht weiter störte, denn so manche überzarte Elfe hielt sich lieber von den männlichen Haudegen fern.
Erwartete eine Elfe ein Kind, ließ sie es von einer Knospe austragen, damit sie nicht zu schwerfällig zum Fliegen wurde.
Nellyfer oblag die Überwachung von Blütenschwangerschaften, indem sie mithilfe des inneren Blicks die Entwicklung des Embryos überprüfte, um beizeiten Geburtshilfe zu leisten. Babys stillte sie solange sie mochten, sang und scherzte mit den Krabbelkindern, wann immer es ihre Zeit erlaubte, wofür man sie heiß und innig liebte.
Einige ihre Schützlinge kamen noch im Schulalter mit kleineren und größeren Sorgen zu ihr, und bei ihren Besuchen in der Kita wurde sie von allen immer stürmisch begrüßt.
Dabei hatte sie sich mit Walfriede angefreundet.
Nellyfer machte sich zunehmend Sorgen, wo ihre Mädchen abblieben.
Da sah sie Walfriedes Bruder auf seine Schwester zufliegen.
Welch ein herrlicher Mann, schoss es ihr durch den Kopf, und ihr Herz machte einen Hüpfer.
Die Geschwister zählten zu den Wald Elfen mit ihrer verdichteten Erscheinung.
Walfred war fast einen Kopf größer als seine Schwester und hatte wie sie einen leicht gebräunten Teint, stahlblaue Augen und rötliche Haare, die sich um sein markantes Antlitz wellten. Die Festkleidung aus schimmernder Viskose passte gut zu seinen rostigen Schmetterlingsflügeln: eine knielange rote Tunika mit breiter, gelber