Die Hauptmannstochter. Alexander Puschkin
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Plötzlich wandte er sich an die Mutter:
»Awdotja Wassiljewna, wie alt kann wohl Peter sein?«
»Ja, er ist jetzt im siebzehnten Jahr,« antwortete die Mutter: »Peter ist in demselben Jahre geboren, als die Tante Nastasia Gerasimowna lahm wurde und damals war es auch, daß ...«
»Ja, ja,« unterbrach sie der Vater: »nun ist es für ihn Zeit, in den Dienst zu treten. Schon viel zu viel hat er sich in den Mädchenkammern herumgetrieben und den Tauben nachgestellt.«
Der Gedanke an eine Trennung von mir, die schon so bald stattfinden sollte, berührte meine Mutter so heftig, daß sie den Löffel in die Kasserolle fallen ließ und Tränen ihr Gesicht überströmten. Mein Jubel jedoch wäre schwer zu schildern. Der Gedanke an den Dienst verschmolz in mir mit dem Gedanken an Freiheit und an die vielen Vergnügungen des Petersburger Lebens. Ich sah mich schon als Offizier in der Garde, und das war, wie ich damals glaubte, der Gipfel irdischer Seligkeit.
Mein Vater liebte es weder seine Pläne zu ändern, noch deren Ausführung zu verschieben. Der Tag meiner Abreise wurde bestimmt. An dem ihm vorhergehenden Abend erklärte mein Vater, daß er beschlossen habe, meinem zukünftigen Kommandanten über mich zu schreiben und verlangte Feder und Papier.
»Versäume nur ja nicht, Andrej Petrowitsch,« sagte meine Mutter: »auch von mir dem Fürsten B. einen Gruß zu bestellen und ich wäre davon überzeugt, daß er unserm Peter seine Gnade nicht entziehen wird.«
»Was redest du da!« entgegnete der Vater finster. »Aus welchem Grunde soll ich denn dem Fürsten B. schreiben?«
»Du sagtest doch, daß du dem Chef Peters schreiben wolltest.«
»Nun und was dann?«
»Ja, der Chef Peters ist doch eben der Fürst B. Peter ist doch dem Semjonowschen Regiment zugezählt.«
»Zugezählt! Was geht das mich an, daß er zugezählt ist? Peter soll nicht nach Petersburg fahren. Was soll er denn dort lernen, wenn er in Petersburg dient? Verschwendereien und Windbeuteleien? Nein, da soll er lieber in der Armee dienen, den Tornister schleppen, Pulver riechen, ein Soldat werden und kein latschiger Gardelaffe! Wo ist sein Paß? Gib mal her.«
Die Mutter suchte meinen Paß hervor, den sie in einer Schatulle mitsamt dem Hemde, in dem ich getauft worden war, aufbewahrte und übergab ihn dem Vater mit zitternder Hand. Aufmerksam las ihn mein Vater durch, legte ihn vor sich auf den Tisch und begann seinen Brief.
Die Neugierde quälte mich. Wenn schon nicht nach Petersburg, wohin schickte man mich dann. Meine Augen hingen wie gebannt an des Vaters Feder, die sich ziemlich langsam bewegte. Schließlich war er fertig, machte aus dem Brief und dem Paß ein Paket, das er überdies versiegelte, nahm seine Brille ab, rief mich heran und sagte:
»Nimm hier diesen Brief und übergib ihn Andrej Karlowitsch R., meinem alten Kameraden und Freunde. Du fährst nach Orenburg, um unter ihm zu dienen.«
Und so brachen denn alle meine glänzenden Hoffnungen zusammen! Anstatt des lustigen Petersburger Lebens erwartete mich Langeweile in einem wüsten und fernen Lande. Der Dienst, an den ich noch vor einer Minute mit solchem Jubel gedacht hatte, erschien mir jetzt ein schweres Unglück. Doch da war kein Widerspruch möglich! Schon am frühsten Morgen des nächsten Tages fuhr der Reisewagen an der Freitreppe vor; man verpackte in ihm meinen Koffer, ein Etui mit dem Teegeschirr und Pakete mit frischem Brot und Pasteten, ein letztes Zeichen häuslicher Verwöhnung. Meine Eltern segneten mich. Der Vater sagte:
»Leb wohl, Peter. Diene treu, wenn du geschworen hast, gehorche deinen Vorgesetzten, sei kein Speichellecker, dränge dich nie beim Dienst vor, aber vermeide auch nie den Dienst, und gedenke des Sprichwortes: ›Hüte das neue Kleid und die Ehre in der Jugendzeit.‹«
Weinend verlangte meine Mutter von mir, daß ich auf meine Gesundheit bedacht wäre und von Saweljitsch, ihr Kind zu behüten. Darauf zog man mir einen Hasenpelz an und darüber einen Fuchspelz. Saweljitsch und ich setzten uns in den Reisewagen und ich begann meinen Weg unter bitteren Tränen.
Schon in derselben Nacht erreichten wir Simbirsk, wo ich einen Tag verbringen sollte, um die wichtigsten Sachen einzukaufen, mit welchem Geschäfte Saweljitsch betraut worden war. Wir stiegen in einem Gasthause ab. Am Morgen verließ mich Saweljitsch, um in die verschiedenen Kaufläden zu gehen. Da es mir langweilig wurde, aus dem Fenster auf die schmutzige Straße zu sehen, spazierte ich durch alle Zimmer. Als ich auch ins Billardzimmer kam, sah ich einen hochgewachsenen Herrn, von 35 Jahren, mit langem schwarzen Schnurrbart, im Schlafrocke, mit einem Queue in der Hand und der Pfeife zwischen den Zähnen. Er spielte mit dem Kellner, der jedesmal, wenn er gewann, ein Glas Schnaps trinken durfte, wenn er jedoch verlor, auf allen Vieren unter das Billard kriechen mußte. Ich sah dem Spiel zu. Je länger es dauerte, um so öfter wiederholte sich das Lustwandeln auf allen Vieren, bis endlich der Kellner gleich ganz unter dem Billard blieb. Der Herr sandte ihm ein paar starke Ausdrücke als Leichenrede nach und schlug mir vor, eine Partie mit ihm zu spielen. Ich lehnte ab, da ich nicht zu spielen verstand. Dies kam ihm sehr eigentümlich vor. Er sah mich wie mitleidig an; doch wir kamen ins Plaudern. Ich erfuhr, daß er Iwan Iwanowitsch Surin hieße, daß er Rittmeister des **Husarenregiments sei, sich in Simbirsk aufhielte, um Rekruten in Empfang zu nehmen und in diesem Gasthause wohne. Surin forderte mich auf mit ihm zu Mittag zu speisen und zwar nach Soldaten-Art, was Gott gäbe. Ich willigte freudig ein. Wir setzten uns zu Tisch. Surin trank sehr viel und bewirtete mich die ganze Zeit, indem er sagte, daß man sich an den Dienst gewöhnen müsse; er erzählte mir Anekdoten aus der Armee, daß ich vor Lachen fast umfiel, und als wir das Diner beendet hatten, waren wir die besten Kameraden. Dann erbot er sich auch, mich das Billardspiel zu lehren.
»Das,« sagte er mir, »hat ein jeder von uns beim Kommiß nötig. Kommt man zum Beispiel auf dem Marsch in einen abgelegenen Ort; womit soll man sich beschäftigen? Doch nicht immer und immer Juden prügeln. Da geht man dann eben ins Wirtshaus und spielt Billard; aber darum muß man zu spielen verstehen!«
Ich war völlig überzeugt und mit großem Eifer machte ich mich an die Erlernung des Spieles. Durch laute Zurufe ermunterte mich Surin, wunderte sich über meine schnellen Fortschritte, und bereits nach einigen Übungen schlug er mir vor, um Geld zu spielen, um je einen Groschen, nicht um des Gewinstes, sondern damit man nicht so umsonst spielen müsse, was nach seiner Meinung eine schlechte Angewohnheit sei. Auch damit war ich einverstanden und Surin ließ Punsch servieren und überredete mich, davon zu kosten, indem er wiederholte, daß man sich an den Dienst gewöhnen müsse, und was wäre der Dienst ohne den Punsch! Ich folgte ihm. Unser Spiel ging weiter. Je öfter ich meinen Becher leerte, desto kühner wurde ich. Alle Augenblicke flogen meine Bälle über den Rand, ich wurde hitzig, beschimpfte den Kellner, der, Gott weiß wie, zählte und von Stunde zu Stunde vergrößerte ich meinen Einsatz. – Mit einem Wort, ich führte mich wie ein Knabe auf, der zum ersten Male die Freiheit spürt. Unterdessen verging die Zeit unmerklich. Surin sah auf die Uhr, legte das Queue hin und teilte mir mit, daß ich hundert Rubel verloren hätte. Das erregte mich ein wenig. Meine Gelder