Die Hauptmannstochter. Alexander Puschkin
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Читать онлайн книгу Die Hauptmannstochter - Alexander Puschkin страница 4
»Herr befiehlst du nicht lieber umzukehren?«
»Und, warum das?«
»Das Wetter ist unzuverlässig: schon erhebt sich ein leichter Wind; und sieh, wie er den frischen Schnee aufwirbelt.«
»Ja was geht das uns an?«
»Aber siehst du auch, daß dort ...?«
Und der Fuhrmann wies mit der Peitsche nach Osten.
»Ich sehe dort nichts außer weißer Steppe und hellem Himmel.«
»Nein, nein: jenes Wölkchen meine ich.«
Und tatsächlich sah ich nun am Rande des Himmels ein weißes Wölkchen, das ich anfangs für einen kleinen fernen Hügel gehalten hatte. Der Fuhrmann teilte mir mit, daß dieses Wölkchen einen heftigen Schneesturm prophezeie.
Ich hatte von den dortigen Schneestürmen gehört und wußte, daß ganze Karawanen von ihnen verschüttet worden waren. Saweljitsch stimmte der Ansicht des Fuhrmannes bei und riet umzukehren. Doch der Wind schien mir nicht stark zu sein: ich glaubte, daß es möglich wäre, noch rechtzeitig die nächste Station zu erreichen, und befahl schneller zu fahren.
Der Fuhrmann beeilte sich und sah immer scharf nach Osten. Die Pferde liefen munter. Der Wind wurde von Stunde zu Stunde heftiger. Das Wölkchen verwandelte sich in eine weiße Wolke, die schwer heraufkam, wuchs und allmählich den ganzen Himmel bedeckte. Feiner Schnee kam herab, plötzlich fiel er in dichten Flocken. Der Wind heulte, das war der Schneesturm. In einem Augenblick war der dunkle Himmel mit dem Meer von Schnee verschmolzen. Alles verschwand.
»Nun, Herr,« schrie der Fuhrmann, »ist das Unglück da – der Schneesturm! ...«
Ich schaute aus dem Reisewagen, alles war Sturm und dunkel. Der Wind heulte mit solch wildem Ausdruck, als wäre er lebendig; der Schnee überschüttete mich und Saweljitsch. Die Pferde gingen im Schritt und blieben bald stehen.
»Was fährst du denn nicht mehr weiter?« fragte ich den Fuhrmann ungeduldig.
»Was soll man da noch weiterfahren?« entgegnete er, indem er vom Bock kroch, »sowieso wissen wir nicht, wohin wir gefahren sind: da ist kein Weg zu sehen und ringsum nur Finsternis.«
Ich schimpfte auf ihn ein. Saweljitsch trat für ihn ein.
»Warum mußtest du auch nicht hören,« sagte er böse, »wärst du doch lieber in die alte Herberge zurückgekehrt, hättest Tee getrunken, bis zum Morgen geschlafen, dann hätte auch der Sturm nachgelassen und wir konnten weiterfahren. Wohin eilen wir denn so? Gut wär's, wenn's noch auf eine Hochzeit ginge!«
Saweljitsch hatte recht. Da war nichts mehr zu machen, der Schnee stürzte nur so. Um den Reisewagen herum bildete sich ein hoher Schneehaufen. Die Pferde standen da, ließen die Köpfe hängen und erzitterten von Zeit zu Zeit. Der Fuhrmann hatte nichts zu tun und machte sich am Geschirr zu schaffen. Saweljitsch brummte; ich schaute ringsum und hoffte irgendein Anzeichen von Weg oder Wohnung zu erblicken, doch ich konnte nichts sehen als das trübe Wirbeln des Schneesturmes. Plötzlich sah ich etwas Schwarzes.
»He, Fuhrmann!« schrie ich, »sieh doch mal hin – was ist das da für ein schwarzer Gegenstand?«
Der Fuhrmann schaute angestrengt hin.
»Gott weiß was, Herr,« sagte er, indem er sich auf seinen Platz setzte; »nicht eigentlich ein Wagen, nicht eigentlich ein Baum, denn es bewegt sich scheinbar. Vielleicht ein Wolf oder ein Mensch.«
Ich befahl ihm, auf den unbekannten Gegenstand zuzufahren, der sich im selben Augenblicke uns entgegenbewegte. Nach etwa zwei Minuten begegneten wir einem Manne.
»He, guter Mann!« schrie ihm der Fuhrmann zu: »sag', weißt du nicht, wo der Weg ist?«
»Der Weg ist hier, ich stehe auf hartem Boden,« entgegnete der Wanderer, »aber warum fragst du?«
»Hör' mal, lieber Bauer,« sagte ich zu ihm, »vielleicht kennst du diese Gegend hier? Willst du mich bis zum nächsten Nachtquartier führen?«
»Ich kenne die Gegend,« antwortete der Wanderer, »ich habe sie, Gott sei Dank, kreuz und quer durchfahren und durchwandert. Aber was für ein Wetter das ist, da kann man jeden Augenblick vom Wege abkommen. Besser wäre es, hier zu halten und zu warten, der Sturm wird nachlassen und der Himmel klarer werden, dann werden die Sterne uns schon den Weg zeigen.«
Seine Kaltblütigkeit ermunterte mich. Ich war schon bereit, mich in mein Schicksal zu ergeben und in der Steppe zu übernachten, als plötzlich der Wanderer sich gewandt auf den Bock schwang und dem Fuhrmann sagte: »Nun, Gott sei Dank, ein Haus ist nicht mehr fern; biege nach rechts ab und fahre drauflos.«
»Warum soll ich nach rechts fahren?« fragte der Fuhrmann mürrisch, »wo siehst du denn einen Weg? Du glaubst wohl, daß die Pferde und das Geschirr nicht mir gehören und daß wir nur so drauflosfahren können.«
Mir schien der Fuhrmann recht zu haben.
»Allerdings,« sagte ich, »warum glaubst du denn, daß ein Haus nahe sei?«
»Deshalb, weil der Wind von dorther wehte,« antwortete der Wanderer, »und ich den Geruch des Rauches spürte; folglich ist ein Dorf in der Nähe.«
Seine Findigkeit und die Feinheit des Geruchs verwunderten mich. Ich befahl dem Kutscher zu fahren. Schwer stampften die Pferde durch den tiefen Schnee. Der Reisewagen bewegte sich nur langsam vorwärts, denn bald mußte ein Schneehaufen überfahren werden, bald sanken wir in einen Graben, und es war ein beständiges Schwanken von einer Seite zur anderen wie ein Schiff auf stürmischem Meer. Saweljitsch stöhnte und jeden Augenblick stieß er gegen mich. Ich ließ die Matte aus starkem Lindenbast herab, hüllte mich fester in meinen Pelz und schlief ein, eingewiegt vom Gesang des Sturmes und dem Schaukeln der langsamen Fahrt.
Und ich hatte einen Traum, den ich niemals mehr vergessen konnte und in dem ich auch noch heute etwas wie eine Prophezeiung sehe, wenn ich ihn mit den seltsamen Geschehnissen meines Lebens zusammenhalte. Der Leser wird mir verzeihen, denn er weiß vermutlich aus Erfahrung, wie sehr es dem Menschen eigen ist, sich dem Aberglauben hinzugeben, so sehr er auch alle Vorurteile verachten mag.
Ich verfiel in jenen Zustand der Sinne und der Seele, in welchem die Wirklichkeit den Träumen weichend, mit diesen zu den unklaren Bildnissen des ersten Schlummers verschmilzt. Mir schien es, als ob der Schneesturm noch wüte und als ob wir noch immer durch die Schneewüste irrten. Plötzlich sah ich ein Tor und fuhr auf unseren Gutshof. Mein erster Gedanke war die Furcht, mein Vater könnte über mich wegen der unfreiwilligen Rückkehr unter das Dach meines Vaterhauses zornig werden und dies für absichtlichen Ungehorsam halten. Unruhig sprang ich aus dem Reisewagen und sah: die Mutter kam mir auf der Treppe mit tieftraurigem Gesicht entgegen. Leise sagte sie zu mir: »Der Vater ist krank, ist dem Tode nahe und will von dir Abschied nehmen.« Voll Furcht folge ich ihr ins Schlafgemach. Ich sehe, das Zimmer ist schwach beleuchtet; rings um das Bett stehen Menschen mit traurigen Gesichtern. Leise trete ich an das Bett heran; die Mutter schiebt den Vorhang zurück und spricht: »Andrej Petrowitsch! Peter ist zurückgekommen, als er von deiner Krankheit erfuhr; segne ihn.« Ich kniete nieder und schaute auf den Kranken. Doch da? ... An Stelle meines