Die Hauptmannstochter. Alexander Puschkin

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Die Hauptmannstochter - Alexander Puschkin

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ist nicht der Vater. Und aus welchem Grunde soll ich um den Segen eines Bauern bitten?« – »Ach, das hat nichts zu sagen, Peter,« entgegnete mir meine Mutter: »das ist dein stellvertretender Vater; küß ihm die Hand und mag er dich segnen ...« Ich willigte nicht ein. Da aber sprang der Bauer vom Bette auf, griff nach seinem Beile und begann es nach allen Seiten zu schwingen. Ich wollte fliehen ... und konnte nicht; das Zimmer füllte sich mit Leichen; ich strauchelte über Körper und glitt in den Blutlachen aus ... Der entsetzliche Bauer rief mich liebevoll an und sprach: »Fürchte dich nicht, sondern komm und laß dich segnen ...« Grauen und Verwunderung packten mich ... Und in diesem Augenblicke erwachte ich, die Pferde hielten; Saweljitsch faßte mich an der Hand und sprach:

      »Steig aus, Herr, wir sind da.«

      »Wo denn?« fragte ich und rieb mir die Augen.

      »In einer Herberge. Gott half und wir stießen gerade auf ihren Zaun. Herr, steig schnell aus und erwärme dich.«

      Ich stieg aus dem Wagen. Der Schneesturm wütete noch immer, wenn auch mit geringerer Gewalt. Es war so dunkel, daß man geradesogut sehen konnte wie ein Blinder. Der Gastwirt kam uns an die Pforte entgegen und führte mich, während er eine Laterne unter dem Rockschoß hielt, in die Wirtsstube, die eng, aber ziemlich reinlich war; ein Kienspan erleuchtete sie. An der Wand hingen eine lange Büchse und eine hohe Kosakenmütze.

      Der Gastwirt, der von Geburt ein Kosak aus Jaik war, schien ein Mann von etwa sechzig Jahren zu sein, war aber noch frisch und rüstig. Saweljitsch brachte mein Teegeschirr herein und verlangte Feuer, um den Tee zu bereiten, der mir noch niemals so notwendig erschienen war wie jetzt. Der Wirt eilte, alles zu besorgen.

      »Wo ist der Führer?« fragte ich Saweljitsch.

      »Hier, Euer Wohlgeboren«, entgegnete mir eine Stimme irgendwo von oben.

      Ich blickte nach einer Art Hängeboden und sah einen schwarzen Bart und zwei funkelnde Augen.

      »Bist wohl tüchtig durchfroren, Freundchen?«

      »Wie soll man nicht frieren in so einer dünnen Jacke! Ich hatte noch einen Schafpelz, aber warum soll ich es verheimlichen, ich habe ihn gestern Abend in der Kneipe versetzt, der Frost kam mir nicht so schlimm vor.«

      In dieser Minute kam der Wirt mit dem dampfenden Samowar herein; ich bot unserm Führer eine Tasse Tee an; der Bauer kroch von seinem Hängeboden herunter. Sein Aussehen kam mir merkwürdig vor. Er war vierzig Jahre, von mittlerem Wuchs, mager, aber breitschulterig. Sein schwarzer Bart war schon ein wenig grau gesprenkelt, die lebhaften großen Augen liefen beständig umher, der Ausdruck seines Gesichtes war ziemlich angenehm, aber auch ein wenig schlau. Sein Haar war kreisförmig geschoren; er trug einen zerlumpten Kittel und tatarische Pluderhosen. Ich reichte ihm eine Tasse Tee, er trank einen Schluck und verzog das Gesicht.

      »Euer Wohlgeboren erweisen mir vielleicht die Gnade ... und befehlen, daß man mir ein Glas Wein bringe; Tee ist nicht unser Kosakengetränk.«

      Gerne erfüllte ich sein Verlangen. Der Wirt nahm Kanne und Glas aus einem Tischaufsatz, trat an ihn heran und sah ihm ins Gesicht:

      »Oh,« sagte er, »du bist wieder in unserer Gegend! Von wo hat Gott dich hergeführt?«

      Mein Führer zwinkerte bedeutungsvoll mit den Augen und antwortete mit einem Sprichwort:

      »Im Garten habe ich Hanf gepickt, die Alte warf mit einem Stein nach mir und traf mich nicht. Nun, was machen die Euren?«

      »Ja, was sollen Unsere denn machen!« entgegnete der Wirt, indem er in dem zweideutigen Gespräche fortfuhr: »Man wollte zum Abendgebete läuten, aber die Popenfrau erlaubte es nicht, der Pope ist zu Gast und die Teufel in der Gemeinde.«

      »Schweig, alter Freund,« versetzte mein Landstreicher, »es wird ein Regen kommen, und es werden auch Pilze kommen, und werden Pilze da sein, so werden auch Körbe da sein; jetzt aber (hier zwinkerte er wieder bedeutsam) verbirg das Beil, der Förster kommt. Auf Euer Wohlgeboren Gesundheit!«

      Bei diesen Worten ergriff er seinen Becher, bekreuzigte sich und trank ihn auf einen Zug leer, dann verbeugte er sich vor mir und suchte wieder seinen Hängeboden auf.

      Ich konnte damals nichts von diesem Diebesgespräche verstehen, später aber erriet ich, daß sie von den Zuständen im Jaikschen Heere sprachen, welches damals nach dem Aufruhr im Jahre 1772 eben erst gebändigt worden war. Saweljitsch hörte höchst unzufrieden zu. Argwöhnisch sah er bald den Wirt, bald den Führer an. Diese Herberge lag weit vom Wege ab in der Steppe, wo keine Ansiedlung in der Nähe war, und glich sehr einem Räuberwirtshause. Doch da war nichts zu machen. Es war unmöglich, an eine Fortsetzung der Fahrt zu denken. Die Unruhe Saweljitschs amüsierte mich sehr. Indessen machte auch ich mich zur Nacht bereit und legte mich auf die Bank. Saweljitsch beschloß, auf den Ofen zu kriechen; der Gastwirt lag auf dem Fußboden. Bald schnarchte die ganze Hütte und ich schlief wie ein Toter.

      Am nächsten Morgen erwachte ich ziemlich spät und sah, daß der Sturm vergangen war, die Sonne leuchtete hell. Der Schnee lag wie ein blendendes Tuch auf der unübersehbaren Steppe. Die Pferde waren angespannt. Ich zahlte dem Gastwirt, der eine so mäßige Summe verlangte, daß sogar Saweljitsch keinen Streit mit ihm anfing und nicht wie gewöhnlich zu handeln begann; der gestrige Verdacht war völlig aus seinem Kopfe geschwunden. Ich rief den Führer, dankte ihm für die erwiesene Hilfe und befahl Saweljitsch, ihm einen halben Rubel für Schnaps zu geben. Saweljitschs Gesicht verdüsterte sich.

      »Einen halben Rubel für Schnaps!« sagte er, »ja, wofür denn? Dafür vielleicht, daß du die Güte hattest, ihn auf deinem Wagen zur Herberge zu führen? Obgleich es dein Wille ist, Herr: wir haben aber keinen überflüssigen halben Rubel. Wenn man jedem Trinkgeld geben wollte, würde man bald selber hungern müssen.«

      Ich wollte mit Saweljitsch nicht streiten. Ich hatte ihm versprochen, daß er meine Gelder nach seinem Gutdünken verwalten dürfe. Es war mir aber trotzdem sehr unangenehm, daß ich mich bei diesem Menschen nicht bedanken konnte, der uns, wenn auch nicht aus einer Gefahr, so doch zum wenigsten aus einer sehr peinlichen Lage befreit hatte.

      »Gut,« sagte ich kaltblütig, »wenn du ihm schon keinen halben Rubel geben willst, so gib ihm irgend eines meiner Kleidungsstücke. Er ist zu dünn gekleidet. Gib ihm meinen Hasenpelz.«

      »Mein Gott, lieber Herr Peter Andrejewitsch!« sagte Saweljitsch, »wozu ihm denn den Hasenpelz geben? Der Hund wird ihn ja doch nur in der nächsten Schenke versaufen.«

      »Es braucht doch dir keine Sorge zu machen, alter Freund,« sagte mein Landstreicher, »ob ich ihn nun versaufe oder nicht. Seine Wohlgeboren schenken mir einen Pelz von der eigenen Schulter, das ist eben sein Herrenwille, deine Sklavensache aber ist es, nicht zu streiten, sondern zu gehorchen.«

      »Du fürchtest Gott nicht, du Räuber!« entgegnete ihm Saweljitsch wütend; »du siehst doch, daß das Kind noch nichts begreift, und bist froh, es in seiner Einfalt zu bestehlen. Was brauchst du einen herrschaftlichen Pelz? Du kannst ihn ja nicht mal über deine verfluchten Schultern bringen.«

      »Bitte, räsoniere nicht,« sagte ich zu meinem Erzieher, »bring' ihn sofort her.«

      »Großer Gott!« stöhnte Saweljitsch, »den fast ganz neuen Hasenpelz! Und wenn's noch jemand anders wäre, aber so – einem Säufer, einem Lumpen!«

      Allein, der Hasenpelz erschien. Der Bauer versuchte ihn anzuziehen, und tatsächlich war der Pelz, aus dem ich schon fast herausgewachsen war, auch ihm ein wenig zu eng. Allein, es gelang ihm doch auf irgendeine Weise, und so zog er ihn denn an, während die Nähte

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