Die Hauptmannstochter. Alexander Puschkin
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Читать онлайн книгу Die Hauptmannstochter - Alexander Puschkin страница 6
»Besten Dank, Euer Wohlgeboren! Möge Gott Ihre Güte belohnen. Niemals werde ich Ihre Gnade vergessen.«
Er ging seines Weges und auch ich fuhr weiter, ohne Saweljitsch zu beachten, und hatte bald den gestrigen Schneesturm, meinen Führer und den Hasenpelz vergessen.
In Orenburg angekommen, begab ich mich geradewegs zum General. Ich erblickte einen Mann von hohem Wuchs, den das Alter schon gebeugt hatte. Seine langen Haare waren ganz weiß. Sein alter und etwas verblichener Uniformrock war wie eine Erinnerung an einen Krieger aus der Zeit Anna Iwanownas; er sprach mit stark deutschem Akzent. Ich gab ihm meines Vaters Brief. Als er seinen Namen las, musterte er mich schnell.
»Mein Gott!« sagte er, »ist es denn schon so lange her, daß Andrej Petrowitsch noch in deinen Jahren war, und jetzt hat er schon einen solch wackeren Burschen zum Sohn! Ach, die Zeit, die Zeit!«
Er erbrach den Brief und las ihn halblaut, indem er ab und zu Bemerkungen machte: »›Gnädigster Herr Andrej Karlowitsch, ich hoffe, daß Eure Exzellenz ...‹ was sind das für Zeremonien? Pfui, er sollte sich schämen! Natürlich Disziplin – Hauptsache, aber schreibt man so einem alten Kameraden? ... ›Eure Exzellenz nicht vergessen haben ...‹ Hm ... ›und ... damals ... der verstorbene Feldmarschall Mün... Feldzug ... wie auch ... Karolinchen!‹ ... O Bruder! So erinnert er sich auch noch immer an unsere alten Sünden? ›Doch zur Sache ... zu ihm, meinem Taugenichts ...‹ Hm ... ›mit stacheligen Handschuhen anzufassen ...‹ Was sind stachelige Handschuhe? Das muß wohl so eine russische Redensart sein ... Was bedeutet das ›mit stacheligen Handschuhen anfassen‹?« fragte er, indem er sich an mich wandte.
»Das bedeutet,« entgegnete ich mit möglichst unschuldiger Miene, »möglichst gnädig umgehen, nicht allzu streng, einige Freiheit lassen, mit einem Wort, mit stacheligen Handschuhen anfassen.«
»Hm, ich verstehe ... ›Und ihm keine Freiheit geben ...‹ Nein, die stacheligen Handschuhe müssen doch etwas anderes bedeuten ... ›Gleichzeitig ... sein Paß ...‹ Wo ist denn der? Ach so ... ›Aus dem Semjonoffschen Regiment streichen lassen ...‹ Gut, gut: Wollen wir machen ... ›Erlaubst, daß ich dich ohne alle Titel umarme und ... alter Kamerad und Freund.‹ Ah! also endlich ... und so weiter, und so weiter ...«
»Nun, Lieber,« sagte er, nachdem er den Brief durchgelesen hatte und meinen Paß weglegte; »nun wird alles gemacht werden, du wirst als Offizier in das *** Regiment versetzt werden, und damit du keine Zeit verlierst, sollst du schon morgen zur Festung Bjelogorsk abreisen, wo der Hauptmann Mironow, ein guter und ehrlicher Mann, dein Kommandant sein wird. Dort wirst du wirklichen Dienst und Disziplin lernen. In Orenburg kannst du nicht bleiben: Zerstreuungen sind einem jungen Manne schädlich. Für heute aber bitte ich dich, mit mir zu Mittag zu speisen.«
»Von Stunde zu Stunde schönere Aussichten!« dachte ich; »was hilft es mir jetzt, daß ich fast noch im Mutterleibe Sergeant der Garde wurde! Und wohin hat mich das nun geführt? Zum ** Regiment, in eine wüste Festung, die auf der Grenze der kirgisisch-kosakschen Steppen liegt! ...« Ich speiste bei Andrej Karlowitsch zusammen mit seinem alten Adjutanten. Strenge deutsche Sparsamkeit herrschte an seinem Tische, und eigentlich denke ich, daß die Furcht, zuweilen einen Gast mehr an seiner Junggesellentafel zu sehen, teilweise der Grund war, weswegen ich so schleunigst in die Garnison geschickt wurde. Am nächsten Tage nahm ich vom General Abschied und begab mich an den Ort meiner Bestimmung.
Drittes Kapitel
Die Festung
In der Festung lebt sich's gut,
Brot und Wasser sind genug;
Aber wenn der wilde Feind
Gut bei uns zu tafeln meint,
Scheuen wir wohl keinen Schaden,
Werden die Kanonen laden.
Soldatenlied
Altmodische Leute, Väterchen.
»Der Krautjunker«
Die Festung Bjelogorsk lag vierzig Werst von Orenburg entfernt. Der Weg führte an den steilen Ufern des Jaik entlang. Der Fluß war noch nicht zugefroren und seine bleifarbenen Wellen zogen traurig und dunkel zwischen den einförmigen, schneebedeckten Ufern hin. Hinter ihnen dehnten sich die kirgisischen Steppen aus. Ich verfiel in traurige Gedanken. Das Garnisonleben hatte für mich wenig Anziehendes. Ich versuchte mir den Hauptmann Mironow vorzustellen, der mein zukünftiger Chef sein sollte, und sah ihn in der Phantasie als einen strengen, mürrischen Greis, der für nichts außer für den Dienst Sinn hatte und bereit war, mich für jede Kleinigkeit bei Wasser und Brot in Arrest zu setzen. Unterdessen dunkelte es langsam. Wir fuhren ziemlich rasch.
»Ist es noch weit bis zur Festung?« erkundigte ich mich bei meinem Fuhrmann.
»Nicht mehr weit,« entgegnete er, »dort sieht man sie schon.«
Ich schaute mich nach allen Seiten um und erwartete drohende Basteien, Türme und Wälle zu erblicken, aber es war nichts zu sehen außer einem Dörfchen, das von einem Bretterzaune umgeben war. Auf der einen Seite standen dann noch drei oder vier Heuschober, die vom Schnee fast zugeweht waren; auf der andern eine windschiefe Mühle mit träge herunterhängenden Flügeln.
»Wo ist denn die Festung?« fragte ich erstaunt.
»Aber da ist sie«, antwortete der Fuhrmann, wies auf das Dörfchen, und schon fuhren wir hinein.
Am Tore bemerkte ich eine alte gußeiserne Kanone; die Gassen waren eng und krumm; die Hütten niedrig und zum großen Teil mit Stroh gedeckt. Ich befahl zum Kommandanten zu fahren, und nach einer Minute hielt mein Reisewagen vor einem hölzernen Häuschen, das auf einer Anhöhe in der Nähe der gleichfalls hölzernen Kirche errichtet war.
Niemand kam mir entgegen. Ich trat in die Vorhalle und öffnete die Tür zum Vorzimmer. Auf einem Tische saß dort ein alter Invalide und nähte einen blauen Fleck auf den Ellbogen einer grünen Uniform. Ich befahl ihm, mich zu melden.
»Tritt nur ein, Väterchen,« sagte mir der Invalide, »unsere Leute sind alle zu Hause.«
Ich trat in ein reinliches, kleines Zimmer mit altmodischen Möbeln. In der einen Ecke stand ein Geschirrschrank; an der Wand hing ein Offiziersdiplom unter Glas und Rahmen; neben ihm prangten ein paar einfache Holzschnitte, die die Einnahme Küstrins und Otschakoffs, eine Brautfahrt und das Begräbnis eines Katers darstellten.
Am Fenster saß eine alte Frau in einer gestrickten Jacke, ihren Kopf bedeckte ein Tuch; sie wickelte Garn von den ausgebreiteten Armen eines einäugigen Greises in Offiziersuniform.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Väterchen?« fragte sie und setzte ihre Beschäftigung fort.
Ich antwortete, daß ich hier dienen solle und gekommen wäre, mich pflichtschuldigst bei dem Herrn Hauptmann zu melden, und bei diesen Worten wollte ich mich an den einäugigen Greis wenden, da ich in ihm den Kommandanten zu sehen glaubte; doch die Hausfrau unterbrach meine auswendig gelernte Rede.
»Iwan Kusmitsch ist nicht zu Hause,« sagte sie, »er ist beim Priester Gerasim auf Besuch; doch das macht nichts, Väterchen, ich bin seine Frau. Bitte, erweise mir die Ehre. Setz' dich, Väterchen!«
Dann rief sie einem Mädchen und befahl ihr,