Dewil's Dance. Marian Hajduk

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Dewil's Dance - Marian Hajduk

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       - 6 -

      Durch die Nordlage des einzigen Fensters meiner Wohnung, ihr fahles, indirektes Licht, weiß ich nie, wie das Wetter gerade ist. Hätte ich keinen Kalender in meinem Handy, könnte ich nichtmal die Jahreszeit feststellen. Jeder Tag, selbst im Hochsommer, wirkt aus meinem Fenster betrachtet zunächst wie kalter grauer Januar. In all der Zeit habe ich mich nie daran gewöhnt.

      Auf meinem winzigen Ess- und Schreibtisch steht neben einem überquellenden Aschenbecher und einer fast leeren Flasche billigem Scotch der aufgeklappte Laptop. Hinter dem schwarz schweigenden Bildschirm kann ich noch immer das leere weiße Textdokument sehen, vor dem ich den gestrigen Abend vergeudet habe. Angewidert winde ich mich am Tisch mit dem Computer vorbei, als wäre er ein Eimer voll in der Sonne verwesender Fleischabfälle. Auf der Ablage neben der tragbaren Elektroherdplatte, auf der eine Dose Ravioli verschimmelt, finde ich mein Geld, die Zigaretten und mein Notizbuch.

      Ich sammle all meine Zettel zusammen, lege sie in mein Notizbuch und verschließe es mit dem Gummiband. Wenn das Papier, auf dem ich arbeite, schon benutzt ist, wenn bereits etwas darauf geschrieben steht, ist die weiße Leere meist etwas weniger angsteinflößend.

      Ich stopfe alles in meine Jackentaschen und hechte zur Tür hinaus.

      Der Himmel hat ein lockeres Hellgrau übergestreift, doch es ist wärmer als erwartet und dünne Regenfäden nieseln die letzten bräunlichen Schneereste aus den Rinnsteinen. Nach kurzem Spaziergang erreiche ich das Café, in dem ich am häufigsten bin, und breite die mitgebrachte Zettelwirtschaft vor mir auf dem Tisch aus. Der Kaffee, schwarz, ohne alles, ist grässlich aber er kostet nur 1.50 und ich brauche hier pro Stunde nicht mehr als einen zu trinken, um nicht als Belästigung empfunden zu werden. Die Betonglocke über meinem Gehirn scheint sich um wenige Millimeter zu heben und in dünnen Rauchschwaden einige Gedanken einströmen zu lassen…

      Erst sterben die Schurken.

      Dann sterben die Helden.

      Dann sterben alle Geschichten.

      Was macht Sherlock?

      Harting stellt die falsche Frage.

      Dann bricht das Dokument ab.

       - 7 -

      Ich konnte mir auf diese letzte Notiz nur schwer einen Reim machen. Mit Holmes konnte nur Sherlock, die berühmte Romanfigur von Sir Arthur Conan Doyle gemeint sein. Mit dem anderen Namen vermutlich Joe N.K. Harting – ein sehr erfolgreicher zeitgenössischer Krimiautor.

      Vielleicht arbeitete der Verfasser gerade an einer Neuinterpretation des Stoffs? Ich versuchte mich zu erinnern, wann ich die Geschichten um den Londoner Meisterdetektiv zum letzten mal gelesen hatte – und musste unweigerlich an die unzähligen Verfilmungen denken.

      Dabei hatte ich mich schon immer daran gestört, dass so gut wie alle Adaptionen den interessantesten Aspekt dieses Charakters völlig vernachlässigen. Denn in Conan Doyles Erzählungen ist Sherlock Holmes ein tragischer und zutiefst zerrissener Charakter: Wenn er keine Herausforderungen in Form geheimnisvoller Kriminalfälle vorfindet, neigt er zu Launenhaftigkeit und Depressivität, betäubt sich mit harten Drogen und gerät an den Rand der Selbstzerstörung.

      Wer Sherlock Holmes zeitgemäß interpretieren will, müsste diese dunkle Seite seines Charakters berücksichtigen und zum Mittelpunkt seiner Geschichte machen!

      Die dunkle Seite der Schickeria: Drogenhandel beim Nobelitaliener? las ich als Schlagzeile in der Zeitung, die in eine Holzschiene gespannt vom Kleiderhaken hinter der Scheibe des Cafés baumelte.

      Ich nahm die Zeitung vom Haken und blätterte sie durch. Offenbar hatte das Landeskriminalamt in Zusammenarbeit mit der Polizei großangelegte Razzien in italienischen Lokalen im gesamten Stadtgebiet durchgeführt. Von insgesamt mehr als 30 Betrieben war die Rede. Darunter auch ein von der lokalen Schickeria gern frequentiertes In-Restaurant namens Bellagio. Die Betreiber würden mit dem Kokaingeschäft in Verbindung gebracht. Bisher war nur bekannt, dass über 20.000 Seiten Akten sichergestellt wurden. Die Ermittlungen dauern an.

      Desweiteren war mal wieder von einer Wirtschaftskrise die Rede: sinkende Nachfrage in den USA, Kursverluste an den Börsen, Geschäftsklimaindex, IFO-Institut, geringeres Wirtschaftswachstum, angespannte Arbeitsmarktsituation, die EZB senkt den Leitzins.

      Schwerer Verkehrsunfall auf der Autobahnumgehung Ost, Abstiegs-Chaos in der Fußball-Bundesliga…

      Fast den ganzen Nachmittag verbrachte ich in dem kleinen Café, blätterte in der Zeitung, beobachtete die Passanten und versuchte mir zusammenzureimen, an welcher Art Geschichte der unbekannte Autor gearbeitet haben konnte. Doch in Wahrheit wartete ich nur darauf, dass er plötzlich leibhaftig vor mir stehen würde.

      Es dämmerte bereits. Und als nach Stunden immernoch niemand aufgetaucht war, der als der unbekannte Autor infrage kam, gab ich das Warten auf. Meine einzige Hoffnung bestand darin, in seinem Text auf weitere Spuren zu stoßen. Und ich sollte bald fündig werden:

       - 8 -

      Langsam verblüht der Tag vor meinem Fenster. Und es wird Abend.

      Wie viele Lieder der Nacht schon gesungen wurden! Mit Lauten und Harfen und Flöten und Hörnern, in Versen und Strophen, Balladen und Oden, geschrieben von weißen und schwarzen Händen, von kleinen und großen, groben und zarten, aus den Kehlen von Müttern und Männern und Kindern, an all den wunderlichen Orten dieser Erde, über die sich je ein Sternenhimmel wölbte, in eisigen Höhen und südlichen Buchten, in schattigen Gärten und Meeren aus Häusern, in all den wundersamen Sprachen und Schriftzeichen dieser Welt, durch alle Epochen und Jahrhunderte. Und doch darf es jeden Tag eines mehr sein, wenn sich das Wunder der Abenddämmerung wiederholt.

      Die Nacht legt sich besänftigend auf die Welt wie der erste Schluck Schnaps einen Hauch von Milde in das verhärmte Gesicht eines bösen alten Mannes zaubert. Sie ist ein Schleier, der die Wirklichkeit weichzeichnet. Und alles ein bisschen ferner und leichter erscheinen lässt. Wärme breitet sich im spärlichen Licht meines Zimmers aus. Die Betonwand vor dem Fenster ist zurückgewichen und im Schatten der Straßenlaterne darunter könnten sich geheimnisvolle Dinge ereignen. Wenn es noch Wunder gibt, dann geschehen sie jetzt. Ich streife die Jacke über, stecke Dorian Gray in die Tasche und trete vor die Tür. Die Laternen spiegeln sich in der regennassen Straße wie Lichter eines Rollfelds, das zu beiden Seiten im Nebel verschwindet. Gleich landet stotternd eine alte Propellermaschine und trägt mich mit grollenden Motoren einem Abenteuer entgegen…

      Ich weiß nicht, wie lange ich gelaufen bin. Dieser Teil der Stadt kommt mir bekannt vor, auch wenn ich mich nicht erinnern kann, wann ich zum letzten Mal hier gewesen bin. Schemenhaft erkenne ich auf der anderen Straßenseite die schweren Wände eines alten Backsteingebäudes. Wie ein Fischer, vor dessen Kahn plötzlich die Kaimauer aus dem Morgennebel auftaucht. Wenn ich mich nicht täusche, ist das Gemäuer früher eine Markthalle gewesen. Und zwei Ampeln weiter gelangt man auf die Stadtautobahn. Vorn an der Ecke öffnet sich eine Gasse, die an der verwitterten Mauer entlang führt. Wie feuchtes modriges Holz wirkt das poröse Gestein, in dessen Ritzen sich Moos abgesetzt hat. An einigen Stellen sind Ziegel herausgebrochen, Büsche wuchern durch die Scharten und hängen ihre Zweige über den Gehsteig. Die Straße ist vom Regenwasser aufgeweicht. Zwischen den Teerflecken wölbt sich das darunterliegende Kopfsteinpflaster empor und verwandelt die ehemals ebene Piste in einen sich glitschig dahinwindenden Schlauch. Als

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