Dewil's Dance. Marian Hajduk

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Dewil's Dance - Marian Hajduk

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jetzt bemerke ich, dass in diesem Teil der Stadt offenbar die verschnörkelten gusseisernen Straßenlaternen der Jahrhundertwende erhalten geblieben sind, die mich immer an das viktorianische London aus englischen Romanen erinnern. Auch die Häuser erscheinen mir ungewohnt. Schmale und langgestreckte, sich eng aneinander schmiegende Ziegelsteingebäude, von weißen Säulen und Simsen durchsetzt, die Fassaden im Erdgeschoss mit grün, schwarz oder bordeauxrot lackiertem Holz verkleidet, gesäumt von filigran geschwungenen Messingzäunen. Ich wüsste nicht, in welchem Viertel derartige Architektur überdauert haben könnte – meines Wissens nach hat es sie hier in dieser Form überhaupt nie gegeben. Ich muss tatsächlich einen Bezirk meiner Stadt entdeckt haben, der mir in all den Jahren völlig unbekannt geblieben ist.

      In keinem der Fenster brennt Licht und kein einziges Auto parkt vor den Toren. Trotzdem wirken alle Gebäude sorgfältig gepflegt, nirgends sind Anzeichen von Verfall auszumachen, sodass ich nicht einschätzen kann, ob diese Behausungen bewohnt oder unbewohnt sind.

      Doch nirgendwo eine Hausnummer, nirgendwo ein Name, nichtmal Briefkästen scheint es zu geben. Und mir fällt auf, dass anstelle herkömmlicher Klingeln altmodische Glocken neben den Eingangstüren angebracht sind.

       - 9 -

      Die Aufzeichnungen des jungen Mannes begannen mich zunehmend zu verwirren. Zu seinen kryptischen Notizen Holmes und Harting hatte sich nun auch noch Dorian Gray gesellt.

      Ich überlegte, wann ich die Geschichte zuletzt gelesen hatte, und durchforstete zuhause sofort mein Bücherregal.

      Zwischen unzähligen zerfledderten Reklamheftchen aus meiner Schul- und Studienzeit, die mit Zeichnungen und Sprüchen verschmiert waren, fand ich tatsächlich eine Ausgabe von Oscar Wildes Das Bildnis des Dorian Gray, die bis auf eine leichte Staubschicht einen tadellosen Eindruck machte.

      Ich warf mich aufs Bett und begann zu lesen: Es gibt kein moralisches oder unmoralisches Buch. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Das ist alles…

      Zum ersten mal wurde mir bewusst, dass Sherlock Holmes und Dorian Gray in derselben Epoche angesiedelt sind – einem ähnlichen Gedanken muss auch der geheimnisvolle Autor gefolgt sein!

      Wenn Holmes sein Ausgangspunkt war (vielleicht handelte es sich bei seiner Bemerkung zu Harting nur um eine stilistische Notiz) und wenn er die gleiche Idee hatte wie ich, nämlich die Drogenabhängigkeit und charakterlichen Untiefen des Sherlock Holmes zum Thema seiner Arbeit zu machen, dann war Dorian Gray vielleicht so etwas wie sein zweites Ich. Sein sinnlicher, irrationaler Widerpart…?

      Es war noch nicht spät. Ich steckte die zerfledderte Reclam-Ausgabe in die Hosentasche und fuhr ins alte Schlachthofviertel, um mich bei dem verfallenen Gebäudekomplex umzusehen, in dem sich früher die Großmarkthalle befunden hatte.

      Das Kopfsteinpflaster löste sich vor mir in der Dunkelheit auf, ich erkannte die verwitterte Mauer, hinter der die mächtige Backsteinruine vor dem Nachthimmel gähnte. Und obwohl ich keine viktorianische Architektur, Gaslaternen oder vertäfelte Fassaden ausmachen konnte, wirkte meine Umgebung dennoch wie eine dreidimensionale Leinwand, auf der die Erinnerungen des jungen Künstlers wie Projektionen sichtbar wurden.

      Ein Straßenname!

      Ich machte mich auf die Suche nach irgendeinem Schild, einer Straße, einem Platz, dem Namen einer Bar oder eines Ladens – um eine Referenz zu haben. Um zweifelsfrei sicherstellen zu können, dass ich mich gerade im Moment in derselben Gegend befand, sollte dieser Name irgendwo auf den folgenden Seiten des Manuskripts auftauchen…

      Tiefer und tiefer wand ich mich in die Eingeweide aus Gassen, Brücken, Winkeln und Torbögen hinein, bis ich die Orientierung verloren hatte. Regen setzte ein.

      Und plötzlich rannte ich los. Ich lief die Straße zurück, die ich gekommen war. Ich hatte das irrationale Bedürfnis - das kindliche, abergläubische, esoterische, psychopathische, gänzlich irrationale und dennoch vorhandene, gegen jede Vernunft faktisch anwesende Bedürfnis, mich zu vergewissern, ob ich noch in derselben Stadt war. Ob der Rückweg in die Realität, die Welt, in der ich heute morgen aufgewacht war, sich noch hinten bei der alten Markthalle befand. An der verfallenen Mauer entlang bis zur beleuchteten Kreuzung, wo es Richtung Stadtautobahn geht. Nur einen Blick in den letzten mir bekannten Straßenzug, wie der Griff nach dem Hausschlüssel, bevor man die Tür zuzieht.

      Ich fand ihn nicht.

      Im Schein der nächstgelegenen Straßenlaterne zog ich die Aufzeichnungen aus meiner Jackentasche. Wenn ich mich nicht täuschte… Da stand es:

       - 10 -

      Bin ich abgebogen? Soweit ich weiß, bin ich immer gerade an der Mauer entlanggegangen. Aber hier ist sie nicht. Ich denke nach, rufe mir meinen Weg ins Gedächtnis. Da war die Kreuzung. Die alte Markthalle im Nebel, gegenüber auf der anderen Straßenseite. Die kleine Gasse an der Mauer entlang, immer geradeaus. Die alten Laternen und die seltsamen Häuser. Keine Autos, keine Hausnummern.

      Mich überkommt das Bedürfnis, einfach irgendwo zu läuten. Um herauszufinden, wer hier wohnt. Doch dazu müsste ich zuerst eines der Tore öffnen und in den Vorgarten treten. Und was sollte ich dann sagen?

      Guten Abend. Wohnen sie hier? Warum haben sie kein Auto?

      Mit Sicherheit sind die Tore ohnehin verriegelt. Und ich kann schließlich nicht einfach so über den Zaun klettern. Ich greife trotzdem zwischen den Metallstäben hindurch, drücke von innen die Klinke und das Tor öffnet sich. Mit wenigen Schritten durchquere ich den Vorgarten und stehe dicht vor einer massiven schwarzen Holztür mit Goldbeschlägen. Mit zwei kräftigen Zügen betätige ich die Glocke. Wie das Läuten von San Marco in der totenstillen Mittagshitze dröhnen die beiden Schläge durch die Finsternis.

      Einmal, zweimal.

      Ich stehe regungslos auf dem Absatz und verfolge das Echo, wie es über die Dächer der Stadt in die Ferne tanzt.

      Einmal, zweimal.

      Ich kann mich nicht rühren. Erstarrt blicke ich auf die schwarze Tür wenige Zentimeter vor mir und versuche auf alles gefasst zu sein, egal welchem Gesicht ich gleich gegenüberstehe.

      Langsam, ganz langsam verliert sich der Schall in Regen, Nebel und Dunkelheit. Hoffentlich bleibt es still. Hoffentlich rührt sich nichts. Hoffentlich stört kein Laut von drinnen die Dunkelheit, keine Schritte auf der Treppe, kein Klicken des Schlosses, kein Knarzen der Tür, keine Frage: Wer ist da?

      Hoffentlich.

      Ich stehe vor dem Haus.

      Die Fenster sind schwarz.

      Die Stille ist vollkommen.

      Kein Hund heult, kein Wind pfeift, sogar der Regen ist stumm. Geräuschlos fallen seine dünnen Tropfen in die Pfützen.

      Ich höre die Glockenschläge.

      Weit weg von hier, irgendwo am anderen Ende der Stadt, tanzen sie über die Dächer. Und irgendjemand hört sie dort. Hört ihr Echo leiser werden, bis sie auch ihn verlassen haben. Und Stille ihn umgibt.

       - 11 -

      Als

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