Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln. Martina Dr. Schäfer

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Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln - Martina Dr. Schäfer

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konnte. Im gleichen Sinne schreibt er noch einmal am 11.9.1945, nun das erste Mal mit Schreibmaschine, an die Verwaltung. (UAK Zug 17/3213)

      Herbert Kühn schrieb über alle Jahre hinweg eine ausgesprochen klar zu lesenden Handschrift.

      Während Herbert Kühn den Brief an den Oberbürgermeister nur mit den besten Empfehlungen – Ihr ergebener Herbert Kühn unterzeichnete, signierte er den handschriftlichen Brief an die Universitätsverwaltung mit Prof. Dr. H. Kühn und den schreibmaschinengeschriebenen mit Prof. Herbert Kühn, was, rein rechtlich gesehen, nicht zulässig war.

      Am 9.11.1945 antwortete ihm der Dekan, Professor Peter Rassow, einer der wenigen Professoren, die auch in ihren Lehrveranstaltungen kritisch gegenüber dem Nationalsozialismus geblieben waren. (GOLCZEWSKI 1988, 350ff, siehe auch: Interview mit Schüller, Hans-Klaus, ehemaliger Student der Vorgeschichte zu Köln von 1940 bis 1943, vom 8.5.1999 und 8.12.1999)

      Peter Rassow bat Herbert Kühn Ihren Platz als a.o. Prof. für Vorgeschichte in unserer Fakultät wieder einzunehmen und die wieder hergestellte venia legendi auszuüben. (UAK Zug 17/3213)

      Man gewinnt aus dem Briefwechsel Herbert Kühns mit der Universität Köln in den Wochen danach den Eindruck, als hätte Herbert Kühn verschiedene Eisen im Feuer gehalten: Teilte er doch am 12.11.1945 dem Dekan mit, dass er einen Ruf als ordentlicher Professor nach Göttingen habe und einen zweiten nach Berlin. Herbert Kühn unterschrieb dieses Mal ohne den Zusatz «Professor». (UAK Zug 197/769) Am 26.11.1945 beantwortete er Peter Rassows Brief, bedankte sich und plante eine Fahrt nach Köln. Vorsorglich erkundigte er sich nach den Fortschritten des Wiederaufbaus der Universität, insbesondere der Philosophischen Fakultät und zur Wohnungsfrage.

      Peter Rassow überprüfte am 19.12.1945 und am 19.1.1946 in Göttingen, ob Herbert Kühn dort angenommen worden sei.

      Am 8.4.1946 schrieb Herbert Kühn dem Dekanat, dass eine Reise nach Köln im Winter doch zu beschwerlich gewesen sei. Ehe er aber nun endlich fahre, hätte er gerne ein paar Fragen beantwortet: Während der 10 Jahren «Exil» wäre er sicherlich, unter anderen Umständen, bereits ordentlicher Professor geworden oder hätte ein Ordinariat bekommen. Ob man ihm nun ein solches zusichern könne? Und wie die amtliche Stelle Walter von Stokars gewesen sei? (UAK Zug 197/769)

      Man antwortete ihm am 4. Mai: ...es ist richtig, dass wir ein Ordinariat für Vorgeschichte gehabt haben, aber die Fakultät wollte es nicht mehr aufleben lassen, und hat den Lehrstuhl bereits für andere Zwecke verwendet. ... es ist einstweilen beabsichtigt, das Vorgeschichtliche Institut als neuen Bestandteil in das Historische Seminar aufgehen zu lassen. Wie bei dieser Lösung ein Vertreter der Vorgeschichte zu stellen sei, wenn wir überhaupt einen bekämen – ...ist noch nicht entschieden worden. (UAK Zug 197/769) Der Brief rekurierte einige Male auf die schwierigen finanziellen Verhältnisse der Nachkriegszeit und es schien auch eine leise Kritik an Herbert Kühns «Bewerbungspolitik» mit hineinzuspielen.

      Aus einer Aktennotiz Rassows vom 7.6.1946 erfährt man dann den Ausgang der Dinge: Herr Prof. Dr. Herbert Kühn besuchte mich heute ( 7. 6. 46 ) um sich nach der Verwendung des vorgeschichtlichen Lehrstuhls zu erkundigen. Ich teilte ihm mit, dass die Fakultät in ihrer letzten Sitzung sich die Frage der Verwendung dieses Lehrstuhls vorbehalten habe, jedenfalls nicht für vordringlich halte zu entscheiden, ob das Ordinariat in ein Extraordinariat umgewandelt werden solle. Herr Kühn erklärte mir, dass er nur auf ein Ordinariat gehen werde. Er habe Rufe nach Mainz, Erlangen und Berlin. Bei der von mir geschilderten Lage in Köln bliebe ihm nichts anderes übrig, als den Ruf nach Mainz anzunehmen. (UAK Zug 197/769)

      Es sollte über zehn Jahre dauern, bis erneut ein Institut für Vorgeschichte an der Universität zu Köln etabliert wurde.

      In Bezug auf eine literaturkritische Analyse von Herbert Kühns Arbeiten, standen folgende Fragen im Vordergrund:

      Schloss er sich der durch Kossinna vorgegebenen «völkischen» Linie an?

      Inwieweit beugte er sich den ideologischen Vorgaben der Nationalsozialisten ab den späten 20-iger Jahren?

      Stand er möglicherweise im Widerspruch zu diesen Auffassungen?

      Änderte sich seine Einstellung nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur?

      Wo ist Herbert Kühns wissenschaftsgeschichtliche Einordnung innerhalb der Ur- und Frühgeschichte zu finden?

      Eine Antwort auf die ersten beiden Fragen bietet die Analyse seines Vortrags: «Herkunft und Heimat der Indogermanen», den er im August 1932 in London, auf dem ersten internationalen Kongress für Vor- und Frühgeschichte hielt.

      Nachdem Herbert Kühn aufzählt w o h e r diese Indogermanen auf keinen Fall kommen können, beschreibt er einen Siedlungsraum vom Rhein im Westen, Skandinavien im Norden, Iran im Süden und etwa dem Dongebiet im Osten, dieser Raum ist der indogermanische Urraum und innerhalb dieses Gebietes werden die Ursitze gesucht. (KÜHN 1932/2)

      Die Diskussion, ob nun das Licht der Zivilisation aus dem Osten oder aus dem Norden kam bewegte im «völkischen» und vornationalsozialistischen Deutschland so manchen Intellektuellen. (WIWJORRA 1998)

      Aber neben diesem mythischen Urraum, ist auch der Zeitpunkt des ersten Auftretens der Indogermanen von höchster, da nationalistischer Bedeutung.

      Herbert Kühn referiert zuerst die auch nach dem 2. Weltkrieg bei einigen Autorinnen und Autoren (GIMBUTAS 1965) noch gängige Lehrmeinung, dass das erste Auftreten der Indogermanen irgendwo zwischen Schnurkeramik und früher Bronzezeit anzusiedeln sei: ...daraus (aus den verschiedenen Worten für «erz» in verschiedenen Sprachen – Anmerk. d. Verf.in)) wird ganz allgemein gefolgert, dass die Wanderung vor der eigentlichen Bronzezeit, am Ende des Neolithikums erfolgt sein müsse. (KÜHN 1932/2,1)

      Aber Herbert Kühns Argumentationsweise geht weiter: Das «Urvolk» muss ja irgendwie etwas Einheitliches, «ein Volk» sein. Daraus folgert er: Denn das ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung der Vorgeschichte: ein neolithisches Volk, das das Urvolk der Indogermanen gewesen wäre, gibt es nicht, im Neolithikum ist Europa schon aufgeteilt, sind die Völker schon gespalten. (KÜHN 1932/2, 2) ... Es kann nur in der Zeit vorher, im Paläolithikum existiert haben, und in der Tat, nur in dieser Zeit hatte Europa noch ein einheitliches Gesicht, eine einheitliche Struktur; im Neolithikum ist das Volk schon geteilt. (KÜHN 1932/2, 3)

      Wieso man in den dreissiger Jahren den Begriff «Volk» für Zusammenhänge hernehmen konnte, die man heute als «Gruppe», «Inventar», «Kultur» bezeichnet, hängt mit der Rezeption von Gustav Kossinnas Thesen zusammen. Sein Lehrsatz: Scharf umgrenzte archäologische Kulturprovinzen decken sich zu allen Zeiten mit ganz bestimmten Völkern oder Völkerstämmen.(KOSSINNA 1912), den Gustav Kossinna schon 1895 auf einer Tagung in Kassel erstmals äusserte, öffnete fortan den ethnischen Interpretationen von Befunden und Funden alle Tore und führte dazu, «Völker» mit archäologischen Inventaren gleichzusetzen. Von einem schriftlich dokumentierten Zeithorizont aus chronologisch retour gehend, bemühte man sich, die lückenlose Genealogie soweit wie möglich zurück zu verfolgen.

      Herbert Kühn folgte dieser Argumentationslogik bis ins Paläolithikum: ... das Magdalénien dagegen muss die Indogermanen darstellen. (KÜHN 1932/2, 3)

      Die Verbreitungskarte des Magdalénien, die Herbert Kühn vorlag, deckte sich mit dem von ihm genannten Raum. Alle folgenden Kulturgruppen dieses Gebietes teilen sich, nach dieser Argumentation, entweder in Abkömmlinge dieses einen Urvolkes, gewissermassen Eingemeindete oder Eindringlinge von irgendwoher auf.

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