Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln. Martina Dr. Schäfer
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Wie kam Herbert Kühn zu diesen Thesen? Was waren seine wissenschaftlichen Methoden? Welche Grabungen und Experimente führte er durch? Auf welchen Beobachtungen fussten seine Behauptungen?
Die Art seiner Kossinna-Rezeption lässt sich an Hand seiner Einleitung zum Buch: «Vorgeschichtliche Kunst Deutschlands» 1935 verfolgen. Die imperialistischen Folgerungen, die aus solchen Theorien gezogen werden können, finden sich hier beinahe unverholen wieder: Wenn die erste eigentliche Völkerwanderung germanische Menschen über ganz Europa und Nordafrika ausschüttete, dann die zweite, seit 1500 n. Chr., über die ganze Welt. (KÜHN 1935, 9)
EGGERS (1986) weist in seinem Abschnitt zu Gustav Kossinna darauf hin, dass dieser kaum Grabungserfahrungen hatte und wenig Museumspraxis. (EGGERS 1986, 202). Gustav Kossinna stellte Behauptungen auf, so EGGERS (1986) und brachte keine Beweise.
Herbert Kühns Antrag zur Errichtung des neuen Institutes, den er 1928 stellte, schien an diese methodische Auffassung anzuschliessen: Da war ein Replikenraum beantragt und eine Bibliothek. Aber Räume oder Geräte für naturwissenschaftliche Methoden, die es damals durchaus schon gab, waren nicht vorgesehen. Ebenso wenig fanden sich im Vorlesungsverzeichnis Exkursionen oder anderweitige Feldarbeit angekündigt, wie das bei Werner Buttler einige Jahre später der Fall war.
Einen Eindruck, wo Herbert Kühns methodische Schwerpunkte lagen, gibt auch das Nachwort zum Buch von Carl Hentze: «Mythes et Symboles Lunaires». Hier findet man jene von den nationalsozialistischen Studenten inkriminierte Behauptung bezüglich der Herkunft des Hakenkreuzes, die ich oben im Abschnitt 5.3. erwähnte.
Der Wert und die Bedeutung dieses Buches liegt darin, dass in ihm zum ersten Mal das kosmische Weltbild des vorgeschichtlichen Menschen in einer Ganzheit aufgebaut wird, die wir bisher nicht kannten, und dass aus diesem Weltbild, vom Mythos abgeleitet, die Wege gewiesen werden zu einer Deutung vorgeschichtlicher ornamentaler Gestaltung. (KÜHN 1932/1, 3)
Dieses Weltbild, so Kühn weiter ist «alogisch», «Wesenschau», ruht auf ältester mythischer Basis, auf dem Urerleben des Menschen (KÜHN 1932/1, 3) und kann deshalb auch nur mit einem ähnlichen Denken erfasst werden: Nicht durch logisches, abstrahierendes und zergliederndes Denken sondern durch eine zusammenfassende Schau. Die mythische Welt aber ist unistisch...sie ist nicht zerlegbar, sie ruht nicht auf Analyse... Die Schau aber fügt andere Elemente zusammen als der logische Begriff. (KÜHN 1932/1, 4)
Hier erhebt Herbert Kühn die Irrationalität zur wissenschaftlichen Methode. Rationalitätsfeindlichkeit und Rekurieren auf einen scheinbaren mythischen «Urgrund» aber, die Ablehnung von kritischem und aufgeklärtem Denken leistete den autoritären und faschistischen politischen Strukturen Vorschub. (HACKER 1990, THIEME 1991, SCHWAGERL 1993)
Es gibt nur e i n e Urwurzel, e i n e n Grundgedanken, von dem alle anderen Elemente ausgehen und in den alle wieder zurückkehren. (Kühn 1932/1, 18)
Diese «Schau» nun bindet logisch nicht Zusammengefügtes, das vergleichende Bindeglied liegt in einer betonten Wesensseite der Elemente (KÜHN 1932/1, 4) Als erstes Beispiel nennt Herbert Kühn die ausserlogische innere Ähnlichkeit ...in der Verbindung Frau und Erde (KÜHN 1932/1, 4)
Es ist das tertium comparationis der Furche und der Sameneinbettung, des Gebärens und des Früchtetragens, und es mag ein sicherer Beweis für diese gewiss alogische, doch mythisch fest begründete Synthese sein, dass altlateinisch das Wort spurium sowohl Ackerfurche wie weibliche Geschlechtsteile bedeutet und Spurii die Kinder, die Gesäten. (KÜHN 1932/1, 4) Herbert Kühn rekuriert hier auf Inhalte, wie sie der Privatgelehrte und Mitbegründer des «SS-Ahnenerbes» Hermann Wirth von sich gab. Neben seinen, selbst am Ende von den Nationalsozialisten abgelehnten Theorien zu einem mythischen «Urvolk» aus der Nähe Grönlands, widmete Hermann Wirth grosse Teile seiner Schriften den Themen «Frau» und «Matriarchat». (GÖTTNER-ABENDROTH 1988, 143ff, KATER 1997, 11ff.)
Hermann Wirth sammelte noch nach dem 2. Weltkrieg über lange Jahre eine rechtsgerichtete Anhängerschar um sich. Ein Aufsatz von Hermann Wirth ist im 24. Band der IPEK, welcher die Jahre 1974 bis 1977 umfasst, zu finden.
Auch Willy Brandt fiel 1979 auf Hermann Wirth herein und nur durch sehr massiven Wiederstand aus Jusokreisen und vom Kollektiv der Politischen Buchhandlung in Bochum, konnte verhindert werden, dass ihm durch das Engagement eines SPD-Mitgliedes ein Millionenprojekt vermittelt wurde. Im Dezember 1981 starb Hermann Wirth und es heisst, dass an seinem Grab die faschistische «Wehrsportgruppe Hoffmann» defilierte. (GUGGENBERGER/SCHWEIDLENKA 1987, 119)
Das alogische Denken, z. B. die Gleichsetzung von «Mikrokosmos und Makrokosmos», für das Herbert Kühn auf den nächsten Seiten weitere Beispiele aufführt (KÜHN 1932/1, 4) ist nun auch die beste Voraussetzung die Kunst der «Primitiven» zu verstehen: Gerade unsere Zeit am Ende einer rationalistischen Epoche, sieht wie keine Zeit vorher die Grenzen der Erkenntnis, weil sie die Vergeblichkeit aller Bemühungen seit Descartes, die Wirklichkeit zu beweisen, erfahren hat. ...Damit nähert sich die Weltanschauung unserer Zeit wieder der der Primitiven (KÜHN 1932/1, 6)
Herbert Kühn macht keinen Unterschied, zwischen der Kunst des Paläolithikums und moderner, abstrakter Kunst des Kubismus oder Expressionismus, die für ihn Ausdruck dieses alogischen Weltverständnisses ist.
Hierin mag ein weiterer der ideologischen Gründe liegen, warum Herbert Kühn den nationalsozialistischen Studenten oder Redakteuren verdächtig wurde. Es gab innerhalb des Nationalsozialismus verschiedene, inhaltliche Strömungen und Auffassungen, die einander erbittert bekämpften, wie auch die Biografie von Hermann Wirth zeigt. (KATER 1997 a. div. O.)
Die moderne Kunst, die in Herbert Kühns Studium und Dissertation eine wichtige Rolle spielte, galt den Nazis in weiten Teilen als «entartet», wurde bekämpft, vernichtet und in der berühmt gewordenen Ausstellung in München negativ «gewürdigt»!
Als Nächstes stellt Herbert Kühn das wichtigste Symbol der Nazionalsozialisten, das Hakenkreuz, in diesen Zusammenhang: Nur rationalistisch-logischer Betrachtung wird diese Welt verschlossen bleiben müssen, weil eine andere Art des Denkens ihr zu grunde liegt, weil ihr die Analyse vor der Symthese steht, dem vorhistorischen Denken die Synthese aber das Primäre ist. ... Es ruht in dem logisch nicht zusammengehörigen und doch in mythischem Sinn eng verbundenen Gedankengefüge, das bestimmt ist durch folgende Positionen: Mond, Wachsen – Abnehmen, Fruchtbarkeit, Wasser, Erde, Weib, Baum, Schlange. ...die geistige Grundlage aber bleibt die gleiche, es ist einmal der Unismus, der Gedanke des Zusammenfallens logisch heterogener Elemente und zweitens der Gedanke des Symbols, des Gleichnisses, einer Ausdrucksform, die, uns verloren gegangen, in der Urzeit des Menschen die höchste Kraft besass. (KÜHN 1932/1, 8)
Die Zeichen für «Mond» und alle die mitklingenden Bedeutungen, die Kühn aufzählt – von «Weib» bis «Schlange»- sind der Kreis, die Spirale und der Kreis, der durch ein rechtwinkliges Kreuz in vier gleich grosse Segmente aufgeteilt ist, und als Hakenkreuz auf neolithischen Figürchen und Keramik auftaucht. (KÜHN 1932/1, 8, 13)
So wird das Rad das Zeichen des Mondes, das Rad, das sich zum Hakenkreuz schon früh verändern kann. (KÜHN 1932/1, 12)
In Verabsolutierung dieser Beobachtung findet sich das Hakenkreuzsymbol überall: Europa, ja sogar weltweit.
Bei allen Völkern, die näher der Natur leben, muss der Mond in den Mittelpunkt des Interesses treten, er muss die Grundlage des Mythos werden, denn das Geschehen des Menschen, Geburt und Tod – wiederholt sich hier sichtbar in der Sternenwelt. Hier liegt der Grund, warum dieselben