GEN CRASH. Peter Schmidt

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geschweige denn als politische Sendung (es war weiß Gott ein Geständnis und im Kreis der Eierköpfe nicht weniger verpönt als das Mitbringen von Essensbehältern).

      Wir waren an einer Hütte unter dem Gipfel der Benediktenwand angekommen. Er setzte sich neben mich ins Gras und sagte: "Es ist schlichtweg Abenteurertum, Adrian. Der alte Hang, fremde Welten zu entdecken. Nehmen Sie den Unterhaltungseffekt weg, das Kribbeln in der Leistengegend, wenn's nachts am Stadtrand von Warschau zur Sache geht, und kein Mensch reißt sich mehr darum, im Außendienst zu arbeiten." Er zeigte hinunter auf die Seilbahn. "Wir sind Legionäre, und da es kaum noch wirkliche Kampfschauplätze gibt, nur noch öde Militärcamps, in denen die Langeweile grassiert, begnügen wir uns mit Ersatzfronten. Die Vorstellung, das Seil könnte reißen, macht die Fahrt erst interessant."

      Wenn er wirklich dieser Meinung war, fragte ich mich, wo jetzt eigentlich jene so sprichwörtliche Kumpanei blieb – die Offenheit, die Kameradschaft –, die eine verschworene Gemeinschaft wie Söldner und Legionäre auszeichnet, wenn sie überleben will. Er schickte mich in irgendein Himmelfahrtskommando, aber ohne genaue Karten. Ja, nicht einmal das Ziel der Operation war mir bekannt. Den Gegner töten? Seine Frauen vergewaltigen? Oder war es erlaubt, Gnade walten zu lassen?

      Als ich die Haustür aufschob, hörte ich von oben Gelächter. Es war das amüsierte Lachen Margrits.

      Wenn sie amüsiert ist, klingt ihr Lachen immer wie der Angriff von Tieffliegern. Oder wie das Geräusch der Rotorblätter und Motoren beim berühmten Hubschrauberangriff auf ein vietnamesisches Dorf in Apocalypse now.

      Der Anlass ist ungefähr derselbe: Wellenreiten Unterhaltung. Im gefährlichsten Kampfgetümmel findet man noch Zeit, die Surfbretter auszupacken und in aller Ruhe seinem Vergnügen nachzugehen. Dass sie dabei Wagner liebte, den Walkürenritt der Filmmusik, war eine Parallele, von der nicht einmal der Regisseur etwas geahnt haben konnte.

      Ich wusste, wie wenig mein Spott ausrichtete. Er half mir, über die Runden zu kommen, nicht mehr. Er war wie das Gemurmel eines betenden Mönchs, der niemals bis zum Ohr seines Gottes vordrang. Und ist das nicht unser aller Ziel? Auf irgendeine dubiose, von Selbsttäuschungen und Irrtümern verdrehte Weise über die Runden zu kommen?

      Sehlens Kommentare klangen zwischen Margrits Auflachen wie die Beschwörungen eines Mannes, der ein wildes Tier zu bändigen versuchte, indem er ihm gut zuredete. Ich verstand nicht, was er sagte, aber die Tonlage lag bei "Verständigung, Sympathie". Sie saßen unter der Wendeltreppe. Sehlen hatte seinen Arm um Margrits Schulter gelegt. Auf dem Teppich vor ihm waren ein paar Blätter aus meiner Sammlung ausgebreitet.

      "Adrian, schön, dass Sie kommen!" Er nahm seinen Arm herunter. "Ich habe einen Blick in Ihr Material geworfen – falls es Sie nicht stört? Ordentliche Arbeit, Kompliment."

      "Sie waren in meinem Arbeitszimmer?"

      "Dazu musste ich weder den Schreibtisch aufbrechen noch unter den Perserteppichen nach dem Zimmerschlüssel suchen", sagte er lächelnd. "Ihre Frau war so nett, mir behilflich zu sein."

      "Sie bringen meine Sammlung in Unordnung, ist Ihnen das klar, verdammt noch mal?"

      "Ordnung, das halbe Leben, Adrian Ich werde Ihnen beim Einsortieren helfen. Nun machen Sie nicht so ein Gesicht. Die Seiten hier auf dem Boden würde ich gern kopieren, wenn Sie einverstanden sind?

      Ob Gorbatschows Wirtschaftspolitik scheitert, das ist doch wohl nach der Analyse unserer Finanzfritzen der Dreh- und Angelpunkt, oder? Er kann noch soviel über Freiheit und Pluralismus posaunen, für den Rubel muss es Apfelsinen und Bananen geben, sonst wird's kritisch. Stimmen wir darin überein?"

      "Ist das wichtig für unsere Arbeit?"

      "Die Dienste schreiben an so etwas wie einem historischen Roman, Amb. Und wir wollen doch auf dem Boden der Realitäten bleiben, oder?"

      "Du solltest uns lieber Kaffee machen, Addi", sagte Margrit. Sie begann mit hektischer Röte die Blätter aufzuheben, als seien sie und Sehlen bei einer verfänglichen Situation überrascht worden, und das Peinliche daran werde nun dadurch aus der Welt geschafft, dass man die Indizien einsammelte. "Slava hat schon Wasser eingefüllt, du brauchst nur noch den Automaten anzustellen."

      "Ist Slava denn zu Hause?"

      "Sie musste gleich wieder weg – zur Wohltätigkeitsveranstaltung im Krüger-Zentrum."

      "Ihre Tochter ist ein wahrer Engel", sagte Sehlen. Er griff hinter sich nach dem Likörglas.

      Ich entdeckte jetzt erst, dass sie es sich mit meiner Flasche Cointreau gemütlich gemacht hatten. Wenn Margrit trank, lachte sie noch schallender als in nüchternem Zustand. Trotzdem versuchte ich mir nichts von meiner gereizten Stimmung anmerken zu lassen.

      Ich dachte an den schlauen Grundsatz, dass das Maß der inneren Freiheit viel größer ist, als man gemeinhin wahrhaben will. Man muss die Freiheit wählen, sie existiert nur soweit, wie man sie tatsächlich praktiziert. Unfreiheit ist der Zustand vor der Wahl, und der Wechsel beginnt damit, dass man sich seine Möglichkeiten bewusst macht. Dazu muss man sich an vorausgegangene Erfolge erinnern können, ihr leuchtendes Beispiel vor Augen haben. Man muss aus dem Stand einen neuen Anfang machen man kann schallendes Lachen ignorieren.

      "Was ist los, Addi?"

      "Ja, haben Sie nicht gehört, Amb, worum Ihre Frau Sie gebeten hat? Kommen Sie, trinken Sie erst mal einen Cointreau mit uns. Sie sind ja ganz durchgefroren. Wie versteinert. Das Klima scheint Ihnen überhaupt nicht zu bekommen?"

      Ich setzte mich zu ihnen, und wir begannen gemeinsam die Flasche zu leeren. Ich brachte das Zeug immer aus Brüssel mit, weil es dort billiger zu bekommen war. Ein Freund schleuste es durch den Zoll, er bestach die Fahrer auf dem Flughafen. Aus einem Grund, über den ich noch nicht nachgedacht hatte, war es das einzige alkoholische Getränk, mit dem ich mich wirklich anfreunden konnte. Vielleicht lag es an der eigentümlichen Verbindung von herbem und süßem Aroma. Es wirkte wie ein belebendes Heilmittel auf mich, ein Aufputschmittel und Aphrodisiakum.

      Zwischendurch verschwand Margrit in der Küche, um den Kaffeeautomaten anzustellen. Sie musste völlig vergessen haben, dass sie eigentlich mich damit beauftragt hatte.

      Sehlen erkundigte sich, ob ich auch der Ansicht sei, dass Apfelsinen und Bananen für das sozialistische Lager von existentieller Bedeutung wären. Er balancierte seine Kaffeetasse auf den Fingerspitzen.

      "Wir hier im Paradies wissen gar nicht mehr zu schätzen, was wir haben. Das ist unser größtes Manko: der Abnutzungseffekt. Wir schwimmen in Reichtümern und drohen, darin zu ertrinken, weil wir die Orientierung verloren haben. Ich gehe manchmal durch die Kaufhäuser, Amb, zwischen den beladenen Tischreihen hindurch – daraus mache ich mir einen Spaß –, und versuche mir darüber klarzuwerden, was das alles bedeutet. Videokameras, Radiorekorder, Taschenrechner, Quarzuhren, Computer, elektronische Übersetzungshilfen.

      Eine Abteilung weiter belgische Trüffel, neuseeländische Avocados, französische Weinbergschnecken, chilenischer Rotwein.

      Und je mehr ich in den Anblick dieser Feiertagserfindungen versinke, desto besser verstehe ich die leuchtenden Augen unserer armen Brüder in der Dritten Welt. Ein paar von unseren Kulturpriestern, die in Kritik machen – nach welchen Maßstäben eigentlich? frage ich Sie –, wollen uns die Freude daran verderben. Anbetung der goldenen Götzen, Sie wissen schon?

      Aber sind alle diese Dinge denn nicht eigentlich Gott, Amb? Im besten, im einzigen Sinne? Wenn wir schon mal dabei sind,

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