Sky-Troopers. Michael Schenk
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Das Haus von Familiengruppe 17 lag nahe der Ortsmitte. Der Kern der Siedlung wurde natürlich von den Gebäuden der Gründergruppen gebildet. Alle Häuser ähnelten einander in der Grundform. Sie glichen einem Pilz mit einem kegelförmigen „Stamm“, der sich nach oben verjüngte und von einem weit ausladenden Runddach bedeckt war. Um den Stamm zogen sich die beiden Gänge der oberen Ebenen. Während die Fenster eine kreisrunde Form aufwiesen, waren die Türen in der eines Fünfecks gehalten. Allesamt wirkten massiv und waren mit Schnitzereien versehen. Die Türen der bedeutenden Familiengruppen hatte man sogar mit Kupfer beschlagen. Alle Häuser waren weiß, da sie aus dem Holz des Weißbaums gebaut wurden. Damit hörte die große Ähnlichkeit auf, denn die Familiengruppen schmückten ihr Heim nach individuellem Geschmack und verzierten es mit Anbauten, stützenden Säulen und kleinen Erkern. Die Rahmen der Eingangstüren wurden in verschiedenen Farben angestrichen. Dies erlaubte die zweifelsfreie Identifikation, wer das Haus bewohnte. In Grünwasser kannte man einander, aber in den großen Städten sollte dies anders sein.
Die ersten Häuser waren entlang der Hauptstraße errichtet worden. Dabei folgte die Siedlung dem Lauf des kleinen Baches, der im See seinen Ursprung hatte und weit im Norden in den großen Fluss mündete. Für die Häuser der ersten Familien war dies von Vorteil gewesen, da man so leicht an Wasser herankam. Als Grünwasser größer geworden war, hatte man schließlich Leitungen verlegen und Pumpen aufstellen müssen. Inzwischen schien der Ort, wenigstens für Fremde, jegliche Ordnung verloren zu haben.
Neben der Hauptstraße waren im Verlauf der Jahre viele weitere Wege angelegt worden, um alle Häuser mit dem Gemeinwohl zu verbinden. Die Wege wurden sorgfältig mit bunten Steinen gepflastert – manche so kunstvoll, dass sich am Boden verschlungene Muster oder richtige Bilder formten. Die erforderlichen Hartsteine hatte man aus dem entfernten Steinbruch heranschaffen müssen, damals ein mühseliges Handwerk mit Handkarren oder Gespannen. Nun rollten Dampfwagen über jene Straßen, die die Orte und Städte miteinander verbanden.
Durch die Neubauten hatte Grünwasser eine sehr unregelmäßige Grundform angenommen. Eigentlich konnte man kaum von einem Zentrum sprechen, aber es gab den großen Platz der Gründergruppen. Und dort standen auch jene wichtigen Bauten, die von der sonst üblichen Bauweise abwichen.
Da gab es das Gemeinschaftshaus, in dem Rituale, Verehrungen und gemeinsame Feierlichkeiten abgehalten wurden. Hier tagte der Ältestenrat und entschied über die Geschicke der Siedlung oder sprach in Streitfällen Recht. Der Bau war nur eingeschossig, aber er verfügte über einen sehr großen Innenraum und ein noch größeres Dach, das ringsum von geschnitzten Säulen gestützt wurde.
Für die Wasserschleudern gab es ein eigenes Gebäude. Im Fall eines Brandes eilten die Bewohner Grünwassers hierher und rüsteten sich mit den Löschgeräten aus. Ursprünglich waren es Handkarren mit Schwengelpumpen gewesen, doch seitdem das einstige Lager des großen Haldar – mochten die Wolken ihm gewogen sein – als verehrungswürdige Attraktion galt, waren aus der Hauptstadt zwei Dampfpumpen herbeigeschafft worden.
Das wichtigste Gebäude war jedoch, wenigstens aus der Sicht von Barek 17 Grünwasser, der kuppelartige Bau der Bilderzeiger. In regelmäßigen Abständen zogen diese Zauberer durch die Siedlungen und zeigten den faszinierten Bewohnern ihre magischen Bilder. Die Kuppel war groß genug, um alle Bewohner Grünwassers und auch ein paar zusätzliche Betrachter aufnehmen zu können.
Barek hatte lange geschlafen, denn in der letzten Nacht war er zur Wache auf den Feldern eingeteilt gewesen. Ein Rudel Werven machte die umliegenden Wälder unsicher und während der Nachtruhe kamen sie gelegentlich zu den Anbauflächen, wühlten sich durch die sorgfältig angelegten Furchen und gruben die Wurzeln der Stachelsträucher aus. Eigentlich bevorzugten die Raubtiere Fleisch, doch sie verschmähten auch die mineralreichen Wurzeln der Anbaupflanzen nicht. Für die Dorfbewohner war das ein Ärgernis, denn Stachelbeeren waren ein wichtiger Bestandteil der Grundnahrungsmittel. Zudem gab es in der Nähe auch die kleinen Kragenechsen, deren räuberisches Wesen sattsam bekannt war.
Der Jungmann ergriff eine der Langpflanzen, die vom Dach des Hauses herabhingen. Seine feinen Krallen ertasteten eine der Knollen, in denen das Gewächs sein Wasser speicherte und drückte sachte von unten dagegen. Die Pflanze reagierte auf die Berührung und versuchte instinktiv, ihren Speicher zu schützen. Rasend schnell dehnte sich die seilartige Pflanze aus und trug Barek dem Boden entgegen. Kaum berührten seine Beine den Grund, ließ er die Pflanze los, die sich – kaum dass der Druck nachließ – wieder zusammenzog. Für den umgekehrten Weg würde Barek eine der Speicherknollen in der entgegengesetzten Richtung pressen.
Er betrat den Gemeinschaftsraum der untersten Ebene. Er war alleine, denn seine Eltern halfen derzeit beim Bau eines neuen Hauses und seine Geschwister erhielten ihre Lektionen bei den Wissenden. Barek trank etwas Gewürzsaft und schlang hastig eine Handvoll Schlupfinsekten hinunter. Sie waren getrocknet und schmeckten nicht mehr besonders gut, aber es würde seinen gröbsten Hunger stillen. Die Hauptmahlzeit wollte er, wenn alles gut ging, mit Enala teilen. Sicherlich würde man im Bau der Bildermagier ein paar schmackhafte Bissen erwerben können.
Er vergewisserte sich, dass der Federhut richtig saß. Gerade verwegen genug, um sich ein wenig von den alten Traditionen abzuheben, aber doch nicht derart schief, dass die Erwachsenen Anstoß daran nehmen konnten.
Dann steckte er sich ein paar Kupfermünzen ein und verließ endgültig das Heim seiner Familiengruppe.
Auf der Straße herrschte wenig Betrieb. Die meisten der Dorfbewohner waren noch bei der Feldarbeit oder gingen der Jagd nach. Von der Dorfschmiede her war das Hämmern des Schlagwerks zu hören. Der Schmied hatte immer zu tun: Werkzeuge für die Feldarbeit, Messer, Nadeln und dergleichen für die Hausarbeit und Beschläge oder Nägel für die zahlreichen Tätigkeiten, die der Erhalt von Grünwasser oder seine Erweiterung erforderlich machten. Barek mied es, dort vorbeizugehen, denn der Schmied konnte immer eine helfende Pfote gebrauchen. Es wäre unhöflich gewesen ihm diese zu verweigern, wenn man keinen triftigen Grund dafür hatte. Die Betrachtung magischer Bilder zählte für die Erwachsenen sicher nicht dazu, obwohl sie selbst gerne in die Kuppel traten.
Barek 17 Grünwasser ging langsam die Straße entlang in Richtung auf das Haus der Familiengruppe 32. Nicht zu schnell, damit niemand auf den Gedanken kam, wie begierig er darauf war, die hübsche Enala endlich auszuführen. Doch auch nicht zu langsam, da man ihn sonst für einen Müßiggänger halten mochte. Die Hanari waren ein fleißiges Volk und immer strebsam und die einfachen Bewohner von Grünwasser hielten viel von ihrer Hände Arbeit. Dass man auch mit dem Kopf arbeiten konnte, akzeptierten sie nur widerwillig. Vor allem, wenn man unsinnigen Gedanken nachhing, die keinen unmittelbaren Nutzen für die Gemeinschaft brachten. Lediglich die Wissenden wurden akzeptiert, da diese wichtige Kenntnisse vermittelten, auch wenn mancher Grünwasser-Bewohner die Kunst der Mathematik als wenig nahrhaft erachtete.
Barek hob seine lange Schnauze in den Wind und schnüffelte. Es würde trocken bleiben. Das war nicht besonders gut für die Felder und man würde wohl die Bewässerungsgräben öffnen müssen, aber es war gut für eine sternklare Nacht. Er liebte solche Nächte und die heutige würde er womöglich an Enalas Seite genießen.
Die Sonne begann, lange Schatten zu werfen. Die überall von den Dächern hängenden Seilpflanzen reagierten darauf. Sie begannen, sich zu strecken, denn nun