Unter Piraten. Miriam Lanz

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ein Bett für das Kind und ihre Gouvernante fertig machen.“

      „Ja, tue das“, sagte Gwyns Onkel und ging wieder zu seinem Sessel.

      Gwyn wusste mit dieser Begebenheit nichts anzufangen. Wieso sollte sie bei diesem Mann leben? Wieso sollte sie Mami und Daddy nicht wieder sehen?

      Mr. Stevens hatte ihr gesagt, dass ihre Eltern nur etwas später nach Hause kommen würden.

      Das Mädchen war Nancy gefolgt. Sie kam in ein Zimmer, in dem außer einem Bett und einem Schrank nichts stand. Gelangweilt sah Gwyn den beiden Frauen zu, wie sie das Bett bezogen.

      „Du kannst dich hier etwas umsehen, aber mach nichts kaputt, hörst du?“, sagte das Hausmädchen -sie hieß Mary- ohne von ihrer Arbeit aufzusehen.

      Gwyn lief den langen, dunklen Flur entlang. Plötzlich hörte sie die gedämpfte Stimme des Commodores. Sie stand wieder vor der Bibliothek.

      Eigentlich wollte sie nicht lauschen, aber als der Name ihres Vaters fiel, wurde sie von ihrer Neugier besiegt. Sie schlich ein paar Schritte näher.

      „…. Charles Steward war ein sehr fähiger Kapitän, aber gegen diesen Piraten Quelch und seine Horde Wilder hatte er keine Chance. Was sicher auch eine Rolle spielte, war, dass seine Frau mit an Bord war. Ich bedauere, dass Hilfe zu spät kam. Zwar konnten noch einige Besatzungsmitglieder gerettet werden, aber die Piraten entkamen. Für Euren Bruder und seine Frau jedoch kam jegliche Hilfe zu spät. Sie wurden auf unmenschliche, grausame Art hingerichtet….“

      „Sir, die ganze Situation ist schrecklich, da stimme ich Euch voll und ganz zu, aber dennoch bin ich der Meinung, dass ich nicht die geeignete Wahl zur Erziehung meines Bruders Tochter bin!“ Gwyn schauderte. Die Stimme ihres Onkels war so kalt....

      „Sir, Ihr seid ihr Vormund. …“

      „Gwyn? Was machst du denn da?“ Das Mädchen zuckte bei der Stimme ihrer Gouvernante und wirbelte herum, um sich Nancys tadelndem Blick gegenüber zu sehen.

      Als das Mädchen in dem fremden Bett lag und an die Zimmerdecke starrte, dachte sie über das Gespräch nach.

       'Für Mami und Daddy kam jede Hilfe zu spät? Sind sie verletzt?'

      Gwyn liefen Tränen über ihr Gesicht. Sie wollte nach Hause. Zu Mami und Daddy. Sie mochte ihren Onkel nicht...

      „Ach hier bis´ du! Hab dich schon überall gesucht. Is´ alles in Ordnung?“ Ben kam zu ihr und setzte sich neben sie an Deck. Inzwischen hatte die Dämmerung eingesetzt.

      Gwyn sah aufs Meer hinaus; langsam verschwand die Sonne in den unendlichen Fluten.

       'Piraten haben meine Eltern auf dem Gewissen!'

      Zwar war ihr dies nicht unbekannt, aber noch nie war ihr das ganze Ausmaß dieser Tatsache so bewusst gewesen, wie in diesem Moment.

      Dreckige, wertlose Piraten, die keinerlei Respekt oder Wertschätzung vor dem Leben anderer besaßen, hatten ihre Eltern geschlachtet!

      Als sich diese Erkenntnis mit den Bilder der beiden Blutbäder, die sich auf Ewig in ihr Gedächtnis gebrannt hatten, vereinte, loderte glühender Hass in ihr auf, durchflutete jede Faser ihres Körpers und verlieh ihr schließlich wieder neue Kraft.

       'Ich werde meine Eltern rächen! Bei Gott, ich werde jeden verdammten Piraten beseitigen, den ich in die Finger bekomme!'

       10. Juni im Jahre des Herrn 1713:

      Kapitän Wilde stand neben dem Steuerrad der ‚Princeps’ und beobachtete das rege Treiben auf dem tiefergelegenem Deck. Die Besatzung war bester Laune und die Wortfetzen, die von den beiden anderen Schiffen zu ihm drangen, verrieten, dass auch die Mannschaft der 'Pride' und der 'Emperor' zufrieden waren.

      Vor wenigen Stunden hatte Andrew Wilde mit Erfolg das erste Piratenschiff außer Gefecht gesetzt. Es handelte sich um eine einmastige Sloop. Wilde hatte das Schiff von achtern her angreifen lassen und die Piraten überrascht. Kampflos hatten sie kapituliert. Als die Piraten in Eisen vor ihm standen und der Royal Navy Ihrer Majestät keinerlei Respekt zollten, ließ er das Schiff versenken. Erst vor wenigen Augenblicken war die Sloop in der Tiefe verschwunden und die Piraten in die Brigg, dem Schiffsgefängnis, gesperrt worden.

      Piraten! Wie er sie verachtete. Diese gesetzlosen, undisziplinierten, faulen Gauner, die von der Ausbeutung anderer, meist Schwächerer, lebten. Wilde konnte nicht in Worte fassen, wie sehr er ein solches Verhalten missbilligte.

      Dachte er darüber nach, schien der Piratenhass die einzige Gemeinsamkeit mit seinem strengen, kalten Vater zu sein. Auch sein Vater, Admiral Daniel Wilde, war gegen die Piraterie vorgegangen - allerdings ohne nennenswerten Erfolg.

      Andrew hoffte sehr, dass er seinen Vater wenigsten dieses Mal übertreffen könnte, um nicht nur auf Grund seines Namens und natürlich dem Ruf seines Vaters für Aufmerksamkeit zu sorgen, sondern ob seines Erfolgs.

      Der junge Mann litt von je her unter seinem Vater. Nie konnte er sich sicher sein, ob er die hervorragenden Bewertungen während seiner Ausbildung, die schnellen Beförderungen, die Aufträge besonderer Art, wie es der Jetzige war, wegen seinem Vater erhielt, oder, weil er sie ehrlich verdient hatte. Wilde vermutete in den meisten Fällen ersteres.

      Bisher hatte er persönlich zwar nur davon profitiert, doch auch die Zahl seiner Feinde wuchs stetig. Dieser Cartwell war lediglich einer von vielen. Hinzu kam, dass Andrew sich ständig Vergleichen mit seinem Vater ausgesetzt sah und stets im Schatten des Admirals stand.

      Der Admiral hatte zunächst all seine Hoffnungen auf Andrews älteren Bruder Edward gesetzt, doch der ältere Wildesohn entschied sich für ein Jurastudium - selbstverständlich an der Oxforduniversität. Seit diesem Zeitpunkt übernahm Daniel Wilde die Erziehung seines jüngeren Sohnes, der damals erst sechs Jahre alt war und in der äußerst liebevollen Obhut seiner Mutter gestanden hatte. Eine Soldatenerziehung, die fortan Andrew Wildes Leben prägte und auf die er liebend gerne verzichtet hätte.

      Sein Vater scheute nicht vor Schlägen zurück und behandelte ihn schlechter als jeden anderen jungen Matrosen. Jeden Morgen wurde er noch vor Sonnenaufgang geweckt, um Französisch und Spanisch, sowie Mathematik zu lernen. Bei dem kleinsten Protest bekam der Junge die kräftige Hand seines Vaters zu spüren. Der blinde Gehorsam und das sofortige Ausführen von Befehlen wurden Andrew im wahrsten Sinne des Wortes eingeprügelt und gingen dem jungen Mann in Fleisch und Blut über.

      Tatsächlich trat er wenige Tage nach seinem sechszehnten Geburtstag der Navy bei; in erster Linie um seinem Vater zu imponieren. Damals hegte Andrew noch die Hoffung, damit den Stolz und die Anerkennung seines Vaters zu erhalten. Allerdings war dies nie eingetreten. Seit seinem Navyeintritt hatte der junge Mann auf eine Gelegenheit gehofft, seinen Vater zu übertreffen und nun schien diese Gelegenheit gekommen zu sein - mit dem Auslöschen der Piraterie; mit dem Vernichten unwürdiger, schmieriger Piraten, die es nicht verdient hatten, am Leben zu sein.

      Wilde konnte nicht nachvollziehen, wie man sich freiwillig dazu entscheiden konnte, ein solches Leben zu führen. Es verstieß völlig gegen seine Wertvorstellung, von Moral und Ehre, zum Schaden der Krone zu handeln und doch wechselten immer mehr brave Seefahrer über zur Piraterie.

      „Sir?“, William Hard war auf dem Achterdeck erschienen. „Der Nachmittagstee ist aufgetragen und die übrigen Offiziere sind

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