Unter Piraten. Miriam Lanz

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Unter Piraten - Miriam Lanz

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kommen Mami und Daddy wieder?“, fragte Gwyn auf einmal.

      Steward sah nur kurz von dem Schreiben auf, ging aber nicht auf ihre Frage ein.

      Kurz danach verließ er die Villa, um seinem gewohnten Tagesablauf nachzugehen.

      In den vier folgenden Tagen sah er seine Nichte kaum. Nur beim Frühstück und beim Abendessen saßen sie gemeinsam am Tisch. Das Mädchen versuchte immer wieder mit ihm zu reden, aber Steward ging auf keinen ihrer Versuche ein. Allerdings stellte er fest, dass er sich langsam an die Anwesenheit des Kindes gewöhnte.

      Als er am späten Nachmittag des fünften Tages wieder nach Hause kam, war die Villa so still wie gewöhnlich. Der Arzt stieg die Treppe hinauf in sein Arbeitszimmer.

      Als er die Tür öffnete, empfing ihn ein ungewohntes Bild. Auf dem großen Schreibtisch standen verschiedene Fläschchen. Gwyn kniete auf seinem gepolsterten Stuhl und war im Begriff, den Inhalt zweier Flaschen zusammenzuschütten.

      „Was in Gottes Namen tust du hier, Kind?“ Steward stürzte auf das Mädchen zu, das ihn unschuldig ansah.

      „Was machst du denn mit den ganzen Flaschen?“, fragte sie.

      „In ihnen werden wichtige Arzneien aufbewahrt“, erklärte der Arzt, wobei er die Fläschchen verkorkte und wieder in den Schrank zurückräumte.

      „Arzneien? Kümmerst du dich um kranke Leute?“, fragte das Mädchen weiter.

      „Nun, ich bin Arzt. Aber ich versorge nicht nur Kranke sondern auch Leute, die sich verletzt haben.“ Dr. Steward wandte sich wieder dem Mädchen zu, dessen Aufmerksamkeit bereits auf etwas Neues gerichtet war.

      „Was ist das?“ Gwyn deutete auf eine Apparatur, die auf einem kleinen Holztisch neben dem Schreibtisch stand. Das Gerät bestand aus zwei Teilen und war aus Messing. Das Auffälligere hatte Ähnlichkeiten mit einem Fernrohr, das an einem Stativ befestig war. Das Okular war größer, als das eines gewöhnlichen Fernrohrs, während das Objektiv nicht breiter wurde sondern immer schmäler und auf den schweren Messingfuß der Apparatur zeigte. Der andere Teil war ein weiteres Stativ, auf dem eine Flasche mit einer trüben Flüssigkeit befestig war. Daneben ragte ein dünnes Rohr aus dem Gerüst. Zwischen diesem und einem Messingring, der auf die gleiche Stelle ausgerichtet war, wie das sonderbare Objektiv war eine große Linse.

      „Das ist ein Mikroskop nach Robert Hooke“, erklärte Steward schlicht. Doch Gwyns fragender Blick ließ ihn fortfahren:

      „Mittels eines Mikroskops werden kleine Gegenstände oder Körper, die für das menschliche Auge nicht erkennbar sind, sichtbar. Durch zwei Sammellinsen, eine am Objektiv“, er deutete auf das spitze Ende des Rohres, „die andere am Okular, können die Körper bis auf das 60-fache vergrößert werden - zumindest bei diesem Modell. Allerdings werden die Objekte seitenverkehrt dargestellt. Ich habe aber gehört, dass Antonie van Leeuwenhoek, ein niederländischer Feldmesser, verschiedene Mikroskoptypen konstruiert, die sogar eine 270-fache Vergrößerung schaffen.“ Während er sprach, war er zu einem anderen Schrank getreten.

      „Und wozu bracht man ein Mirkrokop?“, fragte Gwyn, die inzwischen auf den Schreibtisch geklettert war, um das hooke'sche Mikroskop genauer zu betrachten.

      „Mikroskop“, verbesserte sie Steward, wobei er mit einer kleinen Glasplatte und einer Flasche in den Händen auf dem Schreibtischstuhl Platz nahm.

      „Nun, vor gut einem halben Jahrhundert begann man Insekten zu zergliedern und Pflanzenschnitte anzufertigen. Das Mikroskop wurde ein wichtiges Hilfsmittel der Wissenschaft. Einige Jahre später entdeckte man Bakterien, Blutzellen und Spermien. Um das Jahr 1665 verwendete Athanasius Kircher erstmals ein Mikroskop zur Erforschung von Krankheitsursachen. Ein bedeutender Schritt für die moderne Medizin, musst du wissen, denn Kircher fand tatsächlich heraus, dass der ‚contagium animatum’, der lebendige Erreger, für Krankheiten verantwortlich ist. Seit dieser Entdeckung hat sich die Zahl der Heilmittel und Methoden verdreifacht. Allerdings zweifle ich an der Wirksamkeit von einigen. Es übersteigt meine Vorstellungskraft, dass laute Musik, oder gar Kanonendonner Fieber heilen soll, aber ich kenne genug Ärzte und besonders Bader, die auf solch absurde Ideen vertrauen.“ Steward schüttelte belustigt den Kopf und legte die Glasplatte, auf die er einen Tropfen der Flüssigkeit gegeben hatte, unter das Objektiv des Mikroskops. Gwyn hörte ihm mit großen Augen zu. Ihr Interesse war unübersehbar.

      „Im selben Jahr machte auch Robert Hooke eine Entdeckung. Er hatte eine Korkplatte unter das Objektiv gelegt und die Struktur, die sich ihm dabei offenbarte, nannte er Kork-Zellen. Sehr schnell wurde klar, dass nicht nur Kork eine solche Struktur besitzt sondern fast alle Körper. Sogar völlig klare Flüssigkeiten besitzen Zellen. Ich zeige es dir!“ Steward zündete die Lichtquelle des Mikroskops an und warf einen kurzen Blick durch das Okular, dann winkte er Gwyn heran. Neugierig blickte das Mädchen durch das Rohr.

      „Da bewegt sich wirklich etwas!“, rief sie erstaunt aus. Steward lächelte.

      Schnelles Hufgetrappel und laute, gelallte Flüche rissen den Arzt aus seinem Tagtraum. Harold Thayor saß schief auf dem Rücken des Tieres und galoppierte auf den Arzt zu. Steward wich an die Außenwand eines Fachwerkhauses.

      "Halt an, verdammtes Mistvieh!", brüllte Thayor. Das Pferd blieb schnaubend neben Dr. Steward stehen. Harold Thayor sprang vom Rücken seines Pferdes und taumelte nach links.

      „Verzeiht vielmals, Doktor!", lallte er, wobei er den Hut vom Kopf zog und sich tief verbeugte. Der Arzt musterte ihn mit einem tadelnden Blick. Als ihm der stechende Alkoholgeruch entgegenströmte, trat er angewidert einen Schritt zurück.

       'In diesem Zustand wird er sich alle Knochen brechen. Das Klügste wäre es, ihn seinen Rausch ausschlafen zu lassen’

      Steward griff nach den Zügeln des Pferdes, das Thayor wieder besteigen wollte, und sah sich um. Tom Hadfield schlenderte die Straße entlang. Als er den Arzt sah, verbeugte er sich kurz. “Guten Tag, Sir!“

      „Würdest du einmal herkommen, mein Junge?“, fragte der Arzt und zog seinen Geldbeutel aus der Tasche.

      „Weißt du, wo er wohnt?“ Steward deutete auf den Betrunkenen. Tom nickte.

      „Ich gebe dir einen Schilling, wenn du ihn nach Hause bringst.“ Toms Augen weiteten sich, als ihm der Arzt die Münze entgegen hielt. „Natürlich, Sir!“

      Als Steward wenig später in seinem Arbeitszimmer saß, fiel sein Blick auf das alte Mikroskop. Augenblicklich wanderten seine Gedanken zu Gwyn. Nach diesem Gespräch, bei dem ihm Gwyn so interessiert gelauscht hatte und nachdem Steward ihre vor Begeisterung leuchtenden Augen gesehen hatte, war ihm klar gewesen, dass sie etwas ganz besonderes war. Noch in Laufe der folgenden zwei Woche hatte er sie in sein Herz geschlossen.

      Gedankenverloren fuhr er über die eingravierten Muster des Mikroskops. Als er die raue Oberfläche unter seinen Fingern spürte, wurde Steward schlagartig wieder bewusst, wieso er sich nicht an diesen schönen Tag erinnern wollte. Ein flammender Schmerz loderte in seiner Brust auf. Der Schmerz, den er bei Wildes Worten gespürt hatte, als er ihm von Gwyns Tod berichtete...

      Tränen brannte dem Arzt in den Augen, als er die Bibliothek betrat und sich ein Glas Brandy eingoss. Zitternd zog er die kleine, runde Flasche aus seiner Rocktasche und träufelte ihren Inhalt in die bräunliche Flüssigkeit.

       05. Juli im Jahre des Herrn 1713:

      Gwyn

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