Unter Piraten. Miriam Lanz

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Tisch in der Kombüse und beobachtete sie bei der Arbeit.

      „Du bis´ sogar zu blöd, Kartoffeln zu schälen!“, stellte er höhnisch grinsend fest.

      ‚Verfluchter, dreckiger Säufer!’

      Die Vorratskammern der ‚Adventure’ waren vor zwei Tagen wieder aufgefüllt worden – sie hatte ein reichbeladenes Handelsschiff kurz vor der Küste Carolinas überfallen. Die Tage zuvor gab es kaum mehr etwas Essbares auf dem Schiff und obgleich sie ihre Arbeit so tief verabscheute wie den Koch, war sie froh, endlich wieder eine richtige Mahlzeit zu bekommen.

      „Beeil dich, Nichtsnutz!“, fauchte der Koch und trat Gwyn in den Rücken. Keinen Augenblick später ließ das Mädchen das Messer fallen - sie hatte sich geschnitten.

      „Verflucht!“, zischte sie und wischte sich das Blut an ihr Hemd.

      „Was is´? Mach weiter!“, bellte der Koch und trat ein weiteres Mal nach ihr. Gwyn hörte ein dumpfes Geräusch, als der Koch sie zwischen den Rippen traf, und ein stechender Schmerz durchfuhr sie. Sie rang schwer nach Atem.

      „Mach weiter, Bastard!“, brüllte Jordan und nahm einen Schluck aus seiner Flasche.

      Gwyn spürte, wie ihr das warme Blut über die Hand lief. Mit geschlossenen Augen tastete sie nach dem Messer.

      In den vergangenen Wochen hatte sie mehr Blut gesehen, als in ihrem ganzen vorherigen Leben, doch beim Anblick ihres eigenen Blutes kämpfte sie gegen aufsteigende Übelkeit an. Endlich hatte sie das Schneideinstrument gefunden. Sie riss ein Stück des groben Stoffes vom unteren Ende des Hemdes ab und wickelte es sich um die Hand.

      Als sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte, versuchte sie sich daran zu erinnern, wie lange sie schon so auf ihr Blut reagierte.

      Nicht einmal bei dem grauenhaften Blutbad auf der ‚Mercatoris’, war ihr so zu Mute gewesen, obgleich das ganze Deck eine einzige Blutlache gewesen war.

      Eine lang vergessene Erinnerung kam Gwyn ins Gedächtnis. Sie hatte einmal im eingeschneiten Garten gespielt und war auf einer Eisplatte ausgerutscht. Als sie sich aufsetzte, bemerkte sie, dass sie aus Mund und Nase blutete. Sie schluckte das metallen schmeckende Blut und begann zu schreien, als ob der Leibhaftige hinter ihr her wäre. Nancy und ihr Onkel kamen herausgestürzt. Während Nancy Hände ringend im Garten umherlief, trug sie ihr Onkel in die Küche, gab ihr ein Glas Wasser, damit sie sich den Mund ausspülen konnte und wischte ihr das Gesicht ab. An diesem Tag hatte Gwyn ihren ersten Milchzahn verloren.

      Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie stolz sie gewesen war. Allen Angestellten hatte sie ihre Zahnlücke und den Zahn gezeigt.

      Das Mädchen lächelte unwillkürlich und warf einen Blick auf ihre Hand. Der Stoff war bereits blutdurchtränkt. Gwyn seufzte und griff nach der nächsten Kartoffel.

      ‚Immerhin ist der Eimer fast leer.’

      Inzwischen hatte auch Jordan mit seiner Arbeit begonnen. Gwyn hörte das Klappern der Töpfe.

      „Fertig“, raunte sie schließlich und streckte sich. Ihre Hand brannte. Der Koch ignorierte sie. Als Gwyn auch auf die Frage, ob es noch etwas anderes zu erledigen gäbe, keine Antwort erhielt, wandte sie sich gleichgültig mit den Schultern zuckend zum Gehen.

      Sie wollte gerade die Tür öffnen, als laute, schlürfende Schritte auf dem Gang ertönten. Die Tür flog schwungvoll auf und Howard stand schwerfällig im Türrahmen. Jordan sah überrascht von seiner Arbeit auf.

      „Hey, Koch, wo is´ der Kleine? Der Käpt´n will ihn sehen!“ Gwyn schnaubte wütend.

      ‚Mach die Augen auf, du besoffener Dreckskerl’

      „Da is´ er doch.“ Jordan deutete auf sie. Das Messer, mit dem er gerade arbeitete, immer noch in der Hand.

      Kurz darauf stand Gwyn vor der Tür zu der Kabine des Kapitäns.

      Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was Blackbeard von ihr wollte. Unbehagen befiel sie. Sie klopfe zaghaft.

      Als nach einigen Sekunden immer noch kein Geräusch aus der Kabine drang, wandte sie sich - innerlich aufatmend - um.

      "Herein!" Bei dem gelallten Befehl, seufzte das Mädchen auf und öffnete vorsichtig die Tür.

      Der Pirat saß hinter einem großen Schreibtisch. Aus glasigen Augen starrte er Gwyn an.

      „Na endlich!“

      Er versuchte sich an seinem Schreibtisch hoch zu drücken, fiel aber immer wieder in den Stuhl zurück.

      Gwyn musterte ihn gleichgültig. Zu oft hatte sie in den vergangenen Monaten Betrunkene gesehen.

      „Ich brauch´ jemanden, der meine Kabine ordentlich hält!“, erklärte Blackbeard, wobei er auf die Tischplatte gestützt kaum in der Lage war, sich auf den Beinen zu halten.

      Gwyn sah ihn ungläubig an. Das war das Lächerlichste, was sie je gehört hatte.

      „Los, fang an! Wenn ich wieder komme, ist diese Kabine wieder in einem ordentlichen Zustand!“, säuselte er und wankte langsam zur Tür.

      ‚Dazu müsste ich ein Wunder geschehen lassen.’

      Gwyn sah sich in dem Raum um. Die Wände waren gesäumt von den rötlich-braunen Überresten von Rum - zumindest hoffte Gwyn, dass es sich um Rum handelte.

      Überall lagen leere Flaschen herum, ungeladene Waffen und zu Gwyns Überraschung waren auch alte Bücher und lose Blätter auf dem Boden verteilt.

       'Blackbeard kann lesen?'

      Nach seiner Ausdrucksweise zu urteilen, hätte Gwyn schwören können, dass er ein Analphabet war, so wie der Rest der Besatzung.

      Der Piratenkapitän schien im Suff das hohe Regal leergeräumt zu haben. Aber wenn man die Unordnung vernachlässigte, war die Einrichtung des Raumes, im Vergleich zum Rest des Schiffes, sehr komfortabel. In der Kabine war ein richtiges Bett in die Wand eingelassen und der schmucklose Schreibtisch bestand aus massivem Holz.

      Langsam kniete sich Gwyn auf den Boden. Sie hatte nicht die Absicht, das Hausmädchen für Blackbeard zu spielen, aber sie wollte wissen, welche Bücher der Pirat besaß. Vorsichtig, so wie sie es gewohnt war, hob sie eines auf.

      ‚Die sieben Meere’ stand auf der Vorderseite, doch der Autor war nicht angegeben. Gwyn schlug das Buch auf. Auch auf der Innenseite war kein Schriftsteller verzeichnet. Das Mädchen blätterte durch die Seiten. Sie waren von Hand beschrieben. An einigen Stellen, waren Zeichnungen von Schiffen und Windrichtungen. In diesem Buch waren die Grundlagen der Navigation erklärt.

      Gwyn bemerkte nicht, wie die Zeit verging, während sie über die Orientierung bei Nacht an Hand der Sterne und die Bestimmung von Kursen las. Sie war so in die Lektüre vertieft, dass sie nicht hörte, wie die Tür geöffnet wurde.

      „Was zum Teufel machst du da, du faules Schwein?“ Gwyn zuckte zusammen. Blackbeard stand hinter ihr.

      „Du sollst hier aufräumen, hab ich gesagt!“ Der Pirat zog Gwyn am Kragen auf die Beine. Das Mädchen ließ das Buch fallen und wand sich unter dem Griff des Mannes.

      „Dieses

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