Königin der Spiegelkrieger. Werner Karl

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Königin der Spiegelkrieger - Werner Karl

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Geistern gleich durch das Zwielicht huschten. Die roten Helmbüsche der Offiziere waren blutrote Tupfer auf dem grauen Laken des frühen Morgens.

      Ulpius Marcellus fröstelte trotz der Jahreszeit und zog seinen Umhang dichter um sich zusammen. Er stand mit Sidonius Gavius auf dem Achterdeck seines Flaggschiffes und wartete ungeduldig, bis ein Melder die Bereitschaft auch des letzten Schiffes zum Auslaufen anzeigte. Er gab dem Cornicen einen Wink und der stieß mit kräftigem Blasen in sein Cornu.

      Er hatte nicht befohlen, dass die Männer besonders leise sein sollten - denn schließlich lag die Westküste Britanniens noch viele Meilen vor ihnen - und trotzdem bewegten sich die Männer, als achteten sie darauf, keine unnötigen Geräusche zu machen.

      »Neptun hüllt uns in einen Schleier«, sagte Ulpius Marcellus und sein Tonfall verriet nicht, ob er dies begrüßte oder bedauerte.

      »Mir wäre lieber, er würde uns den Nebel für die Zeit unserer Ankunft schicken, Herr. Es sind noch rund 40 Seemeilen bis zu unserem vorgesehenen Landepunkt. Das bedeutet mindestens 24 Hora Fahrt, bei dem mäßigen Tempo, dass du befohlen hast.« Es lag kein Vorwurf darin, sondern Besorgnis.

      »Und ich habe befohlen, dass die Ruderer sich nicht verausgaben sollen und wir eine Nacht ruhen und dabei nur so stark rudern, dass uns die Strömung nicht abtreibt. Ich weiß, Sidonius, dass dir dies nicht ganz behagt. Aber ich möchte eine ausgeruhte Rudermannschaft haben, wenn wir unser Ziel erreichen. Ich denke nicht, dass uns die Picten so einfach werden anlanden lassen. Sie werden uns schon auf See angreifen, da bin ich mir sicher.«

      Sidonius Gavius grinste für einen Wimpernschlag mit Verachtung, dann hatte er seinen Standardausdruck wieder.

      »Unsere Hauptstrategie beruht darauf, dass die Picten uns an ihrer Ostküste erwarten und nicht hier in ihrem Rücken. Und trotzdem rechnest du damit, dass sie uns hier entgegenkommen? Außerdem habe ich mich über die Boote der Picten informiert, Herr. Und wie du bemerkt hast, vermeide ich das Wort Schiff. Denn diese Nussschalen, die sie besitzen, sind drei bis vier Mal so klein wie unsere Galeeren, haben nur ein Segel und können vielleicht zehn oder zwölf Mann tragen. Wenn sie uns damit auf See angreifen wollten, müssten sie schon Hunderte davon haben.«

      »Vielleicht haben sie so viele, wir wissen es nicht, Sidonius. Und sie kennen diese Gewässer besser als wir, schließlich ist es ihre Heimat. Ich rechne auch mit Überraschungen. Weder Magnus Lucius noch mein direkter Vorgänger Caerellius Priscus hatten mit der Verschlagenheit der Picten gerechnet. Ich habe keine Angst vor einer Schlacht, ob zur See oder auf Land. Das, was mir Sorgen bereitet, ist das, was ich nicht kenne.«

      Schon wieder hatte Ulpius Marcellus es geschafft, seinen Untergebenen zu verblüffen. Es war nicht üblich, dass sich ein Kommandeur von Sorgen geplagt zeigte. Sidonius Gavius musste zugeben, dass er entgegen ersten Bedenken langsam anfing, seinen neuen Befehlshaber nicht nur zu respektieren, sondern echte Sympathie für ihn zu empfinden. Andere Anführer hätten wenig Rücksicht auf die Männer genommen und versucht in Rekordzeit - und damit eventuell in weniger als der halben Zeit, die sie nun benötigen würden - die caledonische Küste zu erreichen.

      Doch davon ahnte Ulpius Marcellus nichts.

      Sidonius nickte bestätigend, sagte aber nichts mehr. Beide Männer lauschten auf den regelmäßigen Takt des symphonieacus und dem folgsamen Schlag der Ruderer.

      Als die Sonne aus dem Meer auftauchte und immer rascher den Morgennebel auflöste, murmelte Ulpius Marcellus so leise, dass es der neben ihm stehende Sidonius kaum verstehen konnte:

      »Neptun schenkt uns eine ruhige Überfahrt. Mögen die Götter uns weiterhin begleiten.«

      Weder er noch der Mann neben ihm sahen die winzigen Boote, die hinter ihnen am Horizont und in den letzten Nebelfetzen verborgen der Flotte folgten.

      Der entfernte Verwandte Ulpius Marcellus´, der auf einem dieser kleinen Boote ruderte, war Marcellus Maximus Lupinius. Er hatte untersagt, die Segel zu setzen und befohlen, nur zu rudern. Er hielt sich soweit es nur irgend ging von den Römern entfernt. Die Picten - nein, die Cruithin - hatten seine Vorschläge ohne zu murren als Befehle angenommen. Natürlich war er nicht allein an Bord des Bootes, das man vielleicht als das Flaggschiff der Currach-Flotte hätte bezeichnen können, das aber genauso klein und unscheinbar war, wie all die anderen Boote.

      Maelchon mac Cean und Máiri von den Vacomagi waren bei ihm.

      Lupus, wie sie ihn nannten, setzte ein zwiespältiges Grinsen auf, das ihn noch mehr wie einen Wolf wirken ließ. Einen alten, grauen Wolf; erfahren in vielen Kämpfen und wie jeder alte Wolf einsam. Sein erstes Rudel - Rom - hatte ihn im Stich gelassen, hielt ihn für verschollen und längst tot.

      Sein zweites Rudel - die Cruithin - kannten ihn in seiner wahren Identität erst seit kurzer Zeit. Und doch hatten sie ihn aufgenommen. Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln, das für die Männer und Frauen um ihn herum so aussah, als fletsche er die Zähne angesichts einer römischen Flotte vor seiner Schnauze.

      Lupinius strich sich mit einer Hand durch sein fast weißes Haar, das noch von wenigen grauen Strähnen durchzogen wurde.

      Dies wird mein letzter Kampf sein, dachte er und fühlte weder Bedauern noch Freude dabei. Über diese Gefühle war er längst hinaus.

      Doch bevor ich sterbe, werde ich mich bei Rom und meiner Familie dafür bedanken, dass sie mich vergessen haben.

      Bewundernd beobachtete er, wie die Cruithin geschickt jede der verwirrenden Strömungen nutzten, um den Römern im Nacken zu bleiben. Sie hielten dabei gerade so viel Abstand, dass sie noch die Spitzen ihrer Masten am Horizont ausmachen konnten.

      Die Sonne war vor einer halben Stunde aus dem Meer aufgetaucht und jeder proreta gab die Position benachbarter Schiffe der Flotte an seinen trierarchus weiter. Nach wenigen Minuten stand fest, dass sie während der Nacht kein Schiff verloren hatten und alle mehr oder weniger geschlossen auf Zielkurs lagen. Und dies, obwohl sie mehrmals mit unterschiedlichen Strömungsrichtungen zu tun gehabt hatten.

      Auch an diesem Morgen zog Nebel über die ruhige See und leise Rufe und Kommandos hallten durch die Schwaden.

      Ulpius Marcellus stand wie üblich auf dem Achterdeck seines Flaggschiffes und blinzelte ein wenig verschlafen, als auch Sidonius Gavius die wenigen Stufen zu ihm hochstieg und sich neben ihn stellte.

      Dieser setzte seine Faust auf sein Herz und wollte ein Wort sagen, als er über die Schulter seines Befehlshabers hinweg auf das Meer hinaus blickte. Sein sich zum Gruß ausstreckender Arm und die gerade noch geballte Faust öffneten sich und wiesen mit dem Zeigefinger auf dunkle Flecken in dem sich auflösenden Dunst.

      Marcellus drehte sich herum und sah in die angegebene Richtung. Mehrere Dutzend der dunklen Flecken bildeten eine unregelmäßige Reihe, die in ziemlicher Entfernung zu ihnen im Wasser zu treiben schien.

      »Was ist das, Herr?«, fragte Sidonius und versuchte gegen das aufkommende Sonnenlicht etwas zu erkennen. »Die Picten?«

      Ulpius Marcellus blieb gelassen und nickte. »Ich hatte es dir doch vor Kurzem gesagt, mein Freund. Sie werden uns nicht so einfach landen lassen. Aber sie sind noch weit weg. Wir haben Zeit genug, um uns bereit zu machen.« Er winkte die anderen Offiziere zu sich heran und gab einige rasche Kommandos. Die Männer schlugen zur Bestätigung nur ihre Rechte auf die Brust und gingen davon, um seine Befehle umzusetzen.

      Die Sonne löste nun rasch die letzten Nebelfetzen auf und mehr und mehr der dunklen Flecke tauchten daraus hervor und entpuppten sich tatsächlich als

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