Bittersüßer Rakomelo. Joachim Koller
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Читать онлайн книгу Bittersüßer Rakomelo - Joachim Koller страница 3
Die Sonne schien ihm direkt ins Gesicht. Ryan blinzelte und stieg die Treppen hinab, als er neben dem Flughafenbus einen schwarzen Jeep sah, dessen hintere Scheiben verdunkelt waren. Neben der geöffneten Fahrertür stand Ryans bester und längster Freund, Tákis, in schwarzer, knielanger Hose und schwarzem Trägerleibchen.
Der groß gewachsene, muskulöse Mann war fünfunddreißig Jahre und damit ein Jahr jünger als Ryan. Mit seiner kräftigen, durchtrainierten Statur und den langen, tiefschwarzen Haaren machte er fast einen bedrohlichen Eindruck.
Tákis und Ryan kannten sich seit ungefähr dreißig Jahren. Es war damals einer der ersten Urlaube von Reinhard Kurzmann, wie Ryan dem Reisepass nach hieß. Mit seinen Eltern, die als Lehrer immer ausgedehnte Sommerferien machten, verbrachte er mehrere Wochen auf Kreta und lernten dabei Tákis' Familie kennen. Die beiden Kinder waren trotz der Sprachbarriere vom ersten Tag an unzertrennlich. Es folgten weitere regelmäßige Urlaube, Ryan lernte Griechisch, Tákis Deutsch und die Freundschaft vertiefter sich mit den Jahren. Tákis hatte Ryan inzwischen auch schon mehrmals in Wien besucht und Ryans Urlaube fanden fast ausschließlich auf Kreta statt. Als Tákis Vater vor sechs Jahren bei einem vermeintlichen Unfall ums Leben kam, war Ryan ein Monat lang auf Kreta gewesen, um seinem Freund beizustehen. Zusammen mit Tákis' jüngeren Geschwistern, eine Schwester und ein Bruder, lebte er damals bei der Familie Komotini in Melidoni. Mama Komotini sagte am Ende seines Aufenthalts etwas zu Ryan, was für ihn die größte Ehre war:
»Du bist mehr als nur ein Freund, Du bist ein Bruder von Tákis, ein Teil unserer Familie.«
Für eine Frau wie Mama Komotini, der die Familie heilig war, war das die größte Anerkennung, die sie aussprechen konnte.
Ihr letztes persönliches Treffen war schon fast ein Jahr her, als Tákis‘ Schwester Eleni in Heraklion heiratete. Bei der Hochzeit hatten Tákis und Ryan beschlossen, einen Plan auszuarbeiten, um den Mörder von Tákis‘ Vater zur Rechenschaft zu ziehen.
Ryan ging auf Tákis zu, breitete die Arme aus und strahlte ihn freudig an.
»Als Du gemeint hast, Du holst mich ab, habe ich eigentlich an die Ankunftshalle gedacht.«
»Überraschung!«, meinte Tákis ebenso erfreut mit tiefer Stimme und umarmte ihn fest.
»Eleni hat möglich gemacht und die Wagen ist geliehen von dem Hotelbesitzer, wo Du wohnst, mein Bruder«, fuhr Tákis fort. Ryan genoss es, ihn Deutsch sprechen zu hören, vor allem, wegen seiner kleinen Fehler. Er wusste aber, dass Tákis‘ Deutsch bei Weitem besser war, als sein Griechisch.
Neben Tákis tauchte eine weitere Person auf, die Ryan ebenfalls bestens bekannt war.
Es war Despina, die Freundin von Tákis. Die leicht mollige Frau war um einen Kopf kleiner als Tákis. Die schulterlangen, dunkelbraunen Locken trug sie offen, das dunkelblaue Top wirkte zu klein für ihre großen Brüste. Ihre Sommersprossen im Gesicht waren aufgrund ihres dunkleren Teints fast nicht zu sehen. Auch sie grinste Ryan erfreut an.
»Willkommen auf Kreta!« Sie schnappte sich Ryan und zog seinen Kopf zu sich um ihn auf beide Wangen zu küssen.
»Hallo, mein wilder Lockenkopf. Es ist so schön, wieder hier zu sein.«
Despina machte einen Schritt zurück und betrachtete die beiden Männer.
»Ich glaube, Bärte sind wohl im Moment sehr angesagt, oder?«, meinte sie ironisch.
Ryan strich über seinen dunkelblonden Dreitagesbart, den er regelmäßig und sorgfältig stutzte. Tákis‘ schwarzer Bart war ebenfalls recht kurz, er trug ihn nur um die Mundpartie und am Kinn.
»Wir sind Männer und Männer tragen Bart«, stellte Tákis fest, »Auch wenn es Dich manchmal stört, mein geliebter Engel.«
»Du würdest genauso denken, wenn es jedes Mal kratzt, wenn …«, Despina sprach nicht weiter, grinste ihren Freund aber vielsagend an.
»Danke, mehr intime Details muss ich im Moment nicht wissen«, unterbrach Ryan das Liebespaar. Dabei wusste er sogar bestens Bescheid, zwischen ihm und Tákis gab es nichts, was sie noch nicht besprochen hätten.
»Lasst uns einsteigen, wir haben nur drei Tage um alles durchzuplanen«, erinnerte Tákis und öffnete Ryan die hintere Tür.
»Und meine Koffer?«, fragte Ryan nach.
»Mein kleiner Bruder Nikos holt sie und wird sie in Hotel bringen. Du hast doch verwendet die Koffer-bänder von mir?«
»Ja, Tákis, habe ich, auf beide Koffer.«
»Dann auf nach Bali.«
Tákis lenkte den Wagen über die Küstenstraße, Despina und Ryan saßen auf der Rückbank und plauderten. Despinas Eltern hatten einen Supermarkt und ein Geschäft mit kretischen Spezialitäten in der kleinen Ortschaft Bali, in denen sie mithalf. Die 29-jährige Frau wohnte zusammen mit Tákis über dem Geschäft in einer kleinen Wohnung.
»Sag mal, Ryan, jetzt kenne ich Dich schon seit fünf oder mehr Jahren, aber nie höre ich etwas von einer Freundin.«
»Mein Bruder lebt gerne alleine«, meldete sich Tákis vom Fahrersitz.
»Es war noch nicht die Richtige dabei. Nicht so wie bei Euch beiden«, erklärte Ryan.
Er war dabei gewesen, als sich Despina und Tákis das erste Mal trafen. Nach dem Unfalltod von Tákis Vater fiel Tákis in ein tiefes Loch und ließ niemanden an sich ran. Er geriet an die falschen Leute. Als ihn seine Mutter nach einer Schlägerei von der Polizei holen musste, vollgepumpt mit Drogen und Alkohol, kam der Anruf bei Ryan. Sie hoffte, dass er eine Möglichkeit finden würde, seinem besten Freund zu helfen. Ryan hatte damals den Job als Chauffeur des griechischen Botschafters in Wien gerade einmal drei Monate. Aber als er seinem Chef die Situation erklärte, gab dieser ihm sofort frei. Dem Griechen war seine Familie ebenfalls sehr wichtig und er zeigte vollstes Verständnis dafür.
In Kreta folgten nächtelange Gespräche zwischen den beiden Freunden. Eines Abends, als die beiden Männer in Bali an einer Strandbar saßen, sahen sie Despina mit ihren Freundinnen. Es dauerte etwas, bis sich Tákis eingestand, dass die Frau ihn vom ersten Moment an beeindruckte und mit Ryans Hilfe fanden die beiden zusammen. Despina sorgte sich um Tákis und brachte ihn wieder auf die Beine. Einige Monate nach Ryans Rückkehr nach Wien schrieb Tákis, dass er mit seinem Engel, wie er Despina nannte, zusammengezogen war.
Ryan war ein Einzelgänger, der sich nicht binden wollte. Keine seiner Beziehungen dauerte länger als ein halbes Jahr, womit er bislang auch nie ein Problem hatte. Und für das, was sie die nächsten Wochen geplant hatten, war es sogar notwendig, dass Ryan partnerlos war.
Tákis reichte ihnen eine Wasserflasche. Dabei sah Ryan die beiden Markenzeichen von Tákis. Zum einen trug er immer ein Paracord-Armband, ein dickes Band aus geflochtenem Fallschirmseil-Nylon. Heute trug er ein Schwarzes, was zu seiner restlichen Kleidung passte. Ryan hatte von Tákis eines dieser Armbänder geschenkt bekommen, welches sein Freund selbst geknüpft hatte. Aufgrund des Metallverschlusses transportierte Ryan es aber im Koffer.
Weiters war seine Tätowierung am rechten Oberarm deutlich zu sehen. Ein kunstvoll gestalteter Adlerkopf, der über einem Feuerkreis thronte.