Im Schatten des Deiches. Fee-Christine Aks
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Читать онлайн книгу Im Schatten des Deiches - Fee-Christine Aks страница 19
Ein kollektives Luftanhalten war zu vernehmen, dem der Mann sich nach einer Schrecksekunde anschloss. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, hierher zu kommen. Andererseits hatte er von den Frauen genau das erfahren, was er wissen wollte: was über das Ende von Margit Geedes gemutmaßt wurde und in welche Richtung die Polizei ermittelte.
„Das ist doch die logische Konsequenz, oder nicht?“
Die helle Stimme von Anni Freese jagte dem Mann einen kalten Schauer über den Rücken. Er zuckte unmerklich zusammen, als sie ihre nächste Frage direkt an ihn richtete: „Oder was meinen Sie?“
Er zwang sich zu einem Nicken, denn nichts anderes war nun angebracht. Er musste dazu gehören, auch wenn er es sonst nicht unbedingt tat. Alle hier Anwesenden außer ihm waren auf der Insel geboren, was sie zu echten Insulanern machte. Er war nur ein Zugezogener, eine Landratte, auch wenn er beinah sein ganzes Leben hier verbracht hatte. Man kannte ihn und respektierte ihn, so wie es die Höflichkeit gebot. Aber ob sie ihn mochten?
„Na, also, bitte“, fuhr Anni Freese fort, „da haben Sie’s. Von wegen ‚Opfer des Sturmes‘, dass ich nicht lache!“
Mit vorwurfsvollem Blick richteten sich aller Augen auf Frau Raake, die nur stumm den Kopf schüttelte und mit den Schultern zuckte. Gitta Berends war es schließlich, die das Wechselgeld an Tilde Moog herausgab und in versöhnlichem Tonfall sagte: „Was der Gerrit sich nur dabei gedacht hat, uns solch ein Garn zu spinnen. Will uns wohl nicht aufregen, jetzt so kurz vorm Fest.“
Sie nickte Frau Raake freundlich aber mit einer gewissen Strenge zu, sodass dem Mann sofort klar war, dass die Bäckerin bei allernächster Gelegenheit das Neueste wissen wollte, was die Mutter des Polizeimeisters zu berichten haben würde. Dann wandte sie sich schließlich ihm zu und nahm seine Bestellung entgegen, während die Frauen die Bäckerei verließen.
*****
Moritz hat es irgendwie schon geahnt. Kaum haben sie die kleine Bäckerfiliale an der Süderstraße/Ecke Süderreihe passiert, da dringt ein freudiger Schrei an ihre Ohren, der eigentlich nur ein Name ist.
„Sebastian!“
Linda springt von der hölzernen Bank auf, die windgeschützt unter einem Vordach der Gaststätte mit Whiskeybar steht und die Süderstraße bis hinunter zur Süderreihe im Blick hat.
„Ich werde noch wahnsinnig“, murmelt Basti und wirft Moritz einen fragenden Blick zu, den dieser mit Kopfschütteln beantwortet.
„Da musst du jetzt durch, Kumpel“, sagt er streng. „Lotta hat schon genug um die Ohren. Lass sie da raus, bitte.“
„Ich rufe Maja an“, murmelt Basti mit gerunzelter Stirn, „gleich wenn wir zurück sind und ich mein iPhone laden kann. Verdammter Akku!“
Er klopft gegen seine Jackentasche, in der sein älteres Handymodell nutzlos und tot liegt. Gleich nachdem sie sich von Lotta verabschiedet haben, hat Sebastian ihn mit seinen roten Ohren unter der grauen Wollmütze aufgezogen. Dabei ist es Moritz nun egal, was sein bester Freund sagt. Er weiß auch so, dass er Lotta so schnell nicht vergessen wird, ganz gleich, wie sich die nächsten Tage noch entwickeln werden.
„Gehst du mit mir spazieren?“
Linda ist heran und hängt sich mit größter Selbstverständlichkeit an Bastis freien Arm. Ihr Blick aus kornblumenblauen Augen unter den dunkelbraunen Locken macht jedem Dackel Konkurrenz. Objektiv betrachtet ist sie hübsch mit ihrem ovalen Gesicht, den vollen Lippen und dem strahlenden Lächeln. Die lindgrün-blau gestreifte Wollmütze steht ihr gut, ebenso die auberginefarbene Daunenjacke, die der goldbraunen von Lotta ähnelt. Wenn sein Freund auf Brünette stehen würde, überlegt Moritz, würde die Wahl jedoch eindeutig auf Lotta fallen. Zum Glück gibt es für Basti aktuell immer noch nur Maja…
„Linda, bitte“, seufzt Sebastian und befreit seinen Arm. „Wie oft muss ich es dir noch sagen?“
„Das Mädchen eben“, fällt sie ihm ins Wort, „das kannst du mir nicht erzählen, dass sie deine Freundin ist. Ich hab doch gesehen, wie sie ihn angekuckt hat.“
Sie wirft Moritz einen fröhlichen Blick zu. Moritz muss sich beherrschen und ein Grinsen verkneifen. Es ist schön, diese Bestätigung noch von dritter Seite zu bekommen, auch wenn Basti sich bisher nie getäuscht hat, was die Zuneigung weiblicher Wesen einem von ihnen beiden gegenüber angeht. Da keiner von ihnen eine Schwester hat, haben sie nur die Aussagen ihrer eigenen Mütter, die ihnen jeweils bescheinigen, der Hübschere zu sein – sofern das unter besten Freunden etwas ausmacht.
„Na und?“ macht Sebastian einen neuen Versuch. „Und selbst wenn Lotta nur eine gute Freundin sein sollte… Begreif doch endlich, Linda, dass…“
„Das sagst du jetzt doch nur so“, unterbricht sie ihn, völlig unbeeindruckt.
„Was muss passieren“, stöhnt Basti auf, „dass du es kapierst?“
Linda antwortet nicht, sondern versucht erneut seinen Arm zu greifen. Doch Sebastian wendet sich abrupt um und geht, ohne sich noch einmal umzudrehen oder auf Moritz zu warten, die Straße hinunter bis zu ihrer Ferienwohnung.
Moritz zuckt stumm mit den Schultern, erwidert automatisch Lindas zaghaftes Lächeln und folgt seinem besten Freund. Er kommt jedoch nur bis zu den Bahnschienen, dann hat Linda ihn eingeholt und hält ihn am Arm fest, sodass eine der Tragetaschen gefährlich schwankt. Bevor die Griffe abreißen können, stellt Moritz die Tasche auf dem Boden ab. Dann wendet er sich Linda zu und befreit gleichzeitig seinen Arm aus ihren klammernden Fingern.
„Sebastian hat immer noch diese langbeinige Schwedin“, sagt Linda. Es ist weniger eine Frage als vielmehr eine Feststellung. „Wie hieß sie doch noch gleich, Marta?“
„Maja.“
„Flotte Biene, blond und blöd“, urteilt Linda abfällig. Dann setzt sie ein strahlendes Lächeln auf und schaut Moritz treuherzig an. Ihm schwant nichts Gutes, als sie mit schmeichelndem Tonfall ergänzt: „Aber du hast keine davon, nicht wahr? Du bist noch solo.“
Bevor er antworten kann, ertönt ein metallisch scheppernder Klingelton. Die Bahnschranken beginnen sich zu schließen, während die rote Warnlampe aufblinkt. Rasch nimmt Moritz die Tragetasche auf und entfernt sich aus dem Gleisbereich. Linda folgt ihm. Während die Borkum-Bahn hinter ihnen vorbeirauscht, versucht Moritz die Einkäufe so schnell es geht in Richtung der Ferienwohnung zu tragen, doch Linda ist wie ein Klotz am Bein.
Unaufhörlich redet sie auf ihn ein und lässt auch nicht von ihm ab, als sie auf Höhe der nächsten Seitenstraße, Isdobben, anlangen und die Tragegriffe der einen Tasche sich lösen. Gerade noch rechtzeitig kann Moritz die Tasche zu Boden gleiten lassen. Er hat Mühe, sich zu beherrschen, als er die Tüte ungelenk mit der freien Hand aufhebt und im Arm hält, während Linda erneut versucht, sie an ihn zu klammern.
„Jetzt reicht es, Linda“, stößt er schließlich genervt hervor und drängt sich an ihr vorbei, um die letzten hundert Meter zurückzulegen, bevor auch noch die Griffe an der zweiten Tüte reißen. „Geh nach Hause.“
„Gehst du dann heute abend mit mir ins Kino?“
„Kino? Bestimmt nicht.“
„Warum