Completely - Auf immer und ewig. Mej Dark
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Da ich menschliche Reaktionen mittlerweile sehr gut deuten konnte, bemerkte ich eine Spur von Neid in ihrem Gesicht.
„Ja, wir haben es wieder und wieder überprüft, ob alles seine Richtigkeit hat und extra auch noch einen Tag gewartet. Schlafen konnten wir zwar nicht, aber inzwischen steht sogar schon die Höhe des Gewinns fest. Bitte erzählen Sie aber niemandem davon!“, bat sie.
„Juhu!“, rief Fiona und jubelte kindlich. „Jetzt muss Bella nicht fortziehen und kann für immer mit Lex zusammen sein. Er liebt sie doch!“
Ich wurde puterrot. Diese Kinder! Sie sprach die Wahrheit derart naiv und direkt aus, dass die Mütter sich schelmisch anlächelten. Scheinbar hatte meine Mama nichts gegen eine wohlhabende Freundin ihres Sohnes.
„Na, so was“, murmelte ich. Meine Überraschung beruhte allerdings mehr darauf, dass ich durch die Ereignisse der letzten Tage nicht an die Lottoziehung gedacht hatte. Andererseits hatte ich gehofft, dass meine Berechnungen sich als wahr herausstellen würden. Ich war schließlich ein mathematisches Genie mit einem fotografischen Gedächtnis. So etwas gab es selten.
„Komm gleich rüber!“, lud Bellas Mutter mich nochmals ein. „Es gibt Kuchen und Kaffee, alle warten auf dich. Ein Nein kann ich nicht akzeptieren.“
Ich freute mich, da ich endlich die Chance hatte, Bella wieder richtig nahe zu sein. Sie hatte sich die letzten Tage irgendwie rar gemacht und Wert auf Abgrenzung gelegt.
„Was hat Lex damit zu tun?“, wollte meine Mutter wissen.
„Ihr Sohn hat doch meinem Mann bei der Berechnung der Zahlen geholfen! Ich habe das alle nicht ernst genommen, nur mein geliebter Gatte ihm vertraut. Er hat genau diese Zahlen gespielt und gewonnen!“
„So was geht?“ Meiner Mutter blieb der Mund offen. Gleichzeitig musterte sie mich seltsam. Vermutlich träumte sie schon von ihrem eigenen Gewinn und sah in mir den neuen Familienernährer. Ihr Freund, besser Bettgefährte, also der Onkel Schlachter, konnte ihr ja kein großzügiges Leben bieten. Seine Qualitäten lagen auf einem anderen Gebiet.
„Da komme ich doch gern vorbei!“, unterbrach ich ihre Überlegungen und warf die Jacke über, um zu Bella zu gehen.
„Bring mir unbedingt ein Stück Kuchen mit!“, bat Fiona.
„Na klar, ich gebe deinem Bruder extra ein ganz großes!“, bestätigte Bellas Mutter, bevor ich etwas versprechen konnte. „Und für Sie natürlich auch!“, erklärte sie der meinigen.
Es waren bloß wenige Schritte bis zum anderen Haus. Wir waren ja Nachbarn.
Schon als wir die Tür öffneten, wehte uns der süßlich bittere Duft von Kaffee, Kuchen und Sekt entgegen. Da ich erst vor Kurzem hier gewesen war, kam mir alles vertraut vor. Der Vater empfing uns mit dem Tuten einer sich ausrollenden Papierpfeife, die Kinder an Geburtstagen benutzten. Sein ganzes Gesicht strahlte. Er benahm sich wie ein aufgeregter Junge, der ein unerwartetes Geschenk erhalten hatte. Auch Bella lächelte mich herzlich an, als wäre alles zwischen uns klar wie das Wasser unseres Bergbaches. Was war das für ein schöner Augenblick!
„Da ist ja unser Supergenie!“, rief der Hausherr begeistert und humpelte mit seinem beschuhten Holzbein auf mich zu. Der Champagner war ihm bereits zu Kopf gestiegen, das sah man an den leicht glasigen Augen und der roten Nase.
Kaum hatte ich einen Fuß über die Türschwelle gesetzt, drückte er mir einen dicken Schmatzer auf die Wange. Dabei traf er fast meinen Mund. Selbst Bella musste ausgiebig lachen. Dabei schwappte etwas Sekt aus ihrem Glas.
„Wir – haben – gewonnen!“, jubilierte der Vater. „Es war eine deiner Zahlenkombinationen!“ Er drückte mich und begann vor Freude zu weinen. Tränen der Rührung kullerten aus seinen Augen auf meine Jacke. Mir war das unangenehm.
„Papa!“, wisperte Bella pikiert. „Meinst du nicht, du bist ein bisschen zu alt dafür? Du benimmst dich wie ein kleines Kind“, tadelte sie sein überschwängliches Benehmen.
„Ich bin auch nur ein Mensch!“, wies der Glückspilz sie zurecht. „Selbst Männer weinen manchmal. Es ist doch alles außergewöhnlich.“
Bald fand der Lottogewinner aber in seine Beamtenhaltung zurück. Er winkte mir zu und ging schnurstracks zu einem alten Schrank im Wohnzimmer vor. Dort öffnete er mit einem Schlüssel eine große Schublade.
„Das ist unser Heiligtum!“, verkündete er.
„Erzähl keine Märchen!“, beschied Bellas Mutter ihn. „Wir bewahren darin nur unsere Bilderalben auf …“
„Und die Post unserer Verwandten!“, unterbrach der Gatte ihren Einwand und holte eine uralte Karte hervor. „Man sollte zu seinen Wurzeln stehen.“
Ich trat hinzu. In dem Schubfach lagen drei ordentlich übereinander gestapelte Alben, daneben zwei offene Kartons und ein verschlossener. In den offenen Kistchen entdeckte ich mit einem Bindfaden zusammengehaltene Bündel von Briefen. Bellas Vater hob den Deckel von dem dritten. Mehrere mit Banderolen umwickelte Packen neuen Geldes waren darin. Der Vater nahm den gesamten Karton heraus.
„Die Hälfte des Gewinns gehört natürlich dir! Das hier ist ein symbolischer Vorschuss! Auf den Rest muss ich noch ein paar Tage warten.“
Die Mutter und auch Bella nickten gewichtig. Das Teilen des hohen Gewinnes stand offenbar für alle fest und war im großen Familienrat beschlossen worden.
Ich freute mich sehr, dass es so schnell und vor allem noch rechtzeitig geklappt hatte. Zwar war die Wahrscheinlichkeit für die errechnete Zahlenreihe groß gewesen, doch es gab immer kleine Unwägbarkeiten, die vielleicht nur zu einem Sechser ohne Zusatzzahl geführt hätten. Auch die gesamte Theorie konnte auf fehlerhaften Annahmen beruhen. Ich hatte mich sehr angestrengt, damit Bella meine Nachbarin blieb – und hoffentlich noch viel mehr für mich wurde.
Mein Plan schien aufgegangen zu sein. Bella sah mich mit liebevollen Augen an, ich war erneut ihr Retter. Mein Blut rauschte schneller, das wild klopfende Herz drohte meine Brust zu sprengen und die Rippen zu zerstören. Vorsichtig schielte ich nach unten, ob man das sehen konnte. Da war nichts Ungewöhnliches. Beruhigt blickte ich wieder hoch.
Allerdings plagten mich nun andere Zwistigkeiten. Entschieden trat ich von den Geldscheinen zurück.
„Nein, das geht nicht“, lehnte ich ab. „Sie brauchen das Geld viel dringender. Ich bin nur ein Schüler und habe weder Schulden noch eine Familie zu unterhalten.“
Meine Bescheidenheit machte die drei sprachlos. Eine eigenartige Stille breitete sich aus. War es vielleicht unhöflich gewesen?
„Aber dann stehen wir für immer in deiner Schuld!“, stammelte der Vater. „Und vielleicht kommen einmal Zeiten, da werden du oder deine Enkel sie einfordern und wir werden sie zu dem Zeitpunkt aus irgendeinem Grund nicht begleichen können.“
„Mir reicht es vollkommen, wenn Sie mich alle als Freund der Familie betrachten“, beschwichtigte ich ihn. Das war so ein Satz aus irgendeinem der Bücher, die ich gelesen hatte, um mich über die Bewohner dieser Welt zu informieren. Durch mein besonderes Gedächtnis hatte ich Zugriff auf eine Vielzahl passender Redewendungen. Leider wirkten diese für die heutigen Menschen zuweilen etwas gekünstelt. Ich musste da Maß halten.
Obwohl,