Reise - Begleitung. Jürgen H. Ruhr
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Christine strahlte über alle Backen. Wie ein Backenhörnchen. Wieso hatte Bernd eigentlich nicht mich ausgewählt? Bodyguard einer reichen Gräfin.
Wir standen an der weiß gestrichenen Reling des Luxusliners und blickten auf das blaue Meer. Vereinzelte Möwen flatterten auf der Suche nach Nahrung herum, setzten sich hier und dort auf das Geländer und flogen dann aufgeschreckt wieder fort. „Dort hinten, sehen Frau Gräfin die Insel?“ - „Ja, Jon, auch wenn mein Augenlicht nicht mehr das einer Zwanzigjährigen ist, so de...“ - „Aber Frau Gräfin! So etwas dürfen Frau Gräfin nicht sagen, ja nicht einmal denken. Ihr Augenlicht scheint immer noch so hell wie in jüngsten Jahren, so hell wie das Funkeln der Sterne hier in der Karibik, so hell wie Diamanten an einem klaren Sonnentag. So hell w...“ - „Danke Jon, sie sind aber auch zu freundlich. Sie wissen, wie man mit alten Menschen umgeht.“ - „Frau Gräfin sind doch nicht alt, Frau Gräfin. Die Anzahl ihrer Lebensj...“ - „Ach Jon, ach Jon. Was habe ich früher nur ohne sie gemacht? Wie konnte ich ohne ihre tatkräftige Unterstützung überhaupt einen Fuß vor die Türe setzen? Es ist so gut, dass es sie gibt, lieber Jon. Aber jetzt ist mir heiß. Wollen sie mich in die Bar zu einem frühen Trunk begleiten?“ - „Aber selbstverständlich, Frau Gräfin, ich bin doch ihr ergebener Die...“
Eine Hand legte sich schwer auf meine Schulter. Die Stimme Bernds drang an mein Ohr: „Was ist los, Jonathan? Bist du eingeschlafen? Die anderen sind alle schon fort. Also, was sitzt du noch hier herum? Birgit erwartet dich sicher schon in deinem Büro!“
Birgit Zickler, die Zicke, saß auf meinem Bürostuhl und wippte vor und zurück. Vor ihr auf meinem Schreibtisch lag eine Mappe, noch ungeöffnet. Darin befanden sich vermutlich die Informationen zu unserem Auftrag. Kaufhaus ‚Kaufstatt’. Auch schön - Kaufstatt statt Karibik. Ich blickte meine neue Kollegin missmutig an. „Das ist mein Sessel. Und das ist auch mein Büro!“
Birgit schüttelte den Kopf: „Unser, lieber Johni. Schon vergessen: wir arbeiten jetzt zusammen.“ - „Dann besorge dir selbst einen Stuhl. Und jetzt raus aus meinem Sessel!“
Ich trat drohend auf sie zu, die Zicke aber lächelte nur. Hilflos stand ich vor ihr. Was sollte ich jetzt machen?
„Also gut, Birgit, was willst du?“ - „Nichts, Johni. Sei nur einfach etwas netter zu mir. Du bist immer so griesgrämig ...“ Rasch stand sie auf und ging um den Schreibtisch herum. „Lies die Akte, dort stehen alle Informationen drin, die du brauchst. Ich gehe jetzt rüber ins Studio, Chrissi will mir zeigen, wie man mit Waffen umgeht. Also bis später, Johni.“
Ich ließ mich seufzend in meinen Sessel fallen. Birgit hatte irgendetwas an der Einstellung verändert und fast wäre ich hintenüber gekippt. Ich fluchte. Warum tat Bernd mir das an? Ein Blick in die Akte zeigte mir, dass es wenig Neues gab. Es gab eine Zusammenfassung, offensichtlich vom Vorstand des Kaufhauses, welche Waren abhandengekommen waren. Ein kurzer Kommentar, wer verdächtigt wurde und eine Reihe von Maßnahmen, die aber offensichtlich alle nicht fruchteten. Entweder war die gesamte Belegschaft involviert oder die Diebe stellten sich äußerst geschickt an und besaßen einen siebten Sinn für Kontrollen.
Es gab kurze Zeiträume, da verschwand nichts. Mir kam der Gedanke, dass man diese Zeiträume mit den Arbeitszeiten der Verdächtigen abgleichen sollte. Aber in einer weiteren Notiz fand ich dann den Hinweis, dass die Verantwortlichen auch schon auf diese Idee gekommen waren und dass dabei keine Ergebnisse erzielt worden waren. Es gab einfach keine heiße Spur. Interessant war auch, dass sowohl Waren aus dem Lager, als auch aus dem Verkaufsraum verschwanden. Und es gab keinerlei Beschränkung in der Auswahl des Diebesguts. Demnach mussten die Mitarbeiter von Kaufstatt freien Zugang zu allen Bereichen der Verkaufsfläche, sowie des Lagers, haben.
Aber die Auswertung der Überwachungsvideos zeigte auch keinen Erfolg. Jedenfalls sollten wir Mittwoch pünktlich bei Detlef Sanurski erscheinen. Einfache, strapazierfähige Kleidung: Jeans, Hemd und bequeme Schuhe. Einen Arbeitskittel würde man uns stellen. Birgit und ich kamen angeblich vom Arbeitsamt und die entsprechenden Papiere lagen den Unterlagen bei. Laut unserer Legenden fristete Birgit ungelernt ihr Leben, wobei ich ein hartnäckiger Langzeitarbeitsloser mit einer lange zurückliegenden Ausbildung zum Bäcker sei. Den Beruf hatte ich wegen einer Mehlstauballergie angeblich niemals ausgeübt. Hin und wieder irgendwo gejobbt, aber niemals wirklich lange. Man ließ sogar anklingen, dass ich vermutlich nicht ganz ehrlich sei. Na, herzlichen Dank! Dann, als ich näher darüber nachdachte, musste ich zugeben, dass dieser Lebenslauf ziemlich ideal war: Ich schien der perfekte Kandidat für zweifelhafte Aktivitäten, sprich - Veruntreuung oder Diebstahl - zu sein.
Irgendwann legte ich die Akte zur Seite. Es gab einfach keinen sinnvollen Hinweis. Kein Wunder, dass Kaufstatt jetzt eine externe Firma mit den Ermittlungen beauftragte.
Ich verschränkte die Arme im Nacken und wippte mit meinem Sessel ein wenig zurück. In dieser bequemen Stellung dachte ich über den bevorstehenden Auftrag intensiv nach.
IV.
Unter meinem Arbeitskittel trug ich unauffällig das Schulterholster mit dem 38er Revolver. Natürlich geladen, sonst machte es ja keinen Sinn.
Der Abteilungsleiter begleitete meine Hilfskraft und mich in den Verkaufsraum. Die blonde Kollegin, die mir Bernd als Hilfe zugewiesen hatte, trug unter dem Arbeitskittel einen extrem kurzen Rock und sehr, sehr lange Beine. Wir waren schon für den Feierabend miteinander verabredet und ich freute mich schon auf den heutigen Abend. „Jon“, sagte sie, „wird diese Sache hier gefährlich? Du beschützt mich doch, nicht wahr, Jon?“
Ich lächelte und sah ihr direkt in die himmelblauen Augen: „Aber selbstverständlich, Süße. Dir wird nichts geschehen, halte dich nur an mich.“ Dann tippte ich an meinen Detektiv - Schlapphut und folgte weiter dem Abteilungsleiter. Der Mann watschelte voraus und erzählte unablässig irgendwelche uninteressanten Dinge. Ich hörte nicht zu, sondern befasste mich in Gedanken mit meiner kleinen Gehilfin. Ich wusste, dass sie ein bauchnabelfreies T-Shirt trug und ein süßes Piercing ihren Bauchnabel schmückte.
Aber es war nicht nur die Kleine, mit der ich mich in Gedanken befasste, denn Bernd hatte es vorzüglich verstanden, uns zu motivieren: Sollten wir es schaffen, die Diebe zu überführen, dann winkte uns eine Reise in die Karibik. Als Belohnung für unseren Einsatz. Denn so ganz ungefährlich war der Job ja schließlich nicht.
Der Abteilungsmensch blieb plötzlich stehen und in Gedanken versunken, rempelte ich von hinten gegen ihn. Er lachte, ich stimmte mit ein und die süße Kleine brach in ein entzückendes Kichern aus. „Hier ist ihr Arbeitsplatz“, wusste der Mann schließlich zu erklären. „Soll ich ihnen einen Kaffee bringen?“ Ich nickte und sah die Kleine an. „Mir einen Latte“, hauchte die und sah mir dabei in die Augen. Mir wurde siedend heiß.
Doch jetzt galt es, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Wie ich wusste, würden die Mitarbeiter des Kaufhauses gleich aus ihrer Pause zurückkehren. Von hier aus hatten wir einen nahezu perfekten Blick auf deren Wirkungsstätte. „Räum’ du die Dosen dort ein“, wies ich das Mädchen an und zeigte auf die unteren Reihen. Eine kluge Wahl, denn dabei würde sie sich bücken müssen.
„Ohne meinen Latte?“, schmollte sie und ich musste zugeben, dass wir doch zunächst auf den Abteilungsleiter