Der verschwundene Vater. Michael Aulfinger

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Der verschwundene Vater - Michael Aulfinger

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      Sobald die Kinder aus der Sicht waren, zog sie sich an, holte den Autoschlüssel, und fuhr mit ihrem Fiat Panda zur nächsten Polizeiwache. Sie wußte, daß diese gegen halb acht öffnete.

      Wie erwartet war um jene frühe Zeit noch nicht viel Verkehr in der Amtsstube.

      Dementsprechend brauchte sie nicht lange zu warten und wurde bald aufgerufen. Er junge Polizist mit blonden Haaren kam zu ihr. Er trug Koteletten, wie sie in einst in den siebziger Jahren Mode waren.

      „Sie kommen wegen einer Vermißtenanzeige, Frau Pfaff?“

      „Ja.“ Cordula erzählte ihm alles haargenau in chronologischer Reihenfolge wie es sich zugetragen hatte. Der Beamte tippte zeitgleich alles in den Computer. Als sie geendet hatte, lehnte sich der Polizist zurück.

      „Ich habe noch ein paar Fragen, bevor die Suchmeldung heraus geht.“ Ein Nicken signalisierte ihm, daß er beginnen konnte.

      „Wie sah es in ihrer Ehe aus. Hat ihr Mann einen Grund zu verschwinden? Stand die Scheidung ins Haus? Hat er vielleicht eine Affäre, bei der er sich in diesem Moment aufhalten könnte?“

      Wenn es jemals im Leben der Cordula Pfaff einen Moment gegeben haben sollte, in dem sie beinahe vor Wut und Zorn platzen würde, so war es jener zu diesem Zeitpunkt. Ihr ansonsten eher blei­cher Teint hatte nahezu die Farbe einer überreifen Erdbeere angenommen. Völlig aufgebracht stand sie rasch auf und stützte sich auf dem Schreibtisch des verdutzt zurück weichenden Polizisten ab.

      „Guter Mann. Wir führen eine sehr gute Ehe. Da können sie fragen wen sie wollen. Und ich lasse mir von so einem jungen Mann, ohne jegliche Lebenserfahrung, nicht eine unmögliche Affäre ankreiden. Da liegen sie vollkommen falsch.

      Niemals würde er sowas tun. Da muß etwas Schreckliches passiert sein. Nie wieder möchte ich aus ihrem Munde so eine infame Unterstellung hören. Haben wir uns verstanden?“

      Beim letzten Satz knallte sie dermaßen die Faust auf den Schreibtisch, so daß der Beamte beinahe rücklings mit dem Stuhl umgekippt wäre.

      „Beruhigen sie sich doch erstmal.“ Leicht schwitzend beugte er sich wieder nach vorne. Mit einer Handbewegung forderte er Cordula auf sich wieder zu setzen. Sie tat es schließlich, allerdings war sie innerlich immer noch völlig aufgewühlt.

      Nach einigen Augenblicken des Beruhigens, beugte sich der Beamte nach vorne, die Hände auf dem Schreibtisch gefaltet.

      „Frau Pfaff. Hören sie mir mal bitte zu. Es liegt mir fern sie aufzuregen, sowie ihrem Mann eine Affäre mit einer anderen Frau zu unterstellen. Weiß Gott nicht. Aber sie glauben gar nicht, was wir hier schon alles erlebten. Erst vor kurzem hatten wir hier eine Frau, die geschworen hat, daß ihr Mann glücklich mit ihr lebte, und sie niemals betrügen würde. Keine zwei Tage später stellte sich dann heraus, daß er genau dies getan hatte.

      Meine Fragen dienen nur dazu, um ihnen zu helfen. Es liegt nicht in meiner Absicht sie zu kränken. Haben sie das verstanden?“

      „Ja,“ antworte Cordula nun ruhiger. Ich verstehe sie ja auch. Sie wollen nicht unnötig alles aufwühlen. Aber eines kann ich ihnen versichern. Bei meinem Mann ist es nicht so gelaufen wie bei dem eben von ihnen erzählten Fall. Das mag ja schon mal vorgekommen sein. Mein Mann ist ein fürsorglicher Vater und lieber Ehemann. Für ihn geht die Familie über alles. Sein Verschwinden ist nicht mit Vernunft zu erklären.

      Da muß wirklich was schreckliches passiert sein. Vor allem, weil er gar nichts mitgenommen hat. Das macht er nämlich niemals, wenn er zu Freunden alleine geht. Alles ist da.“

      „Meinen sie, daß er über gar kein Bargeld, oder irgendwelchen Karten verfügt, mit denen er sich Bargeld verschaffen könnte?“ Der Beamte – sein Name war Metzer, wie das kleine Schild auf dem Schreibtisch bekundete - hörte nun deutlich konzentrierter zu.

      „Richtig. Wie ich vorher schon angab, hat er gar nichts dabei. Wenn er durchbrennen würde, so hätte er doch sicherlich genügend Bargeld dabei, beziehungsweise würde er eine EC-Karte zum Geld abheben mitnehmen. Um halt genug zum Leben zu haben. Das ist es ja, was mich beunruhigt. Er hat nichts weiter dabei gehabt, als die Sachen die er am Leibe trug.“

      „Das ist natürlich seltsam. Wenn jemand die Absicht hätte zu verschwinden, würde er doch im Vorfeld für ein angenehm finanzielles Polster sorgen. Auf welche Weise auch immer. Es gibt natürlich Fälle, in denen eine vermißte Person heimlich Geld beiseite schaffte, und so die zurückgebliebenen auch davon ausgingen, er wäre ohne Bargeld verschwunden. Na denen hat er aber eine lange Nase gezogen. Aber das sind alte Fälle. Jetzt wenden wir uns ihrem Mann zu, ohne ihm so eine hinterhältige Absicht zu unterstellen.

      Die Beschreibung habe ich vor mir liegen. Frau Pfaff. Dann kann ich weiter nichts tun, als die sofortige Fahndung nach ihrem Mann an die Kollegen weiterzugeben. Gehen sie nach Hause und be­ruhigen sie sich. Vielleicht ist es alles nur ein Mißverständnis. Trotzdem rate ich ihnen, daß sie all ihre Bekannten anrufen, ob er sich nicht vielleicht dort gemeldet hat.“

      Cordula nickte. Sie nahm sich vor, dies zu tun. Mehr konnte sie wahrlich nicht unternehmen.

      Außer warten natürlich.

      Warten und warten.

      Sonja öffnete die Tür. Mit einem Schwung schleuderte sie achtlos ihre Schultasche in die Ecke. Dies war eine neue Angewohnheit, die von ihrer permanent schlechten Laune herrührte. Dementsprechend würde alleine schon ein kleiner Funke ausreichen, um bei ihr extreme Wutausbrüche her­vor zurufen. Sie war einfach nicht mehr wieder zuerkennen. Seit ihr Vater vor zwei Wochen spurlos verschwand, hatte sich das Familienleben dramatisch in das Negative verändert.

      Sonja zeigte sich durchgehend zickig, was nicht alleine auf die beginnende Pubertät zurück zuführen war. Mit ihrer Mutter konnte sie seit Tagen kein ruhiges Gespräch mehr führen. Cordula gab sich die allergrößte Mühe, doch lagen bei ihr ebenfalls die Nerven blank, so daß jedes falsch ver­standene Wort sogleich zu heftigen Streitigkeiten führte. Diese unverhältnismäßige hohe Anzahl von Streitigkeiten waren fast nur eine Angelegenheit zwischen Mutter und Tochter.

      Dennis dagegen hatte eine andere Art gefunden, um diesen negativen Lebensabschnitt nervlich und psychisch bewältigen zu können. Er zog sich in sich zurück. Es war für Cordula schwer von ihm auf einfachste Fragen eine Antwort zu erhalten. Wenn er angesprochen wurde, so drehte er meist den Kopf weg, und tat so, als wenn die Frage ihm nicht galt. Aber das war selten, weil er sich in sein Zimmer verkroch. Seit Tagen lag Cordula in den Abend- und Nachtstunden alleine im Bett, und weinte sich in den Schlaf. Sie wußte einfach nicht mehr weiter. Seit Tagen hatte sie nichts mehr von der Polizei gehört.

      Gedulden sie sich. Er wird schon wieder auftauchen.

      So oder ähnlich klang es. Leicht gesagt. Und was wäre, wenn Bernd nie wieder auftauchte?

      Wenn die wüßten, wie es in ihr aussah.

      Mit jeder vergangenen Minute schmolz ihre Zuversicht. Hoffnungslos trieb sie am Tag dahin, als wäre sie ein Ast im reißendem Strom. Sie ließ sich mitreißen. Fortgespült wurde sie, ohne jegliche Aussicht, das rettende Ufer zu er­reichen.

      All dieser Gemisch aus Trauer und Hoffnungslosigkeit hatte also auch auf die Kinder unbewußt abgefärbt. Dies spiegelte sich auch in der Schultasche wieder, welche in die Ecke geschleudert wurde.

      „Was soll das? Heb die Tasche wieder auf und leg sie dorthin, wo sie

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