Randwelten. Sarah L. R. Schneiter

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Randwelten - Sarah L. R. Schneiter

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zu unterdrücken. Ich erkannte zu spät, dass beinahe mein ganzer Stab in dem Raum beim Tee versammelt war, genauso gut hätte ich im Thronsaal sitzen und Audienzen geben können. Nun denn, Prinzessin Lucilda, du wirst heute wohl oder übel einen Krieg planen müssen, dachte ich sardonisch.

      „Wir brauchen dich, oh Gebieterin“, erklang plötzlich eine nervtötende Stimme in meinen Gedanken. „Eile herbei!“

      „Hau ab!“, gab ich so nachdrücklich zurück, wie es mir möglich war. Unverzüglich widmete ich mich wieder meiner eigentlichen Aufgabe: Mit meinen Untergebenen Tee zu trinken.

      „Wir sind uns sicher, dass die Barbaren vom Süden angreifen werden“, erläuterte der Kriegsminister eben. Hatte ich es doch gewusst, es ging wie immer um Politik. Ich nickte geflissentlich und legte den silbernen Löffel weg, mit dem ich in meiner Tasse gerührt hatte.

      „Natürlich, aber wenn wir unseren Spionen glauben wollen, haben wir noch etwas Zeit, oder?“

      „Ich würde nichtsdestotrotz dazu raten, zuerst zuzuschlagen, Eure Hoheit“, wandte er ein. „Noch ist das gegnerische Heer nicht vollständig, was uns einen Vorsprung verschafft. Die Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen.“

      Ich bedankte mich und spielte gedankenverloren mit dem silbernen Löffel. Als ich das Für und Wider abwog, besah ich abwesend meinen Hofstaat – ein Haufen viel zu aufwändig gekleideter Leute, die prätentiös hier saßen und darüber diskutierten, wen unser Heer niedermachen sollte. Wieder machte mir die Korsage das Atmen schwer und ich konnte mir ein Seufzen diesmal nicht verkneifen. Wie unpraktisch, so eingeschnürt zu sein! Ich setzte dazu an, meine Entscheidung darzulegen, als mich wieder diese impertinente Stimme mit dem schelmischen Unterton unterbrach: „Prinzessen, Eure Untertanen wünschen Euch zu sprechen.“

      „Nicht jetzt, verdammt!“ Nein, niemand hat gerne Stimmen im Kopf, erst recht nicht, wenn man für ein ganzes Reich verantwortlich war, das würde rasch zu verheerenden Fehlern führen. Ich durfte mich jetzt nicht ablenken lassen, oder meine Untertanen würden dafür mit dem Leben bezahlen. „Ich denke, wir sollten zuerst zuschlagen.“

      Der Kriegsminister wirkte zufrieden, beinahe glücklich. „Eine weise Entscheidung, Gebieterin. Unser Heer wird heute Abend zum Aufbruch bereit sein.“

      „Gut, ich überlasse die Details Ihnen, weil Sie mehr Ahnung davon haben.“ Voller Vorfreude griff ich nach dem Himbeerkuchen, sicher, dass ich jetzt endlich einen Moment der Ruhe verdient hatte, als die Stimme zurückkehrte, lauter als je zuvor in meinem Kopf hallte: „Lucy, verdammte Scheiße, ich brauche dich hier!“

      Die Welt um mich herum erzitterte, begann zu beben. Ich ergriff einem Reflex folgend die Tischkante. Mein langes Kleid flatterte im aufkommenden Sog, alles begann zu wanken und kippte schließlich weg. Ich gönnte mir einen letzten bedauernden Blick auf meine porzellanweißen, perfekt manikürten Hände. Dann, abrupt, zerfiel das Bild in Fragmente, alle Klänge, Gerüche und Sinneswahrnehmungen waren wie weggewischt. Mein Magen drehte sich fast um, aber ich war an das Gefühl gewohnt, es störe mich nur noch geringfügig.

      Noch bevor ich die Augen aufschlug, quälte der Bass einer kaum auszuhaltenden Popballade meine Ohren – mein momentaner Nachbar war wirklich nicht angenehm. Dazu kam, dass die alten Lüftungen jedes noch so kleine Geräusch transportierten. Ich nahm mir noch eine Sekunde oder zwei, um mich auf die andere Welt vorzubereiten, dann öffnete ich die Augen. Alte Decke, metallene Tür, flackernde Lichterkette, zerkratzter Paravent, ich war wieder da. Als ich meine Hand zur Stirn führte, um die Elektrode vom Gedankeninterface zu entfernen, konnte ich alle Kratzer, Narben und die ersten Spuren des Alters erkennen. Auf Wiedersehen, edle Prinzessin Lucilda und willkommen zurück, alter Haudegen Lucy. Virtuelle Realitäten hatten zweifellos ihre guten Seiten.

      Ich fuhr zusammen und hätte beinahe zugeschlagen, als das dunkelhäutige Gesicht meines Captains weniger als einen Meter über meinem auftauchte und sie mich frech angrinste. „Hey Narbengesicht, hör auf, hier auf dem Perserteppich rumzuliegen, es gibt Arbeit. Ach ja, wie war’s?“

      „Fuck, Nat, erschreck mich nicht, du weißt, dass ich eine verdammte Kampfausbildung habe!“ Ich zwang mich, ein paarmal tief durchzuatmen, die Frau hatte einen an der Klatsche, aber sie war meine beste Freundin und Vorgesetzte. Nein, ich durfte sie nicht umbringen, ganz ruhig bleiben, Lucy. Mich auf ihre Frage besinnend, erklärte ich: „Historisch inakkurat und weniger entspannend, als ich gehofft habe. Ich sollte aufhören, mir nur die billigsten Simulationen herunterzuladen.“

      „Alter Geizkragen“, lachte sie, dass ihre Locken tanzten. Lässig bot sie mir eine Hand an, an der sie mich schwungvoll hochzog. „Außerdem ist es mit dir historisch sowieso nicht korrekt, im mittelalterlichen Europa gab es wohl kaum Prinzessinnen mit chinesischer Abstammung.“ Sie unterbrach sich und fuhr im besten Tonfall einer Motivationsrede fort: „Wie auch immer, es gibt viel zu tun! Der automatische Auswurfschacht für die Spaltprodukte funktioniert nicht mehr. Wir sollten endlich mal wieder die nuklearen Abfälle in die nächste Sonne werfen, also schnapp dir einen Schraubenschlüssel.“

      Meine Antwort war trocken, aber was konnte sie sonst erwarten? „Nat, dein Sternenschiff ist ein Schrotthaufen, du bist das lebende Klischee einer Weltraumschmugglerin und der Anhalter, den wir mitschleppen, hat einen grauenhaften Musikgeschmack. Wenn wir schon bei Kritik sind: Leg dir wie jeder vernünftige Mensch einen Fusionsgenerator zu, dann müssen wir uns nicht mehr mit Spaltprodukten herumschlagen!“

      „Ach komm schon“, meinte sie. „Für eine, die ihr Geld früher mit wer weiß was für Verbrechen verdient hat, das Gesicht voller Kampfnarben hat und in ihrer Freizeit Prinzessin spielt, hast du eine verdammt große Klappe.“ Als wir auf den Gang traten wurde die Musik noch besser hörbar. Ich betrachtete die unter dem metallenen Gitterboden verlegten Leitungen, die vor sich hin rosteten. Dieses Schiff würde früher oder später unser aller Grab werden, daran zweifelte ich nicht im Geringsten. Wer taufte schon einen alten Weltraumfrachter, der beinahe auseinanderbricht, Promise? Diese Schrottlaube nannte ich mein Zuhause und eigentlich fand ich es gar nicht so übel, zumindest wenn ich ab und an die Gelegenheit hatte, in meine Fantasiewelten abzutauchen.

      Die Stimme meines Captains schaffte es problemlos, das Katzengejammer aus der nahen Kabine zu übertönen. „Komm schon, der Sound ist gar nicht so übel. Hm-Hm-Hm.“ Meine Güte, sie begann tatsächlich zu dieser akustischen Missgeburt zu summen, gar mit ihrem verdammten Kopf im Takt zu zucken. Mich aus der Luftschleuse zu werfen, wäre momentan ein echter Gnadenakt!

      Eins

      Das Gefühl von Dringlichkeit treibt mich weiter durch die endlosen Reihen von Maschinen, deren Zweck ich bestenfalls erahnen kann und die in der Dunkelheit als bedrohliche Schemen aufragen. Vor einem Gerät, das ich für eine Nussverpackungsanlage halte, bleibe ich stehen und lausche: Nichts außer dem Rauschen des Windes, der an dem alten Backsteinhaus rüttelt, in dem diese Studentenfutterfabrik liegt. Ich muss stets in Bewegung bleiben, unaufhaltsam und entschlossen.

      Schon seit Monaten bin ich auf der Suche nach dir, habe Welten besucht, deren Lage in der Galaxis ich nicht einmal in meiner Schulzeit gelernt habe, Dinge getan, bei denen jedem halbwegs gesunden Menschen ein Schaudern den Rücken hinunterfahren würde. Die Einsamkeit wurde im Laufe der Tage, Wochen, Monate unerträglicher, sodass ich nun in meinem Gedanken stets sehnsüchtig mit dir spreche, dir erzähle wo ich bin, was ich tue … Wir waren Eins, damals.

      Nicht jetzt, maßregle ich den streunenden Verstand, der meine Konzentration beeinträchtigt. Meine schmutzbeschmierten Hände ertasten statt dem Geländer eine offene Kiste voller Rosinen und gierig stopfe ich mir eine Handvoll in den Mund, weiß nicht mehr, wann ich das letzte Mal richtig gegessen habe. Ich habe geschworen, dich zu finden, koste es, was es wolle,

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